Jahr für Jahr bekommt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft rechnerisch 1,5 Kilometer neue Akten von Ermittlungsverfahren ins Haus. Dabei ist die Behörde in der Neckarstraße seit Jahren unterbesetzt. Am Mittwoch wurde Bilanz gezogen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Schwitzen statt Sitzen: Das Motto eines Justizprojekts gilt gleichermaßen für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Zum zweiten Mal in Folge gab es mehr als 110 000 Verfahren gegen ermittelte Beschuldigte. Insgesamt landeten erneut mehr als 200 000 Vorgänge in der Neckarstraße. Und noch nie war die Zahl der unerledigten Verfahren so hoch wie 2016.

 

Dass die Behörde der Strafverfolger angesichts der hohen Belastung gerne mehr Personal hätte, ist denn auch kein neuer Wunsch, den Staatsanwaltschef Siegfried Mahler am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2016 äußerte. „Wir sind immer noch unterbesetzt“, so Mahler. In Zahlen: Es fehlen bisher 31 Staatsanwälte. Dabei geht es nicht nur um Bagatelldelikte. Denn deutlich mehr Ermittlungen endeten mit Haftstrafen ohne Bewährung: Die Zahl stieg von 885 auf 1161. Dabei wurden diesmal weniger als 10 000 Beschuldigte angeklagt.

Immerhin wurde 2016 für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nicht zu einem neuerlichen Rekordjahr bei den Verfahrenseingängen. Das lag aber nur daran, dass es massiv weniger Verfahren wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz gegeben hat. Im Vergleich zu 2015 gingen diese Zahlen um fast 40 Prozent zurück. Mahler beschreibt die Belastung so: „Jeder Sachbearbeiter muss im Schnitt täglich zehn Fälle erledigen“, rechnet er vor, „sonst säuft das Dezernat ab.“ Im vergangenen Jahr wurden gut 97 000 Fälle eingestellt – neun Prozent mehr. Laut Mahler gehen Jahr für Jahr rechnerisch 1,5 Kilometer neue Akten im Haus ein.

Mehr Staatsanwälte fürs dunkle Netz

Die Zukunft heißt Kriminalität im Internet. Deshalb soll in den nächsten Wochen eine neue fünfköpfige Abteilung gegen Cyberkriminalität aufgebaut werden. Das ist möglich, weil die Staatsanwaltschaft zehn Stellen mehr bekommen soll - und davon ein paar für die Internetspezialisten zur Verfügung stehen. „Dabei geht es aber weniger um Betrügereien über Ebay“, sagt Mahler, „sondern um Geldwäsche oder Waffengeschäfte im sogenannten Darknet“, betont Mahler.

Schwitzen statt Sitzen, also gemeinnützige Arbeit statt Knast für Verurteilte, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, ist übrigens ein Erfolgsmodell: „Das spart dem Land rechnerisch 500 Haftplätze pro Jahr“, sagt Mahler. Und die, das weiß die Landesregierung, sind ziemlich teuer.