Vertreter der Stadtverwaltung haben die Bürger über die geplante Ansiedlung des Versicherungskonzerns an der Heßbrühlstraße informiert. Die Vaihinger befürchten vor allem neue Verkehrsproblem.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Die Bürgerbeteiligung über den geplanten Umzug des Versicherungskonzerns Allianz begann mit einem Umzug der Bürgerbeteiligung. Denn zu dem Erörterungstermin am Dienstagabend kamen etwas 70 Leute. Die passten nicht in den kleinen Sitzungssaal im Bezirksrathaus. Das erzürnte die Gemüter. Und so begannen die Beschwerden über die Verwaltung noch bevor die Verwaltung auch nur ein Wort gesagt hatte. Dass die Stadt nicht gleich einen größeren Raum für die Veranstaltung vorgesehen habe, sei ein Armutszeugnis. Es sei doch völlig klar gewesen, dass das Interesse an diesem Thema groß sein würde, echauffierte sich ein Bürger. Dann wurde noch kurz über den Umzug abgestimmt, und nachdem eine deutlich Mehrheit dafür votierte, setzte sich der Zug in Richtung Alte Kelter in Bewegung.

 

Mit etwas mehr als einer halben Sunde Verspätung begann Michael Hausiel vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung schließlich mit seinem Vortrag. Die Allianz will ihre beiden Standorte in der Stuttgarter Innenstadt aufgeben und die etwa 4000 Mitarbeiter in einem neuen Bürokomplex an der Heßbrühlstraße zusammenziehen. Das dortige Sportgelände gehört dem Versicherungskonzern seit vielen Jahren. Genutzt wird es aber vom Turn- und Sportverein Georgii Allianz. Es gibt eine Halle, ein Fußballfeld, eine 400-Meter-Bahn, ein Beachvolleyballfeld und einiges mehr.

Es gibt bereits ein paar Eckdaten

Das könnte bald Vergangenheit sein. Im März informierte OB Fritz Kuhn die Stadträte über die Pläne der Allianz. Dann begann das Verfahren. Denn damit der Versicherer bauen kann, müssen der Bebauungs- und der Flächennutzungsplan geändert werden. Bislang darf auf dem Gelände nämlich gar nicht gebaut werden. Im Juli fasste der Umwelt- und Technikausschuss den sogenannten Aufstellungsbeschluss. Der Bezirksbeirat hatte das zuvor abgelehnt. Das gab Gerhard Wick zu Protokoll. Er sitzt für die SÖS/Linke-plus in dem Gremium.

In der Vorlage zum Aufstellungsbeschluss nennt die Verwaltung bereits ein paar Eckdaten, wie der neue Bebauungsplan aussehen könnte. Demnach sind entlang der Heßbrühlstraße sechs bis sieben Geschosse möglich. Im Nordwesten des Geländes kann sich die Verwaltung einen Büroturm mit bis zu 14 Geschossen vorstellen. Das wäre dann in etwa so hoch wie der Colorado-Turm am Vaihinger Bahnhof. In Richtung Süden, also entlang des Grünstreifens, sollen vier bis fünf Geschosse möglich sein. Der derzeit verdohlte Schwarzbach könnte renaturiert werden. Die Stadt zieht auch in Erwägung, die drei Grundstücke entlang der Liebknechtstraße der Allianz für ihren neuen Bürokomplex zur Verfügung zu stellen. Bislang befinden sich dort SWSG-Wohnungen, und je eine Betriebsstelle des Tiefbauamts und der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS).

Stadt möchte „verträglich“ bauen

Hausiel betonte immer wieder, dass die Bebauung „so verträglich wie möglich“ gestaltet werde. „Das bedeutet doch nichts anderes, als dass man es nicht verträglich gestalten kann“, sagte Ulf Hartmann und zog die Konsequenz: „Darum ist dieses Projekt abzulehnen.“ Gerhard Wick schlug in die gleiche Kerbe. „Eine Bebauung des Sportgeländes hat erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Lärmbelastung und das Klima. Dieses Projekt muss man bleiben lassen“, sagte der Bezirksbeirat. Mit einer Änderung des Bebauungsplans gewinne ausschließlich die Allianz, weil der Wert des Grundstücks steige. „Die Stadt muss aufhören, immer den Unternehmen hinterherzuplanen“, sagte Wick.

Der Verkehr war freilich eines der wichtigsten Themen. „Wir kennen die Problematik“, sagte Hausiel und ergänzte: „Wann immer wir mit einem Thema hier aufschlagen, schlägt uns das Thema Verkehr entgegen.“ Die Stadt arbeite derzeit an einem Verkehrskonzept für Vaihingen. Die Bürger hatten dafür allerdings nur ein höhnisches Lachen übrig.

Bürger beklagen „unfaires Verfahren“

Keiner der Anwesenden äußerte sich positiv zu dem Projekt. Mehr noch: das ganze Verfahren sei unfair, so der Tenor. „Wir wollen das nicht. Warum dürfen die das beschließen“, fragte eine Bürgerin und meinte mit „die“ mutmaßlich die Stadträte. „Warum hat der Bezirksbeirat nichts zu sagen“, fragte jemand anders. Die Bürger ärgerten sich auch darüber, dass erst gar kein Stadtrat zu der Veranstaltung gekommen war. „Da sieht man mal, wie die zu uns Bürgern stehen“, so eine Meinung aus dem Publikum.

Mehr als eine Stunde lang nahmen Hausiel und seine Kollegen die Stellungnahmen der Bürger entgegen. Diese werden nun protokolliert und der nächsten Gemeinderatsvorlage zu diesem Thema angehängt. „Da geht nichts verloren“, versprach Hausiel. Die weiteren Verfahrensschritte sind der Auslegungsbeschluss und die öffentliche Auslegung der Pläne. Dann können die Bürger erneut Stellung nehmen, bevor der Gemeinderat gegebenenfalls den Satzungsbeschluss fasst.

Die Rolle der AWS des Sportvereins und des Daimler-Konzerns

Bei dem Termin am Dienstag war auch ein AWS-Personalrat da. Er kritisierte, dass die AWS vermutlich erneut ein Betriebsgelände verliert. Der städtische Eigenbetrieb musste weichen, als die EnBW am Schelmenwasenring auf dem Fasanenhof baute. Damals bekam er Ersatz an der Heßbrühlstraße. Nun zieht die AWS vermutlich erneut den Kürzeren, weil die Allianz bauen möchte.

Wie es mit dem TSV Georgii Allianz weitergeht, ist ungewiss. Der Verein hat eine mehr als 100 Jahre alte Tradition. Die Bürger beklagten bei dem Termin am Dienstag, dass viele Kinder und Erwachsene ihre sportliche Heimat verlieren. Michael Hausiel versicherte, dass es einen Ausgleich geben müsse. Das Sportamt sei schon jetzt im Gespräch mit den benachbarten Vereinen. Und die Allianz plane, eine neue Dreifeldhalle zu bauen.

Der Daimler-Konzern will auf dem ehemaligen Gelände der Buchgroßhandlung KNV im Gewerbegebiet Vaihingen/Möhringen 4000 bis 4200 Arbeitsplätze konzentrieren. Das würde noch einmal eine zusätzliche Verkehrsbelastung für den Stadtbezirk bedeuten.