Der Gebäudekomplex um Staatstheater und Landtag ist sanierungsbedürftig. Ein Gutachten zeigt allerdings: Werden alle Wünsche erfüllt, könnte das bis zu 300 Millionen Euro kosten.

Stuttgart - Dunkle Wolken am Horizont hatte Finanzbürgermeister Michael Föll erst kürzlich heraufziehen sehen, als er die zufriedenstellende Haushaltslage der Landeshauptstadt mit den prognostizierten Entwicklungen in der mittelfristigen Finanzplanung zu relativieren versuchte. Und nun drohen auch noch Investitionen bei Sanierung und Erweiterung des Staatstheaters in dreistelliger Millionenhöhe – sofern der Wunschkatalog der verantwortlichen Personen der württembergischen Staatstheater Realität würde.

 

Dies geht aus einem Gutachten hervor, an dem unter anderem das Büro des weltweit renommierten Architekten David Chipperfield beteiligt war und das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Am Montagnachmittag hat sich der Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater mit den Wünschen der Musiker, Schauspieler und Tänzer befasst. Unter anderem steht ein eigenes Restaurant auf dem Zettel.

Die Notwendigkeit einer Sanierung sei unbestritten, hieß es nach der Sitzung. Allerdings sind bisher nur 18 Millionen Euro zurückgelegt worden. Nun aber taxieren die Gutachter die Kosten für das Erweiterungskonzept auf rund 300 Millionen Euro. Es umfasst umfangreiche Neubauten rund um den Landtag, das Opernhaus und das benachbarte Königin-Katharina-Stift. Die Kosten müssten sich Stadt und Land, wie im Staatsvertrag vorgesehen, teilen. Empfohlen wird etwa ein Anbau vor dem Kulissengebäude an der Konrad-Adenauer-Straße mit 5600 Quadratmetern Bruttogeschossfläche und die Überbauung des Theaterinnenhofs (1700 Quadratmeter). Städtebaulich und baurechtlich besonders problematisch einzuschätzen sind die Pläne für eine Überbauung des Parkplatzes des Königin-Katharina-Stifts unter „Integration“ der Turnhalle des erst im Jahr 2012 rundum sanierten Gymnasiums. Alternativ dazu gibt es Überlegungen für eine Bebauung des Bereichs zwischen der Oper und dem Landtag über der Tiefgarage.

Angst vor einer Kostenexplosion

Allerdings hatte sich die Stadt erst im vorigen Jahr mit ihren auch städtebaulich begründeten Bedenken gegen den Bau eines Medien- und Besucherzentrums für den Landtag an diesem Platz durchgesetzt. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es dem Landtagspräsidenten gefallen könnte, dass nun eine Bebauung von der anderen Seite seinen Solitär beeinträchtigt“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz.

Gemeinsam mit dem Verwaltungsratsmitglied der Union, Fred-Jürgen Stradinger, hält Kotz „allenfalls eine geringfügige Arrondierung“ für denkbar. Nun müssten aber zuerst alle Forderungen auf den Prüfstand. Die Angst im Gemeinderat erscheint groß, eine Kostenexplosion wie bei der John-Cranko-Ballettschule hinnehmen zu müssen. Gleichsam appellieren Verwaltungsratsmitglieder, das Projekt nicht zu zerreden, sondern die Öffentlichkeit umfassend über den Sanierungsbedarf zu informieren. Es müsse unter allen Umständen eine Neiddebatte vermieden werden – auch innerhalb der Kunstszene. Doch das Nutzungskonzept für einen Neubau hat für Verwunderung gesorgt: Dort sollen Büros, Ballettsäle und Garderoben für die Compagnie eingerichtet werden. Erst im Dezember 2013 war der Neubau der John-Cranko-Ballettschule für 50 Millionen Euro von Stadt und Land auf den Weg gebracht worden – der städtische Finanzierungsanteil wird durch die Sportwagenschmiede Porsche über eine gemeinsame Stiftung um zehn Millionen Euro entlastet (die StZ berichtete). Auch diese Räume könnten, so hieß es seinerzeit, von den Spitzentänzern für Trainingszwecke mitgenutzt werden.

Die Planungs- und Bauzeit für die Sanierung soll laut Gutachten bei optimalem Ablauf und rascher Erteilung der Baugenehmigungen sieben Jahre betragen. Die Variante, nördlich der Oper auf dem Gelände des Königin-Katharina-Stifts zu bauen, wäre laut Expertise mit 311 Millionen Euro teurer als ein Erweiterungsbau südlich des vom Architekten Max Littmann zwischen 1909 und 1912 errichteten Opernhauses, der auf 299 Millionen veranschlagt wird. Der Grund dafür: der Aufwand für die Errichtung des Fundaments wäre wegen des geplanten Nesenbachabwasserkanals im Zuge von Stuttgart 21 aufwendiger, so die Gutachter.

An- und Neubauten verbietet der Denkmalschutz

Ein nach StZ-Informationen als Interimsspielstätte während der Bau und Sanierungszeit vorgesehener Stelzenbau über den Eckensee findet sich in dem Gutachten nun nicht mehr. Eine ursprünglich geplante erneute Sanierung des Opernhauses mit einem Kostenrahmen von 18 Millionen Euro wird von den Experten verworfen: „Keine umfassende, nachhaltige Sanierung von Bausubstanz und technischen Anlagen möglich“, heißt es in dem Papier. Was die Expertise (außer dem Büro Chipperfield waren Kunkel Consulting sowie die Ingenieurbüros EGS Plan und Müller BBM beteiligt) gar nicht berücksichtigt hat, ist die bau- und denkmalschutzrechtliche Seite des Vorhabens. Sowohl der Littmann-Bau selbst als auch das Schauspielhaus sind als Kulturdenkmale ausgewiesen, ebenso das Königin-Katharina-Stift, der Landtag und der Obere Schlossgarten insgesamt.

Anbauten ans Opernhaus sowie Neubauten, die das Erscheinungsbild insgesamt beeinträchtigen, sind daher mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar. Aus diesem Grund wurde auch die Sporthalle des Gymnasiums tiefer platziert. Auch deshalb hält Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) das skizzierte Vorhaben für eine „große baurechtliche Herausforderung“. Man müsse mit viel Sensibilität vorgehen. Der Verwaltungsrat beschloss auch deshalb lediglich, prüfen zu lassen, „welche Erweiterungsoptionen im Fall eines zusätzlichen Flächenbedarfs grundsätzlich geeignet wären“.

OB Fritz Kuhn (Grüne) widersprach der Auffassung, das Gutachten fordere für die Opernsanierung eine „Luxusvariante“. Vielmehr seien in dem umfangreichen Papier die Fragen nach dem „Nötigsten“ und dem „Wünschenswerten“ transparent aufgelistet. „Wir müssen nun in der Verwaltung und in den Gremien prüfen, was wir von den Prämissen übernehmen wollen“. Kuhn lehnte es ab, schon jetzt eigene Vorstellungen zu formulieren. „Wir sind in einem Berichtsprozess. Wir machen es ganz nach dem Spruch des Apostels Paulus: Prüfet alles, und das Gute bewahret.“