Digitale Vertriebsmodelle im Netz: der Deutschland-Start von Spotify könnte neuen Schwung in die Bewegung bringen.

Berlin - Musik in jeder Lebenslage verspricht der Internet-Dienst Spotify, der am Dienstag nach mehrjähriger Anlaufzeit auch in Deutschland startet. Das bereits im Oktober 2008 in Schweden begründete Streaming-Angebot - dabei werden die Audiodaten direkt über das Internet abgespielt - trifft auf einen Markt, der noch am Anfang steht, aber mit Anbietern wie Napster, Simfy oder Aupeo bereits dicht besetzt ist. Was Spotify in anderen Ländern mit mehr als drei Millionen zahlenden Nutzern besonders erfolgreich gemacht hat, ist ein umfassendes Ökosystem mit der Einbindung von Apps aller Art.

 

„Wir wollen das Betriebssystem für Musik werden“, sagte Spotify-Gründer Daniel Ek im Gespräch mit der dpa. „Die Nutzer sollen Musik in den verschiedensten Situationen und mit Spotify Apps hören können, die sie gern verwenden.“ Mit Hilfe der Software-Schnittstelle (API) von Spotify können externe Entwickler eigene Anwendungen programmieren, die an das Streaming-Repertoire des Dienstes mit seinen über 16 Millionen Songs andocken. Da gibt es etwa die App TuneWiki, die zu jedem Song den Text anzeigt - zum Mitlesen oder für die private Karaoke-Party. Die App Soundrop bringt Spotify in virtuellen Räumen zum Klingen, in denen sich Gruppen zusammenfinden und einen DJ bestimmen - ähnlich wie bei dem in den USA beliebten Dienst Turntable.fm, der in Deutschland aus lizenzrechtlichen Gründen nicht mehr zu empfangen ist.

Nach Einschätzung von Branchenexperten wie dem Berliner Eric Eitel ist der Dienst der Schweden daher mehr als nur ein weiterer Anbieter von Musik aus dem Netz: „Wenn es Spotify gelingt, mit den Apps von Partnern ständig neue Nutzungsszenarien zu schaffen, könnte dies den digitalen Musikvertrieb auf ähnliche Weise umwälzen, wie das Apple mit iTunes erreicht hat.“

Der iTunes Store wurde im Januar 2001 gestartet - auf dem Höhepunkt der Tauschplattform Napster, die damals 25 Millionen Nutzer hatte. Nach mehreren Klagen von Plattenfirmen und Künstlern wie Metallica und Dr. Dre wurde Napster im Juli 2001 gezwungen, die Plattform zu schließen. Danach wurde iTunes mit einfacher Bedienung und einem überschaubaren Pauschalpreis von einem Dollar je Song-Download zu einem großen Erfolg.

Auch Spotify verdankt seine Gründung der Auseinandersetzung mit dem rechtswidrigen Kostenlos-Vertrieb von urheberrechtlich geschützter Musik über Plattformen wie Pirate Bay und Kazaa. „Das hat Leute wie mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie man diese Probleme lösen kann“, erklärt Spotify-Gründer Ek. „Man kann nicht gegen Technologien ankämpfen. Aber mit Spotify bieten wir eine bessere Technik als Piraterie-Angebote. Wenn die Leute das erkennen, nutzen sie es auch.“

Aussetzer sind seltener dank Peer-to-Peer

Die von Spotify entwickelte Technik verbindet das Streaming von einem eigenen Server mit der Technologie des Peer-to-Peer-Netzwerks (P2P), wie sie Napster oder Kazaa bekannt gemacht hat: Hier werden die Computer der Nutzer ohne zentralen Server miteinander vernetzt. Die Kombination beider Verfahren ermöglicht auch bei schlechter Internet-Verbindung eine Übertragung ohne die Aussetzer, wie sie beim Streaming von Musik oder Videos sonst gelegentlich auftreten.

Bestehende Angebote für das On-Demand-Streaming, wie die freie Musikauswahl im Unterschied zu Internet-Radiodiensten genannt wird, werden nun einen starken Konkurrenten zu spüren bekommen. Spotify, das längst legalisierte Napster und Simfy haben alle ein ähnlich umfangreiches Repertoire. Das Gesamtangebot einschließlich mobiler Nutzung kostet bei Napster 12,95 Euro im Monat, bei Spotify, Simfy und dem kürzlich gestarteten Rdio sind es 9,99 Euro. Günstigere Preismodelle sind meist auf die Nutzung am PC beschränkt. Daneben gibt es auch kostenlose Angebote mit Werbung. Mit dem jetzt weiter verschärften Wettbewerb erwarten aber manche Marktteilnehmer wie Holger Weiss, Vorstandschef beim Berliner Streaming-Dienst Aupeo, einen zunehmenden Preiskampf beim On-Demand-Streaming.

Auf absehbare Zeit werden CDs, Downloads und Streaming wohl nebeneinander bestehen, mit sich unterschiedlich entwickelnden Marktanteilen. Spotify-Gründer Ek aber ist überzeugt, dass dem Streaming die Zukunft gehört: „Die Mehrheit der Leute will Musik nicht kaufen, sondern einfach jederzeit und auf jeder Art von Gerät den Zugang dazu haben. Und sie wollen die Musik ihrer Freunde hören. Musik ist die sozialste Sache der Welt. Allein die Musik kann kulturelle, sprachliche und demographische Grenzen überwinden.“