Der Bundesbankchef Jens Weidmann wird seit einiger Zeit als Nachfolger von EZB-Präsident Mario Draghi gehandelt. Doch in der großen Koalition werden seine Chancen nüchtern eingeschätzt. Den südeuropäischen Ländern gilt der geldpolitische Falke als schwer vermittelbar.

Berlin - Der Internetauftritt der Deutschen Bundesbank ist aufschlussreich. Unter dem Bild des Präsidenten ist zu lesen: „Weidmann bekräftigt Kritik an Staatsanleihekäufen.“ Darüber steht in dicken Lettern: „Notenbanken brauchen Rückgrat.“ Beide Artikel geben Reden und Interviews des Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann wieder. Schon der erste Eindruck zeigt, dass Weidmann ein politischer Präsident ist. Konflikten geht er nicht aus dem Weg. Seine Kritiker sagen, er suche sie, um den sinkenden Einfluss der Bundesbank zu überdecken. In der Öffentlichkeit wird Weidmann als Gegenspieler von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) , wahrgenommen. Draghi hat in Deutschland wegen seiner ultra-lockeren Zinspolitik ein Buhmann-Image. CSU-Politiker bezeichneten den Italiener vor Jahren schon einmal als „Falschmünzer“. Den vielen Unzufriedenen mit der EZB-Politik gilt Weidmann als Hoffnungsträger. Sie sehnen einen Wechsel herbei. Im Magazin „Spiegel“ stand vor einigen Wochen, Weidmann habe gute Chancen, nächster EZB-Präsident zu werden. Doch ist das wirklich so? Wer sich in Berlin umhört, stößt jedenfalls auf viele Zweifler.

 

Merkel will Anspruch für Deutschland anmelden

Offiziell ist die Personaldebatte für Weidmann und die Bundesregierung kein Thema. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt Weidmann einen guten Bundesbank-Präsidenten. Doch für die Nachfolgespekulation bei der EZB sei es viel zu früh, sagte Schäuble. Da ist etwas dran, denn die Amtszeit von EZB-Chef Mario Draghi läuft erst 2019 aus. Bis dahin kann noch viel passieren. Gleichwohl hat schon der Beginn der Spekulationswelle gezeigt, dass Weidmann mit heftigem Gegenwind rechnen müsste. So gab es aus Paris das Signal, die Debatte sei unangebracht. Seit sechs Jahren steht der 49-jährige Volkswirt an der Spitze der einst so mächtigen deutschen Notenbank. Mit seiner sachkundigen und freundlichen Art vermittelt Weidmann das Bild eines nahbaren Notenbankers. Das wird auch am Donnerstag zu beobachten sein, wenn er in der baden-württembergischen Hauptverwaltung in Stuttgart auf „60 Jahren Bundesbank“ zurückblickt. Mit dabei sein wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Bundesbank-Chef genießt parteiübergreifend Ansehen. Kanzlerin Angela Merkel holte ihn einst als Abteilungsleiter für Wirtschafts- und Finanzpolitik und Sherpa für die Weltwirtschaftsgipfel ins Kanzleramt.

Merkel ist entschlossen, Ansprüche für Deutschland bei der EZB-Besetzung anzumelden. Ihr Kandidat heißt Weidmann. Ähnlich sieht das der Finanzminister. Wolfgang Schäuble beobachtete den jungen Bundesbank-Präsidenten anfangs zwar mit Misstrauen. Dass der Bundesbank-Präsident schon früh seine Gegenposition zu Draghis Zinspolitik öffentlich machte, missfiel Schäuble – auch deshalb, weil Schäuble Draghis Unabhängigkeit achtete. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Euroländer davon profitierten, dass die EZB die Eurozone mit Geld flutet. Mittlerweile ist Schäuble aber auf sichtbare Distanz zu Draghi gegangen. Es vergeht kaum eine Woche, in der der Minister nicht die Abkehr von der Niedrigzinspolitik anmahnt. Mit Weidmann arbeitet Schäuble eng zusammen. Sichtbar wird das bei internationalen Finanzgipfeln, bei denen sie die deutsche Delegation anführen.

Schäuble war anfangs misstrauisch

Doch der Bundesfinanzminister weiß genau, wie schwierig es wird, einen deutschen Kandidaten durchzusetzen. Berlin kann zwar argumentieren, nach einem Niederländer, einem Franzosen und einem Italiener müsse künftig ein Deutscher auf dem EZB-Chefsessel Platz nehmen. Doch die Aussichten, dass dies klappe, seien gering, sagte ein einflussreiches Mitglied der großen Koalition. „Der Hegemon wird nicht geliebt“, fügte er als Erklärung an. Deutschland gibt als größtes Land der EU schon jetzt häufig den Ton in der Europolitik vor. Die Sorge ist groß, die Dominanz werden mit einem Deutschen auf dem EZB-Posten noch zunehmen. Vor allem den südeuropäischen Ländern ist Weidmann schwer vermittelbar. Er gilt in Frankreich, Italien und Spanien wegen seiner Opposition zu Draghis Politik als geldpolitischer Falke. Mit seiner Dauerkritik an der extremen Nullzinspolitik hat er sich in Europa viele Feinde gemacht. Die kleinen Euroländer halten es ohnehin für angebracht, dass sie bei wichtigen Postenbesetzungen berücksichtigt werden.

Gegenwärtig gibt es keine Anzeichen, dass die Spitzenpersonalien der nächsten Zeit im Paket entschieden werden. Für Tauschgeschäfte ist bei der EZB-Nachfolge noch zu früh. Deutschland verfolgt momentan die Strategie, mit Einzelentscheidungen den Machtbereich auszubauen. Erst im Frühjahr ist ohne große Diskussionen die Amtszeit des Deutschen Klaus Regling verlängert worden, der als Chef über das Milliardenvermögen des europäischen Rettungsschirms ESM wacht. Berlin rechnet sich außerdem gute Chancen aus, dass das Mandat für Werner Hoyer, den Präsidenten der Europäischen Investitionsbank (EIB), verlängert wird. Heuer führt die Bank mit großem Engagement. In diesem Fall hätte sich Deutschland zwei einflussreiche Posten gesichert.

Spanier hat Ambitionen auf Eurogruppen-Vorsitz

Spätestens im nächsten Jahr muss dann ein neuer Vorsitzender der Eurogruppe bestimmt werden. Der niederländische Politiker und Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wirbt zwar dafür, dass er als hauptamtlicher Eurogruppenchef weitermachen darf. Der künftigen niederländischen Regierung wird Dijsselbloem wohl nicht mehr angehören. Alles spricht dafür, dass die Eurofinanzminister lieber einen Vorsitzenden aus ihrer Mitte wählen. Gute Chancen kann sich der spanische Finanzminister Luis de Guindos ausrechnen. Ihm wurden früher schon Zusagen gemacht.

Erst nach diesen Entscheidungen dürfte über den EZB-Chefposten befunden werden. Damit ist im nächsten Jahr zu rechnen. Der Bundesbankchef nimmt es unterdessen mit Humor, dass sein Name im Personalkarussell öfter fällt. „Es ist doch allemal besser, als wenn man für nichts infrage kommt“ sagte er.