Das Otto-Hahn-Gymnasium in Ludwigsburg hat eine Sportbegabtenklasse, die nach einem an der Schule entwickelten Modell unterrichtet wird. Weil man die Nebenfächer ein Jahr streckt, können Leistungssportler sich mehr aufs Training konzentrieren.

Ludwigsburg - Den Blick fest auf die Stange fokussiert rennt Leonie Maginot los. Die Sonne brennt auf den Tartanboden, der Sand des Weitsprungbeckens blendet in der Mittagshitze. Kurz vor dem Absprungpunkt kommt Leonie aus dem Takt, sie bricht ab: kein Hochsprung dieses Mal. Ihr Trainer Richard Spiegelburg nickt nur kurz, dann geht’s zurück in die Reihe. „Wenn man zu viel Angst hat, kann man noch so viel erklären“, sagt der Deutsche Meister im Stabhochspringen. Der hochkarätige Leichtathlet zeigt den Schülern der Sportbegabtenklasse des Otto-Hahn-Gymnasiums in Ludwigsburg den Stabhochsprung. An diesem Tag geht es um die Koordination zwischen „Laufen, Einstich, Absprung“, wie Spiegelburg sagt.

 

Die Sportbegabtenklasse des OHG ist ein Unikat in Baden-Württemberg. Sportlich besonders talentierte Schüler der Mittelstufe können dort während der Schulzeit intensiv trainieren, unter der Anleitung von Trainern, die auch Landes- und Bundeskader coachen. Dafür fallen einige Nebenfächer erst mal weg, um dann in einem zusätzlichen Schuljahr nachgeholt zu werden. Sechs Stunden pro Woche gewinnen die Sportler durch diese so genannte Schulzeitstreckung. Das Ergebnis: Zwei Trainingskorridore vormittags und weniger Nachmittagsunterricht. Die Hauptfächer werden jedoch normal unterrichtet und die 18 Schüler der Sportbegabtenklasse sitzen dann mit jenen Schülern zusammen, die diesen Zug nicht gewählt haben. „Ich habe heute die zehnte und elfte Stunde Mathe, da würde ich schon lieber Sport machen“, sagt Leonie Maginot.

Die Schulzeitstreckung gibts in Ludwigsburg bereits von Klasse 8 an

„Wir haben dieses Modell hier an unserer Schule entwickelt und mussten lange kämpfen, bis wir es beim Kultusministerium genehmigt bekommen haben“, sagt Maren Metelka. Sie ist Deutsch- und Sportlehrerin am OHG und hat das „Ludwigsburger Modell“ mitentwickelt. Das Besondere daran: Die Schulzeitstreckung gibt es bereits in den Klassenstufen acht bis zehn. Die meisten Partnerschulen bieten das erst ab der Oberstufe an. „Wir wollen den Sporttalenten mehr Spielraum geben“, hatte der damalige Kultusminister des Landes, Andreas Stoch (SPD), gesagt, als das Modell Ende 2015 zum ersten Mal vorgestellt worden war. Nun trainiert der erste Jahrgang an der Schule. Einige süddeutsche oder baden-württembergische Meister in verschiedenen Disziplinen sind dabei, und vielleicht gibt es eines Tages auch den ersten Olympia-Sieger vom OHG. „Daran arbeiten wir noch“, sagt Maren Metelka.

Das OHG ist eine so genannte Partnerschule des Sports. Solche Schulen bieten eine spezielle Förderung von Nachwuchsathleten mit Kaderniveau. Sprich: Die Bedingung zur Aufnahme in die Sportbegabtenklasse ist, dass der Schüler bereits in einem Bundes- oder Landeskader trainiert. Das Ziel des Modells ist es, die schulische Ausbildung mit den Anforderungen des Leistungssports in Einklang zu bringen: Dabei wird der Stundenplan mit den Trainingszeiten abgestimmt, Schüler werden für Wettkämpfe vom Unterricht freigestellt und es gibt Fördermaßnahmen wie Nachführunterricht und Fernbetreuung durch ein Patensystem.

Leistungssportler wechseln von anderen Schulen ans OHG

An einer normalen Schule ist Leistungssport in jungen Jahren laut Metelka nur schwer möglich. „Viele schaffen die Doppelbelastung von Sport und Schule nicht. Gerade in der Mittelstufe steigen in beiden Bereichen die Ansprüche. Die Schüler müssen dann entweder die Schule abbrechen oder den Sport aufgeben“, sagt Metelka. Das Modell hat sich herumgesprochen: Im kommenden Jahr gebe es so viele Anmeldungen, dass man ohne Probleme eine reine Sportklasse hinbekäme, sagt Metelka. Viele Sportler würden wegen des Zusatzangebotes ans OHG wechseln.

So wie Moritz Röske, der vom Goethe-Gymnasium ans OHG kam. „Dort hatte ich drei Mal die Woche Mittagsschule. Diese Zeit kann ich hier ins Training investieren“, sagt der 13-jährige süddeutsche Meister im Hammerwerfen. Der Trainer Richard Spiegelburg findet das Modell toll: Er selbst habe damals Sport und Schule „gut unter einen Hut“ gebracht. „Aber heute sind die Schüler ganz anders ausgebucht.“