Glaube soll ja bekanntlich Berge versetzen. Doch wie wichtig ist es daran zu glauben, dass Sport gut tut? Profitiert man tatsächlich mehr vom Training, wenn man von seiner positiven Wirkung überzeugt ist? Ein Psychologe von der Universität Freiburg hat genau das untersucht – und kam zu erstaunlichen Ergebnissen.

Herr Mothes, treiben Sie Sport?
Ja, ich gehe gerne joggen. Von mir selbst kenne ich es deshalb sehr gut, dass sich vor allem Ausdauersport positiv auf die Stimmung und die Stressresistenz auswirkt.
Wie kamen Sie darauf, dass eine ganz bestimmte Erwartung den Körper und die Psyche beeinflussen könnte?
In der Placebo-Forschung gibt es ähnliche Effekte. Bei der Wirkung von Schmerzmitteln etwa kommt es im Endeffekt viel mehr auf die Erwartungen an, die der Patient damit verbindet, als auf den Wirkstoff. Mit meiner Studie wollte ich nun herausfinden, ob man auch nach dem Sport entspannter ist, wenn man glaubt, dass er gut tut.
Und – ist man dann entspannter?
Nach dem Training lässt sich häufig eine positivere Stimmung beobachten, die für eine Dauer von mehreren Stunden anhält. Negative Stimmungsanteile wie Depressivität, Ängstlichkeit und Aggressionen gehen dagegen zurück. Das war auch bei meinen Studienteilnehmern so, nur dass diejenigen mit positiveren Erwartungen stärkere Effekte zeigten. Ähnlich wie bei den Schmerzmitteln werden diese Vorgänge im Körper verstärkt oder abgeschwächt – je nachdem, ob man an sie glaubt oder nicht.
Wie haben Sie das herausgefunden?
Die Messung mit dem Spontan-Enzephalogramm (EEG) hat gezeigt, dass ein bestimmter Frequenzbandanteil nach dem Sport stärker ausgeprägt ist: Alphawellen mit einer Frequenz zwischen 7,5 und 12,5 Hertz. Das wird mit einer reduzierten Angespanntheit und einem größeren Entspannungsanteil in Verbindung gebracht. Hier zeigte sich, dass optimistischere Teilnehmer mehr vom Training profitierten als Pessimistischere.
Ist die entspannende Wirkung von Sport nicht längst bekannt?
Bislang hatte die Forschung vor allem die Auswirkung verschiedener Sportarten und der Sportdauer auf die Psyche im Blick. Meine Studie zeigt nun, dass sich auch die psychische Einflüsse, wie etwa eine positive Erwartungshaltung, niederschlagen. Sie sind eine mindestens gleichberechtigte Variable im Geflecht der unterschiedlichen Faktoren – zu denen auch Motivationsmomente wie eine nette Begleitung oder gute Musik gehören.
Das heißt, der Glaube an den Effekt nutzt Sportlern tatsächlich?
In der Studie hat sich gezeigt, dass die habituelle Erwartungshaltung – die Erwartung also, die sich aus den Erfahrungen speist, die ein Mensch bereits gemacht hat – einen sehr starken Einfluss darauf haben, wie sehr die Probanden von ihrer sportlichen Aktivität profitieren. Ganz konkret heißt das: Die Leute, die schon vorher glauben, dass ihnen der Sport nutzt, werden ihn auch mehr genießen, hinterher entspannter sein. Ihre Erwartungen funktionieren also im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung – und das bei jeder einzelnen Trainingseinheit. Wir haben den Effekt nach dem Fahrradfahren untersucht. Die Ergebnisse lassen sich aber wahrscheinlich auch auf andere Ausdauersportarten wie etwa Joggen übertragen.
Wirken diese Erwartungen auch auf einer körperlichen Ebene? Soll heißen: Nimmt man leichter ab, wenn man daran glaubt, dass man beim Sport extra viele Kalorien verbrennt?
Eine amerikanische Studie, die vor ein paar Jahren veröffentlicht wurde, legt das zumindest nahe. Dabei wurden die längerfristigen Auswirkungen solcher Erwartungshaltungen untersucht. Im Fokus der Studie standen Zimmermädchen. Ihnen wurde mitgeteilt, dass ihre Tätigkeit – das Putzen, Bettenmachen und auf den Gängen eilen – so etwas wie Sport sei, dass sie körperlich davon profitieren würden. Bereits nach einem Monat ist bei den meisten sowohl der Blutdruck als auch das Gewicht leicht zurückgegangen. Das Ergebnis hat allerdings nur eine begrenzte Aussagekraft. Es könnte ebenso gut sein, dass sich die Zimmermädchen in dem Monat einfach von sich aus, in ihrer Freizeit und bei der Arbeit, mehr bewegt haben.
Welchen Schluss ziehen Sie daraus? Sollte man sich nun selbst manipulieren – sich vor dem Sport einreden, dass er einem gut tun wird?
Da bin ich gespaltener Meinung. Die Studie deutet eher darauf hin, dass nicht die aktuelle Erwartung, sondern die habituelle Erwartungshaltung ausschlaggebend ist für die Wirkung der sportlichen Aktivität. Ich glaube schon, dass Selbstüberzeugung wirken kann – aber eben nur, wenn man davon überzeugt sich. Sich selbst etwas einreden zu wollen, bringt wohl eher nichts. Mein Tipp ist daher, sich auf die Sportarten zu konzentrieren, die einem Spaß machen. Das ist besser, als sich zu einer Aktivität zu zwingen, auf die man keine Lust hat. Und effektiver.

Zur Person

Hendrik Mothes

 

– Mothes wurde am 25.11.1984 in Rodewisch im Vogtland geboren.

– Sein Abitur absolvierte er 2003 am Johann Wolfgang-Goethe-Gymnasium in Auerbach.

– Von 2005 bis 2011 studierte er Psychologie auf Diplom an der TU Dresden mit den Schwerpunkten Klinische Psychologie sowie Arbeits- und Organisationspsychologie.

– Seit 2011 ist er Doktorand am Institut für Sport und Sportwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Doktorarbeit schreibt Mothes zum Thema „Mindsets als Moderatoren der gesundheitlichen Effekte körperlicher Aktivität“. Daneben ist er als Akademischer Mitarbeiter im Bereich Sportpsychologie tätig.

– Mothes ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Freiburg -