Der Weissacher Lehrer, Trainer, Sport-Wissenschaftler und Hirnforscher Frieder Beck spricht bei der Business-Kultour in Oppenweiler über sein Buch „Sport macht schlau“ und inspiriert nicht nur den Schultes. Für den Berufsalltag schlägt Beck „Bewegung statt Kaffeepausen“ vor. Oder eine Klimmstange im Büro. Oder einen Sweaty-Dienstag.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Oppenweiler - Zu vorgerückter Stunde fasst Frieder Beck seinen soeben in der Gemeindehalle Oppenweiler gehaltenen Vortrag nochmals knapp zusammen, bringt seine Erkenntnisse aus der Jahre langen Arbeit als Lehrer, Wissenschaftler und Hirnforscher auf den Punkt: „Sport macht schlau“. Das ist auch der Titel des neues Buches des Pädagogen, der am Bildungszentrum Weissacher Tal (Bize) unterrichtet. Oder etwas flapsiger formuliert: Wenn der Sportunterricht gestrichen werde, dann sei schnell „0,1 vom Abischnitt weg“.

 

Der vielseitig begabte Lehrer, der bis vor kurzem auch Trainer der deutschen Nationalmannschaft im Ski-Freestyle war, hat ungezählte wissenschaftliche Studien gelesen, die alle zu diesem einen Ergebnis kommen: Die erfolgreiche Bewältigung belastender Situationen – zum Beispiel Stress im Berufsalltag – beruhe auf der Leistungsfähigkeit sogenannter exekutiver Funktionen. Als exekutive Funktionen würden alle Gehirnfunktionen bezeichnet, die sich auf mentale Vorgänge beziehen. Beck sagt, es gebe drei Subtypen: das Arbeitsgedächtnis, die Inhibition und die kognitive Flexibilität.

Sport mache tatsächlich schlau – kurzzeitig und langfristig

Diese exekutiven Funktionen seien jedenfalls verantwortlich für unser geistiges Potenzial, also auch für Schulnoten, für Erfolge im Job, für das Wohlbefinden. Und das Tolle dabei, so Frieder Beck weiter: diese exekutiven Funktionen ließen sich trainieren, „am besten durch Bewegung“.

Sehr gut erforscht seien die Erfolge, die durch Ausdauersportarten wie Rennen zu erzielen seien. Körperliche Aktivität, so Beck vor rund 200 Zuhörern in Oppenweiler, besitze einen akuten und einen langfristigen Effekt auf unseren Geist. Bis zu einer halben Stunde nach dem Ende intensiver körperlicher Aktivität messe man eine erhöhte Leistung in den exekutiven Funktionen. Langfristig angelegte Sportprogramme führten zu einer andauernden Steigerung der Leistungsfähigkeit der exekutiven Funktionen. Sport mache also tatsächlich schlau – kurzzeitig und langfristig.

Schüler rennen in den Unterrichtspausen

Stammesgeschichtlich sei es für unsere Vorfahren ein Überlebensvorteil gewesen, wenn sie sich bei körperlicher Betätigung besonders wachsam und merkfähig erwiesen hätten. Wenn sich unsere Vorfahren bewegten, dann sei es meistens um das Finden, Beschaffen und Lagern von Nahrung gegangen. Sie mussten sich die Wege merken, bei der Jagd Impulse unterdrücken und ständig auf der Hut vor Feinden sein, etwa vor dem Säbelzahntiger.

Ein Mehr an Bewegung bedeutete immer eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, auf kognitive Herausforderungen zu stoßen. Unser Gehirn habe sich in den vergangenen rund 30 000 Jahren kaum verändert. Wenn der moderne Mensch in seiner oft bewegungsarmen Lebenswelt Sport treibe, dann profitiere er von diesem uralten Signal, wachsam und geistig vorbereitet zu sein. Im Gehirn würden diese Effekte über verschiedene Botenstoffe vermittelt, etwa durch Dopamin. Kinder, die körperlich fitter seien, „sind auch fitter in der Schule“. Deshalb schicke er seine Schüler in Weissach während der Pausen zum Rennen.

Für den Berufsalltag schlägt Beck „Bewegung statt Kaffeepausen“ vor. Oder eine Klimmstange im Büro. Oder einen Sweaty-Dienstag, einen Tag, an dem alle Beschäftigten morgens gerne verschwitzt am Arbeitsplatz erscheinen dürfen. Wer sich bewege, ohne viel Ablenkung, dem kämen oft die besten Ideen.

Beck warnt davor, allzu missionarisch zu sein

Der Bürgermeister von Oppenweiler, Sascha Reber, der Beck eingeladen hatte, ist ganz begeistert. Deshalb kündigt der Schultes spontan an, dass er künftig mit seinen Mitarbeiter immer donnerstags von 15 Uhr bis 15.30 Uhr um das Rathaus rennen wolle. Bis dato werde zu dieser Zeit meistens gemeinsam Kaffee getrunken und geplaudert. Beck indes warnt davor, allzu missionarisch daher zu kommen. Die Freiwilligkeit spiele eine wichtige Rolle.

Die Frage aus dem Publikum, welche Sportart sich denn besonder gut eigne, um schlau zu werden, beantwortet Beck mit einem Mut machenden Satz: Am besten erforscht seien zwar – wie erwähnt – die Ausdauersportarten, aber „jeder sollte tun, was ihm Spaß macht“. Ein anderer Zuhörer fragt nach, will wissen, ob auch Schachspielen die exekutiven Funktionen beflügele.

Kurze Denkpause, dann antwortet der Fachmann: „Schach hat sicher Effekte, aber hängen Sie anschließend doch noch eine Runde Radfahren dran.“ Zur Sicherheit.

Die Reihe Business-Kultour lockt Promis in die Provinz

Veranstaltung
Der Bürgermeister von Oppenweiler, Sascha Reber, hat die Reihe Business-Kultour im vergangenen Jahr gestartet. Damals war der Trigema-Chef Wolfgang Grupp zu Gast. Nach der zweiten Auflage mit dem Sportwissenschaftler Frieder Beck solle 2017 ein Hochkaräter aus der Politik folgen, sagt der Schultes. Auch Ralf Rangnick, der Backnanger Sportdirektor bei RB Leipzig, habe zugesagt, zu kommen.

Themen
Bevor der geladene Promi am Zug ist, berichtet der Herr Bürgermeister bei der Business-Kultour über aktuelle Ereignisse vor Ort.

Rückhaltebecken
Das seit Jahren geplante Hochwasserrückhaltecken am Ortsrand könne nun gebaut werden. Die Kommune habe sich mit dem Besitzer der Wasserkraftanlage, der das Vorhaben lange torpediert habe, nun endlich geeinigt, so Reber.

Ortsumfahrung
Die Einigung in Sachen Rückhaltebecken ermögliche es nun, auch das seit Jahrzehnten geplante Projekt Ortsumfahrung anzugehen. Denn die beiden Vorhaben seien nur aufeinander abgestimmt zu machen.

Finanzen
Die Gemeinde Oppenweiler stehe finanziell gut an. Laut Reber hat die Kommune Rücklagen in Höhe von gut zehn Millionen Euro. Die Steuersätze blieben stabil.