Die Folgen der Sanierungspannen im Schauspielhaus zeichnen sich ab: weniger Stücke, längere Sommerpause.

Stuttgart - Es ist ein bisschen wie in Shakespeares „Macbeth“: Sobald sich die Nebel nach der Schlacht gelichtet haben, kommen die Hexen zusammen und blicken in die Zukunft. Okay, auf der Probebühne des Stuttgarter Schauspielhauses saßen am Dienstag keine Hexen, sondern Politiker und Intendanten – aber die Nebel rund um die pannenhafte Sanierung des Theaters haben sich mittlerweile doch so weit verzogen, dass der Blick auf die kommenden Monate freier ist als zuvor: Das Haus wird trotz aller Mängel am Wochenende des 17./18. Februar wiedereröffnet – dieser Termin, immerhin, ist vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Staatstheater, dem Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, am Dienstag nochmals bekräftigt worden. Und ansonsten versicherte er: „Die Lernprozesse sind in Gange.“

 

Das war ein Satz, den die Runde gerne hörte. Denn wenn die eklatanten Planungs- und Baufehler, die zu einer erheblichen Verzögerung der Renovierung führten, etwas Gutes haben, dann dies: dass man sie nicht wiederholt, weder bei der bevorstehenden Teilsanierung des Opernhauses noch beim Neubau der John-Cranko-Schule. Im Fall des Schauspielhauses, so Schuster, führten die Defizite nun dazu, dass Ensemble und Publikum im Februar ein noch unfertiges Haus beziehen müssten. Zudem erzwängen die notwendigen Nachbesserungen eine verlängerte Sommerpause. Geplant ist jetzt, das Schauspielhaus bereits Anfang Juli zu schließen, also vier Wochen früher als üblich, um es dann bis einschließlich September ordnungsgemäß auf Vordermann zu bringen.

Neue Untermaschinerie

Zu den bereits bekannten Problemen, dem unbequemen Gestühl und der behinderten Sicht, ist ja noch ein weiteres hinzugekommen: Die neue Untermaschinerie arbeitet nicht so, wie sie soll. Wo es da weshalb hakt, bei den Bühnenwagen, der Drehbühne und auch anderswo, haben die Theaterleute mittlerweile auf einer Mängelliste notiert, deren Umfang höchstens von jenen Listen übertroffen wird, die im Zusammenhang mit Stuttgart 21 kursieren. Vieles scheint bei der Runderneuerung des Theaters, das zwar eröffnet wird, aber noch nicht eröffnungsreif ist, nach wie vor im Argen zu liegen, was nicht zuletzt Folgen für den Spielplan hat. Da viele technische Abläufe noch nicht automatisch funktionieren und manuell gesteuert werden müssen, geht dem Theater faktisch Probenzeit verloren. Darauf wiederum will der Intendant des Hauses, Hasko Weber, reagieren und bis zur Sommerpause notgedrungen nur ein reduziertes Programm bieten. „Wir gehen mit einem Sonderspielplan in eine Sonderspielzeit“, erklärte er. Und Marc-Oliver Hendriks, der geschäftsführende Intendant, sekundierte: „Wir setzen in einem Baustellentorso einen Spielplantorso um.“

Wie dieser Torso aussieht, steht noch nicht fest. Weber will sich erst Ende Februar festlegen, wenn erste Erfahrungen mit dem neuen Haus vorliegen und absehbar ist, ob die verlängerte Sommerpause für die Nachbesserungen tatsächlich reicht. Absehbar hingegen ist, glaubt man Hendriks, der dem Haus entstandene finanzielle Schaden. Schon in der Spielzeit 2010/11, die in der Ausweichstätte in der Türlenstraße absolviert wurde, seien dem Theater Einnahmen in Höhe von 600 000 Euro entgangen; und der gleiche Fehlbetrag sei auch schon jetzt wieder in der laufenden Spielzeit aufgehäuft worden, eben aufgrund der verschobenen Inbetriebnahme des Schauspielhauses. Rechne man zu den Einnahmeausfällen noch die Kosten für die Ausstattung der Türlenstraße und die beiden Umzüge hinzu, komme man auf vier Millionen Euro, die aus dem laufenden Etat herausgeschnitten werden müssten. „Dieser Verlust muss kompensiert werden“, sagt Hendriks. Und von wem? „Von den beiden Trägern der Staatstheater, von Stadt und Land.“

In die Offensive gegangen

Kein Zweifel: die Theaterleute sind am Dienstag mit breiter Brust an die Öffentlichkeit. getreten. Mehr noch: nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch in die Offensive, denn jenseits ihrer finanziellen Nachforderungen machten Hendriks und Weber abermals klar, dass die Verantwortung für die Sanierungspannen nicht bei ihnen liegt. Abermals verwiesen sie darauf, dass sie den Bauherrn – das Finanzministerium – frühzeitig auf die Probleme aufmerksam gemacht hätten. Und der ebenfalls auf der Probebühne anwesende Vertreter eben dieses Ministeriums unternahm auch gar keinen Versuch der Rechtfertigung. Wolfgang Leidig, der zuständige Ministerialdirektor, sicherte vielmehr eine Überprüfung der Vorgänge in seinem Haus zu.

Wer in Shakespeares „Macbeth“ zum Schurken wird, wissen die Hexen. Wem diese Rolle aber im endlosen Stuttgarter Sanierungsstück zukommt, ist noch nicht ganz geklärt. Wie wir aber in unserer gestrigen Ausgabe auf der landespolitischen Seite bereits berichtet haben, ist der Streit darüber schon entbrannt.