Kraftprobe am Badischen Staatstheater Karlsruhe: Kunstministerin Bauer will den Verwaltungschef Michael Obermeier ablösen. Er gilt offenbar als Bremser bei der Modernisierung. Doch die Belegschaft solidarisiert sich mit ihm.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Karlsruhe - Wenn sich der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters an diesem Freitag mittags in Karlsruhe trifft, wird er schon vor dem Eingang erwartet. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und ihre Mitaufseher werden von aufgebrachten Beschäftigten empfangen, die für ihren Verwaltungsdirektor Michael Obermeier demonstrieren. Sie wollen eine Liste mit mehr als 250 Unterstützerunterschriften übergeben und T-Shirts oder Buttons mit der Aufschrift „Je suis Obermeier“ tragen – gerade so, als drohe der Beamte einem hinterhältigen Terrorakt zum Opfer zu fallen.

 

Tatsächlich soll der 62-Jährige, zu 60 Prozent schwerbehinderte Verwaltungswirt offenbar wenige Jahre vor der Rente ins Ministerium nach Stuttgart versetzt werden – äußerst kurzfristig bereits zum 1. April, gegen seinen erklärten Willen und auf eine Stabsstelle für EU-Fördermittel, mit denen er bisher nicht das Geringste zu tun hatte. So ist es in Karlsruhe durchgesickert, so gilt es als ausgemacht, auch wenn vor der Sitzung offiziell nichts bestätigt wird. Erst danach, lässt Bauer ausrichten, werde es eine Pressemitteilung zu der Personalie geben.

„Wichtige Instanz am Theater

Bereits Anfang März hatte die Ressortchefin in der Angelegenheit Post aus Karlsruhe erhalten. In einem Solidaritätsschreiben äußerten sich Personalrat sowie Chor- und Orchestervorstand „schockiert, dass ein solcher Schritt erwogen wird“. Die „überwiegende Mehrheit“ der Belegschaft stehe hinter dem seit 2007 amtierenden Obermeier: Man schätze ihn als Chef, der „mit Sorgfalt, Sachverstand und einem ausgeprägten Gefühl für die Belange vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ zu Werke gehe. Stets habe er ein offenes Ohr für deren Anliegen, greife Ideen auf und setze sie um.

Warum diese „wichtige Instanz am Theater“ nun entfernt werden solle, könne man nicht nachvollziehen; der Grund seien angeblich Spannungen zwischen dem Generalintendanten Peter Spuhler und dem Verwaltungsdirektor. „Wir bitten Sie eindringlich, diesen Weg nicht zu beschreiten“, wird an Bauer appelliert. Ihr und dem Intendanten schlägt Misstrauen entgegen. Schon kursieren Mutmaßungen, die aus Heidelberg stammende Ministerin wolle dem einst in Heidelberg tätigen Spuhler mit Obermeiers Entmachtung einen Gefallen erweisen.

Kein Überblick über die Finanzen

Doch so einfach liegen die Dinge wohl nicht. Hintergrund der Personalpläne sind nach StZ-Informationen Bestrebungen, dem Badischen Staatstheater modernere, effizientere Verwaltungsstrukturen zu geben. Vor allem am Controlling haperte es gewaltig, wie 2013 eine Unternehmensberatung monierte. Über die Finanzen gebe es keinen wirklichen Überblick: Einmal sei wegen eines drohendes Defizits von mehreren hunderttausend Euro Alarm geschlagen worden, das auf wundersame Weise dann wieder verschwand. Das Fazit der Berater: die Probleme seien „massiv, dringlich“ und müssten „schnell gelöst werden“. Obermeier erwiderte intern, so schlimm wie dargestellt seien die Verhältnisse keineswegs; es werde mitnichten „ins Blaue gewirtschaftet“. Der seit 2011 amtierende Spuhler sekundierte hingegen, er fühle sich wie jemand, der „im Nebel ohne Steuerungsinstrumente“ navigieren müsse. Bauer stimmte ihm zu. Inzwischen wurde das Theater zu einem Landesbetrieb umgewandelt, wie es die Stuttgarter Staatstheater schon seit langem sind.

Der Verwaltungsdirektor gilt den Oberen offenbar als Hemmnis bei dieser Modernisierung. Anders als der umtriebige und veränderungsfreudige – freilich auch polarisierende – Intendant, heißt es, agiere er als beharrende Kraft, schüre eher Ängste vor den Neuerungen als für sie zu werben. Inwieweit diese Analyse zutrifft, ist von außen schwer zu beurteilen. Bauer und Spuhler scheinen jedenfalls entschlossen, den „Bremser“ Obermeier loszuwerden. Der will sich gegen die Versetzung nach Stuttgart notfalls juristisch wehren und hat bereits einen einschlägig ausgewiesenen Rechtsanwalt engagiert.

Nur ein Platzhalter als Nachfolger?

Kompliziert wird das Manöver durch das Beamtenrecht. Weil eine Abordnung höchstens zwei Jahre dauern darf und mit einem Rückkehrrecht verbunden ist, erläutern Kundige, müsse die Stelle des Verwaltungsdirektors erhalten bleiben; ein bereits ausgeguckter Beamter aus Bauers Haus solle als „Platzhalter“ dorthin wechseln. Eigentlicher Manager in Karlsruhe würde derweil ein „Kaufmännischer Direktor“, dessen Position der Verwaltungsrat am Freitag neu beschließen soll. Danach soll die Stelle umgehend ausgeschrieben werden. Gesucht wird eine „engagierte, leistungsstarke Persönlichkeit“ mit Wirtschaftsstudium, breiter Theatererfahrung und Verständnis für künstlerische Produktionsprozesse; eine Kommission soll die Auswahl begleiten. Entlastet von den administrativen Aufgaben könne sich der Intendant fortan ganz auf künstlerische und strategische Fragen konzentrieren.

Mit Spannung wird nun erwartet, inwieweit sich die Verwaltungsräte noch von den Protesten für Obermeier beeindrucken lassen. Zu selbstkritischer Reflexion scheint das Gremium durchaus fähig zu sein – allerdings eher mit anderer Blickrichtung: Es sei „eigentlich skandalös“, hieß es im Zuge der Diskussion über die Missstände, dass man die Kontrolle bei Wirtschafts- und Finanzdingen so lange habe schleifen lassen.