Heute ist der Tag der deutschen Sprache. Zeit für den Appell, korrekt zu sein. Nix mehr mit „Alter, was geht?“

Strohgäu - S teht das Rathaus gegenüber vom Bahnhof, des Bahnhofs oder dem Bahnhof? Ist die Straße wegen eines Unfalls oder wegen einem Zusammenstoß gesperrt? Wie ist es richtig? Oder juckt das keinen mehr? Heute, am Tag der deutschen Sprache, kann man diese Frage allenthalben stellen. Wir haben sie auch Ihnen gestellt, unseren Lesern der Zeitung wie den Facebook-Nutzern. Die Waschkörbe für die Post blieben leider leer. Und das, obwohl wir so schön vorgelegt hatten.

 

An den Jugendspruch „Alter, was geht?“ haben wir uns ja schon gewöhnt. Aber es gibt durchaus Grausameres – auf Schildern. Einen „guten Appettit“ wünscht das Chinalokal, die Bäckerei nebenan ist laut handgeschriebenem Zettel „wegen Umbau geschlossen“ und der Parkplatz der Schule „nur für Lehrpersonal des Mörike-Gymnasium“. Fertig. Kein Genitiv-s. Und das seit Jahren. Obwohl die Lehrer jeden Tag dran vorbeifahren. Wenn man schon kein Geld für ein neues Schild mit richtiger Grammatik hat, könnte wenigstens der Hausmeister ein kleines „s“ mit Filzstift anfügen.

Deutsche Sprache – nix gut!

Nun könnte man sagen: Der Redakteur sitzt im Glashaus und hat sich, wegen Dutzender Fehler jeden Tag in der Zeitung, dieses Themas gefälligst zu enthalten. Deshalb überlassen wir jetzt das Feld einem, der etwas davon versteht. Ulrich Warnke, Leser aus Ditzingen, Germanist und langjähriger Schulleiter des Gymnasiums in der Glems-aue, begleitet uns seit Jahren kritisch, detailgenau und auch manchmal ironisch. Auf unseren Aufruf hin hat er ein längeres Werk verfasst, woraus wir leider nur auszugsweise zitieren können. „Deutsche Sprache – alles gut? Deutsche Sprache – nix gut!“ überschreibt er seine Zuschrift und meint darin unter anderem: „Viele, zu viele reden und, schlimmer noch, schreiben heute, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. . . . Dekliniert wird nicht mehr. Der Genitiv und sein Kennzeichen, das Genitiv-,s‘ sind mausetot. Konjunktiv I und Konjunktiv II: eine terra incognita. . . .“

Zwei Leserinnen haben auf Facebook nicht so viel, aber zitierenswert geschrieben. So meint Ingrid Sonne, nicht mal das Strohgäublatt schreibe „Rächtschreibung“ richtig. Ironie? Und sie schickt ein Foto, das in der Nähe von Tübingen entstand. Dort wirbt ein Vereinsgaststättenwirt für sein „Miettagsbuffet“ und heißt die Gäste „Herzliech Wielkommen“. Sehr hübsch. Andrea Anger zitiert zwei bekannte und immer wieder treffende Sprüche: „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod.“ Und: „Deutsche Sprache – schwere Sprache.“

Kostbarer Gebrauchsgegenstand

Lassen wir nochmals Herrn Warnke zu Wort kommen. Er fasst so zusammen: „Wenn der ,Tag der deutschen Sprache‘ auch nur einen Hauch von Sinn haben soll, dann den, dass wir uns bewusst machen, den kostbaren Gebrauchsgegenstand Sprache, der dem Verschleiß ausgesetzt ist, nicht nur an einem Tag, sondern das ganze Jahr über zu hegen und zu pflegen. Denn nach wie vor bleibt das Diktum Golo Manns gültig: ,Wer seine Sache nicht gut sagen kann, der hat nichts Gutes zu sagen.‘“

Wir geloben, unsere Texte künftig dreimal zu lesen, bevor sie in Druck gehen. Apropos Bahnhof: Man könnte auch schreiben, dass das Rathaus sich beim Bahnhof befindet. Um den Genitiv zu umschiffen.