Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen einen Polizisten eingestellt, der im November 2013 im Stuttgarter Osten auf einen 36-Jährigen geschossen und ihn tödlich verletzt hatte. Der Mann habe sich töten lassen wollen, hieß es in der Begründung.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat das Ermittlungsverfahren gegen einen Polizisten eingestellt, der im November 2013 im Stuttgarter Osten einen Mann erschossen hat. Die Ermittlungsbehörde hatte untersucht, ob er sich der fahrlässigen Tötung im Amt schuldig gemacht hatte. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, dass sich der Beamte den Regeln entsprechend verhalten habe und ihn keine Schuld treffe. „Das Verfahren wurde nach Paragraf 170 Absatz zwei eingestellt, das ist wie ein Freispruch“, sagte Claudia Krauth, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

 

Der tödliche Schuss aus der Waffe eines Polizisten war in der Nacht zum 12. November 2013 in der Landhausstraße gefallen. Dort hatte der 36-jährige Mann, der erschossen wurde, gelebt. Er hatte gegen 1 Uhr aus der Wohnung eines Nachbarn die Polizei angerufen. In dem Gespräch habe er angekündigt, er werde nun hinausgehen und jemanden erschießen. Dem Nachbarn soll er seinen Plan angekündigt haben, den er zuvor bereits einer Bekannten im Internetchat offenbart hatte: Er wolle sich von der Polizei erschießen lassen. In den USA nennt man dies „Suicide by Cops“, eine Art indirekter Selbstmord durch die Waffe eines Beamten. In den USA wurden darüber bereits wissenschaftliche Studien angefertigt, da dies dort häufiger vorkommt. In Deutschland ist das Phänomen bisher nur vereinzelt aufgetaucht. Kurz vor dem Tod des 36-Jährigen in der Landhausstraße im November 2013 hatte es einen Fall in Wiesbaden gegeben. Dort ging der Plan des Mannes nicht auf. Er wurde nur am Unterschenkel getroffen und überlebte.

Mehrfach aufgefordert, die Waffe niederzulegen

Die Ermittlungen im Stuttgarter Fall ergaben, dass sich der 49-jährige Polizeibeamte in jener Nacht nicht strafbar gemacht hat. Der Einsatz der Schusswaffe sei auf der Grundlage des Polizeirechts rechtmäßig, das Einschreiten erforderlich gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Beim Anruf bei der Polizei habe der 36-Jährige gesagt, er habe eine geladene, scharfe Pistole. Als die Beamten dann in die Landhausstraße kamen und eine Absperrung errichteten, hätten sie im Dunkeln nicht erkennen können, dass es sich um eine Schreckschusspistole handelte. Der Mann habe in die Luft geschossen. Er sei mehrfach aufgefordert worden, die Waffe wegzulegen und stehen zu bleiben. Darauf habe er nicht reagiert. Er sei auf eine Beamtin zugegangen und habe sie aufgefordert, auf ihn zu schießen. Danach habe er einen weiteren Schuss abgegeben, ob in die Luft oder auf den Boden, sei nicht klar. Der 49-jährige Polizist habe nach mehreren Aufforderungen einen Warnschuss in die Luft abgegeben. Dann habe er den Mann angesprochen und gesagt, er werde schießen, wenn der 36-Jährige die Waffe nicht weglege. Weil der Bewaffnete nur noch wenige Meter von einem ungeschützten Beamten entfernt gewesen sei, habe er auf den Oberschenkel des Mannes gezielt und geschossen, um ihn zu stoppen, da er einen Angriff befürchtete. „Da eine Lebensgefahr für ihn und seinen Kollegen gegenwärtig war, durfte er schießen. Er hätte zur Gefahrenabwehr sogar einen tödlichen Schuss abgeben dürfen“, erläuterte die Pressestaatsanwältin.

An Blutmangelschock gestorben

Die Untersuchung habe ergeben, dass der Schuss auf den Oberschenkel gerichtet gewesen sei. Das hätte man am Schusskanal erkennen können, der nach unten führte. Da der 36-Jährige aber weitergegangen sei, habe die Kugel ihn weiter oben im Bauch getroffen – weil er ein paar Schritte weiter in die Flugbahn der Kugel gegangen sei. Dadurch wurde die Hauptschlagader im Bauch getroffen, der Mann starb an einem Blutmangelschock.

Die Selbsttötungsabsicht sei außer gegenüber der Bekannten im Chat und beim Nachbarn im Gespräch auch durch einen Abschiedsbrief belegt. Die Absicht, sich umbringen zu lassen, habe er mit persönlichen Problemen begründet. Der Mann habe 2,34 Promille Alkohol im Blut gehabt, zudem habe er Beruhigungsmittel genommen. Der 36-jährige Mann war mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, meist durch Gewaltdelikte.

Vor dem Schusswechsel im November 2013 hatte es in Stuttgart zuletzt im Jahr 1990 einen Toten durch eine Polizeiwaffe gegeben. Beamte erschossen im Schlossgarten einen 25-Jährigen, der das Feuer eröffnet hatte. 1989 wurde auf der Gaisburger Brücke ein Mann erschossen, der zwei Polizisten ermordet hatte.