Fünf Jahre wird wegen der Russland-Affäre bei EnBW bereits ermittelt. Nun kündigt die Staatsanwaltschaft einen Abschluss an. Zuletzt erhielt sie Unterlagen aus der Schweiz, um die lange gerungen wurde.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Ermittlungen zur Russland-Affäre beim Energiekonzern EnBW sind auf der Zielgeraden. Bis zum Frühsommer will die Staatsanwaltschaft Mannheim nach Auskunft einer Sprecherin das Verfahren wegen Untreue und Steuerhinterziehung abschließen. Damit nennt die Behörde nach fast fünf Jahren erstmals ein Datum; bisher hatte es stets geheißen, ein Abschluss sei nicht absehbar. Bereits seit 2012 wird wegen Geschäften mit dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov gegen sieben teils ehemalige EnBW-Manager ermittelt, darunter auch zwei frühere Konzernchefs.

 

Kurz vor der Hauptversammlung am nächsten Dienstag hat die EnBW zudem einen Vergleich mit einem für Bykov tätigen Rechtsanwalt geschlossen. Dieser hatte Beschlüsse des Aktionärstreffens 2015 mit einer Klage beim Landgericht Mannheim angefochten. Zur Begründung verwies er auf angeblich falsche Auskünfte der Konzernspitze zur Aufarbeitung der Russland-Affäre. Beide Seiten hätten das Verfahren mit der Einigung für erledigt erklärt, teilte das Unternehmen nun mit.

Geschäftsunterlagen aus der Schweiz freigegeben

Die Russland-Affäre beschäftigt den Karlsruher Konzern bereits seit 2009; damals hatte er 130 Millionen Euro vorsorglich abgeschrieben. Hintergrund sind Geschäfte mit der Firmengruppe Bykovs in den Jahren bis 2008, die von beiden Seiten völlig unterschiedlich dargestellt werden. Laut EnBW ging es in den Verträgen, die sie als nicht erfüllt ansieht, unter anderem um die Lieferung von Uran und den Rückbau von Atommeilern. Bykov sagt hingegen, er sei für Lobbydienste bei der Anbahnung großer Gasgeschäfte mit Russland bezahlt worden. Dies sei in den Verträgen mit Blick auf den damaligen Großaktionär Électricité de France (EdF) verschleiert worden, der das Geschäft letztlich habe platzen lassen.

Verzögert wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft offenbar durch Auslandsbezüge in die Schweiz. Dort hatten die beteiligten Bykov-Firmen ihren Sitz. Erst im Februar habe man im Rahmen der Rechtshilfe weitere Beweismittel aus der Schweiz erhalten, sagte die Behördensprecherin; diese würden nun noch ausgewertet. Nach Schweizer Medienberichten geht es um umfassende Geschäfts- und Bankunterlagen, gegen deren Herausgabe sich Bykov lange gewehrt habe. Ende 2016 habe ein Bundesgericht seine Beschwerden schließlich rechtskräftig abgewiesen. Zuvor hatte die Schweiz im Zuge eigener Verfahren Vermögenswerte von Bykov in zweistelliger Millionenhöhe beschlagnahmt, darunter auch Goldbarren.

In der Schweiz wird um Millionen gerungen

Drei von vier Schiedsgerichtsverfahren hatte der Moskauer Geschäftsmann gegen die EnBW gewonnen. In einem vierten wurden dem Stromkonzern 24,5 Millionen Euro zugesprochen, samt Zinsen inzwischen 30 Millionen Euro. Bis heute wehre sich die Schweizer Bykov-Firma Eurepa „mit allen erdenklichen rechtlichen Mitteln“ gegen die Vollstreckung des bereits 2012 ergangenen Spruchs, teilte ein EnBW-Sprecher mit. So habe Eurepa 2015 eine Gegenklage erhoben, mit der Forderungen aus Vermittlungs- und Beraterverträgen geltend gemacht würden; man sehe dafür aber keine Grundlage. Nachdem der Konkurs über die Firma eröffnet worden sei, ruhe das Verfahren derzeit.

Mit Blick auf die strafrechtliche Aufarbeitung sind Zivilverfahren der EnBW gegen eigene Manager derzeit ausgesetzt. Der Energiekonzern hat seinen amtierenden Technik-Vorstand Hans-Josef Zimmer und einen weiteren pensionierten Kernkraftmanager wegen angeblicher Pflichtverletzungen auf Schadenersatz verklagt; es geht um 80 bis 90 Millionen Euro. Zimmer und sein ehemaliger Kollege weisen die Ansprüche zurück. Verfahren gegen zwei weitere Manager, in denen es um geringere Beträge ging, hat der Energiekonzern bereits rechtskräftig verloren.

Ungeachtet des offenen Rechtsstreits war Zimmers Vertrag im vergangenen Jahr bis zum Jahr 2021 verlängert worden; dann erreicht der Technik-Chef die Altersgrenze von 63 Jahren.

Massive Kritik an Arbeit der Anwälte

Der für Bykov tätige Rechtsanwalt Franz Enderle hatte in seiner Klage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung 2015 auf Widersprüche zwischen den Darstellungen Zimmers und der EnBW hingewiesen. So behaupte der Konzern, die Franzosen hätten die Russland-Geschäfte nicht sabotiert. Zimmer habe jedoch geschildert, wie der damalige EdF-Vertreter im Vorstand die russische Seite mit einem gezielten Affront düpiert habe. Zudem äußere sich der Technik-Chef höchst kritisch über die von der EnBW mit der Aufarbeitung beauftragte Anwaltskanzlei Freshfields: Diese habe „in unverantwortbarer Weise zur Klageerhebung geraten“, ohne sich intensiv mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, heiße es in seiner Klageerwiderung. Ein EnBW-Sprecher bestätigte, Zimmer vertrete als „verklagte Privatperson“ eine andere Auffassung zur Qualität der Anwaltsarbeit als Vorstand und Aufsichtsrat der EnBW.

Den Vorwurf Enderles, das Unternehmen habe Fragen zur Aufarbeitung der Russland-Affäre nicht oder nicht zutreffend beantwortet, wies er zurück. Nach dem Ende März vereinbarten Vergleich habe die EnBW präzisierte Fragen des Anwalts nochmals gemäß den rechtlichen Anforderungen beantwortet; Fragen und Antworten seien inzwischen veröffentlicht.