Der Politik misslingt der Versuch, einen Wendepunkt in der Autopolitik zu inszenieren, auf spektakuläre Weise. Erst führt Greenpeace die Bundesregierung vor, dann der Verband der Autoindustrie. Der Ablauf des Dieselforums ist chaotisch, die Ergebnisse sind mager – und sie werden schlecht verkauft.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Stunden nachdem die Greenpeace-Demonstranten ihren Begrüßungsgruß über dem Haupteingang des Bundesverkehrsministeriums aufgehängt haben, ist das Sondereinsatzkommando der Polizei unverrichteter Dinge wieder abgezogen. „Willkommen in Fort Nox“ steht in weithin lesbaren Buchstaben über dem Haupteingang des Hauses. Und dort bleibt das Transparent auch den ganzen Tag über hängen. Nur ein paar Meter weiter hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sich mit ein paar Dutzend Demonstranten aufgebaut und die einzige Zufahrt zum Nebeneingang des Verkehrsministeriums versperrt.

 

Deshalb wird der Dieselgipfel verlegt ins Innenministerium – wegen einer nicht näher erklärten „aktuellen Lage“, wie das Verkehrsministerium in dürren Worten später mitteilt. Aber in Wahrheit sollte den Gipfelteilnehmern ein Spießrutenlauf erspart werden: sich entweder zwischen den Demonstranten durchzulavieren oder vor laufenden Kameras das als „Fort Nox“ – also als Hort gesundheitsschädlicher Stickoxide – gebrandmarkte Ministerium zu betreten. Aber vielleicht ist im Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auch die Erkenntnis gereift, dass die zwischen – ausgerechnet – dem Schwarzen Weg auf der einen und dem Naturkundemuseum auf der anderen Seite gelegene Behörde rein räumlich sowieso eine denkbar schlechte Location für den Dieselgipfel ist: Dass im Naturkundemuseum gleich nebenan eines der größten und schönsten Saurierskelette Deutschlands steht, ist schließlich kein Mutmacher für das Krisentreffen. Man kann es als Mahnmal sehen, dass es in der Erdgeschichte auch früher schon zum Aussterben von Großorganismen gekommen ist.

Und ums Sterben oder Überleben soll es schließlich gehen bei diesem Krisentreffen – für den Diesel, der einmal der Stolz der deutschen Motorentechniker gewesen ist, und vielleicht sogar für die deutsche Autoindustrie. Deren Funktion als Zugpferd der deutschen Wirtschaft stand wahrscheinlich noch nie so in Zweifel wie zurzeit. Die Umweltverbände von Greenpeace bis zur Deutschen Umwelthilfe, die die Politik und die Industrie mit ihrer aggressiven Kampagne zugunsten sauberer Dieselmotoren mit niedrigerem Stickoxid-Ausstoß seit Monaten vor sich hertreiben, haben jedenfalls zu Beginn des Dieselgipfels damit schon einen Punktsieg errungen und die Abläufe in Berlin völlig durcheinandergebracht.

Umwelthilfe spricht von neuem Kniefall der Politik vor der Branche

Man kann darüber streiten, ob das die erste Niederlage war, die die Organisatoren auf der Berliner Regierungsbank damit an diesem Mittwoch kassieren. Die letzte ist es jedenfalls nicht. Dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Umweltverbände zufriedenstellen, ist von vorneherein ausgeschlossen. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch spricht schon vorher von „Placebos“.

Zur Wahrheit gehört, dass Resch und seine Mitstreiter auch mit einem anspruchsvolleren Beschluss nicht zufrieden wären. Ohne Dieselverbot oder eine Hardware-Nachrüstung für alle hier zugelassenen neun Millionen Diesel mit Euro-5 oder -6-Norm wollen sie sich nicht zufriedengeben.

Dass ein solcher Beschluss schon wegen der technischen Umsetzungsschwierigkeiten beim Dieselforum gar nicht getroffen werden konnte, war bereits vorher klar.

Aber unabhängig davon ist hinter den Kulissen jede Menge Sand im Getriebe. Im Lauf des Tages wird immer deutlicher, dass die vollmundigen Ankündigungen von einem „Wendepunkt“ im Verhältnis zwischen Autobranche und Regierenden nicht eingelöst werden. Vollends offenbar wird das, als der Verband der Autoindustrie (VDA) seine Mitteilung zu den Gipfelergebnissen lange vor der gemeinsamen Pressekonferenz lanciert. Was für ein Affront! Das Prozedere – und das Ergebnis, dass nur 2,5 Millionen zusätzliche Diesel mit Software-Updates versehen werden sollen – ist auch mit Engelszungen kaum mehr schönzureden.

Dann am frühen Abend – Auftritt Dobrindt, Hendricks und die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg), Horst Seehofer (Bayern) und Stephan Weil (Niedersachsen). Dobrindt sieht eine „sinnvolle Basis“ gelegt, Hendricks spricht von einem „klaren Anforderungskatalog“ an die Hersteller. Aber mehr als vier Arbeitsgruppen, die über technische Umrüstung reden sollen, hat sie nicht zu bieten. Regierungschef Winfried Kretschmann konstatiert ein „ordentliches Ergebnis“ und lobt den Gipfel als wichtigen Schritt zur Vermeidung von Fahrverboten. Nach Durchbruch klingt das nicht.