Der Bundestag erleichtert Ausländerkindern den Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit auf Dauer. Aber das Gesetz hat auch Schwächen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wer Deutscher ist, wird künftig noch viel weniger am Namen oder am Äußeren zu erkennen sein“, hat Bundespräsident Joachim Gauck unlängst erklärt. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht, das der Bundestag am Donnerstagabend verabschiedete, ist ganz in seinem Sinne. Es erleichtert den Kindern ausländischer Eltern den Besitz zweier Pässe. Das war bisher nur in Ausnahmefällen möglich.

 

Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, muss sich künftig nicht mehr entscheiden, ob er die deutsche Staatsbürgerschaft behalten möchte oder die seiner Eltern. Für einen Doppelpass gibt es jetzt nur noch folgende Kriterien: Bis zum 21. Lebensjahr müssen Ausländerkinder mindestens acht Jahre in Deutschland verbracht oder sechs Jahre hier die Schule besucht haben. Wahlweise genügt auch ein in Deutschland erworbener Schulabschluss. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, für den entfällt die so genannte Optionspflicht. Nach dieser Regel mussten sich die Nachkommen ausländischer Staatsangehöriger bisher zwischen 18 und 23 entscheiden, welcher Nationalität sie angehören möchten. Lediglich EU-Bürger und solche ausgewählter Staaten wie etwa der Schweiz oder der USA waren schon in der Vergangenheit von diesem Zwang befreit.

Die Gesetzeskorrektur war lange umstritten

Von den neuen Vorschriften werden vor allem die in Deutschland geborenen Türken profitieren. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), rechnet mit etwa 40 000 Fällen jährlich ab 2018. CDU-Vize Armin Laschet, ein Befürworter des Doppelpass-Gesetzes, geht davon aus, dass 90 Prozent der hier geborenen Kinder von Ausländern die Voraussetzungen für eine doppelte Staatsbürgerschaft erfüllen werden.

In der Union war diese Korrektur des Staatsbürgerschaftsrechts lange umstritten. Die SPD hätte hingegen die doppelte Staatsbürgerschaft lieber ohne Auflagen ermöglicht. Den Kompromiss haben Ende März Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein sozialdemokratischer Justizkollege Heiko Maas ausverhandelt. In Zukunft werden die Meldebehörden automatisch prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Staatsbürgerschaft vorliegen. Nur in Fällen, wo dies nicht eindeutig ist, müssen die Betroffenen entsprechende Belege vorweisen, zum Beispiel Schulzeugnisse. Vor dem 21. Geburtstag wird der Doppelpass nur auf Antrag gewährt.

Die Türkische Gemeinde sieht weiteren Handlungsbedarf

Im Vorfeld der Abstimmung hatten Experten auf Schwächen der neuen Regelung hingewiesen. „Eine Verstetigung mehrfacher Staatsangehörigkeiten ist integrationspolitisch fragwürdig“, argumentierte zum Beispiel der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber bei einer Anhörung des Innenausschusses. Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht indessen „viel weiter gehenden Handlungsbedarf“ und plädiert für ein vereinfachtes Einbürgerungsverfahren. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, der unter anderem von der Bertelsmann- und der Volkswagen-Stiftung unterstützt wird, regt einen „Generationenschnitt“ an. Doppelpässe soll es nur für „Übergangsgenerationen“ geben. Die „automatische Vererbung“ mehrfacher Staatsangehörigkeiten müsse aber durch entsprechende Vereinbarungen mit den Herkunftsländern unterbunden werden. So ist das bereits für Deutsche geregelt, die dauerhaft im Ausland leben und dort mit Ausländern verheiratet sind. Ihre Kinder verlieren die deutsche Staatsbürgerschaft.