Die Verwaltung des Landes gerät wegen der Pannen beim Umbau des Staatstheaters in die Defensive – allen voran Ministerialdirektor Wolfgang Leidig.
Stuttgart - Seit Winfried Kretschmann Ministerpräsident ist, hat er sich immer wieder lobend über die hohe Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung geäußert. Doch die Frage, ob seine Wertschätzung angesichts der aktuellen Vorgänge beim Stuttgarter Staatstheater auch noch der Bauverwaltung im Finanzministerium gilt, mochte er am Dienstag bei seiner Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung lieber nicht beantworten. „Ich kann nicht sagen, wer dieses Debakel zu verantworten hat“, meinte der Premier lediglich. Dies zu klären sei Sache des Landesrechnungshofes, den das Finanzministerium eingeschaltet habe.
Bisher war noch nicht einmal klar, ob die Karlsruher Kontrollbehörde den heiklen Auftrag überhaupt annimmt. Doch inzwischen hat sie sich offenbar dazu bereit erklärt. Es sei „ein entsprechendes Schreiben unterwegs“, verlautete am Dienstag aus dem Rechnungshof. Die Prüfer sollen dem Vernehmen nach eine „Fehleranalyse“ vornehmen, was bei der Sanierung des Schauspielhauses im Einzelnen schiefgelaufen ist und wem die Pannen jeweils anzulasten sind.
Neue Erfahrung für die staatlichen Bauherren
Das Ergebnis dürfte erst in geraumer Zeit vorliegen und hilft den Theaterleuten aktuell nicht weiter. Es könnte aber eine wichtige Rolle spielen, wenn das Debakel rückblickend aufgearbeitet wird und über die Übernahme der zusätzlichen Kosten zu entscheiden ist. Da zeichnet sich schon jetzt Streit ab: Vorsorglich stellte die Stadt Stuttgart klar, dass sie sich die Mehrkosten keineswegs automatisch nach dem Finanzierungsvertrag für die Staatstheater je zur Hälfte mit dem Land teilen wird.
Krisenmanager: Schmids Amtschef Wolfgang LeidigStZ
Schon vor dem Bericht des Rechnungshofes steht indes fest, dass die Bauabteilung im Ministerium von Nils Schmid (SPD) einen erheblichen Anteil an den Problemen hat. Nicht nur die Theaterleute lassen daran keinen Zweifel: Auf offener Bühne geriet der Intendant Hasko Weber mit Schmids Ministerialdirektor Wolfgang Leidig aneinander. Bis heute gebe es „keine verbindlichen Aussagen“ zum Zeitplan der weiteren Arbeiten, beklagte der Schauspielchef. Auch die Stuttgarter Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann hatte die Bauabteilung bereits früh ins Visier genommen: „Indiskutabel“ sei deren Rolle, beklagte sie schon zu einem Zeitpunkt, als der Schlamassel noch nicht so tief war wie inzwischen.
Am Pranger zu stehen – das ist für die staatlichen Bauherren eine neue Erfahrung. Sie verstanden sich immer als etwas Besonderes, verglichen mit ihren Kollegen in der „normalen" Verwaltung. Was in der Abteilung geplant wurde, manifestierte sich schließlich in Stein, war für Jahrzehnte geschaffen und prägend für manches Stadtbild. Mehrere Abteilungsleiter brachten es zu hohem, bis heute nachwirkendem Ansehen. Erst kürzlich etwa wurde mit viel lobenden Worten der hundertste Geburtstag des einstigen Ministerialdirigenten und Architekten Horst Linde begangen. Die Baugeschichte des Landes sei mit seinem Namen „untrennbar verbunden“, rühmte der Minister Nils Schmid in seiner Laudatio. Ein ähnliches Renommee wie Linde erarbeitete sich Jahre später Herbert Fecker als oberster Baumeister des Landes.
Der Amtschef übt sich im Spagat
Dem amtierenden Abteilungsleiter Thomas Knödler schlugen schon bei seiner Berufung gewisse Vorbehalte entgegen. Ein Jurist statt einem Architekten – das löste in der Fachwelt allenthalben Stirnrunzeln aus. Knödlers Selbstbewusstsein taten die Zweifel indes keinen Abbruch. Mit seinem Auftreten verkörperte er auch persönlich den Anspruch der Bauabteilung, etwas ganz Besonderes zu sein: Normalsterbliche behandelte er gerne ein wenig von oben herab und so gönnerhaft, als bezahle er die staatlichen Bauten aus dem eigenen Portemonnaie. „Dem ist egal, wer unter ihm Ministerpräsident oder Minister ist“, wird auch jetzt wieder gespöttelt. Für die Theaterleute ist Knödler ohnehin zur Reizfigur ersten Ranges geworden, seit er ihnen die Verantwortung für den ehrgeizigen (und dann unhaltbaren) Zeitplan zugeschoben hat. Der Spitzenbeamte, wehrten sie sich, habe sogar ihre Bedenken vom Tisch gewischt und begründete Zweifel an der Realisierbarkeit zerstreut.
Öffentlich tritt Knödler im Zusammenhang mit der Theatersanierung schon länger nicht mehr in Erscheinung. Als Krisenmanager, der unerfreuliche Pressekonferenzen bestreiten muss, hat SPD-Chef Schmid seinen Amtschef Leidig erkoren.
Der übt sich seitdem im Spagat: Einerseits stellt er sich schützend vor die Bauverwaltung, die über hohe Kompetenz verfüge und unzählige Projekte völlig reibungslos durchgezogen habe. Andererseits kommt er nicht umhin, gewisse Fehler einzugestehen und zumindest dosierte Selbstkritik zu üben. Als Hasko Weber konstatierte, natürlich müssten die Vorgänge Konsequenzen haben, widersprach Leidig nicht. Trotzdem zweifeln politische Beobachter, ob ihm die Brisanz des zunehmend auch bundesweit beachteten Theaterdramas voll bewusst ist – auch die für seinen Minister. Es sei höchste Zeit, findet ein wohlmeinender Stratege, „dass sich Nils Schmid selber einschaltet“.