Die Landeshauptstadt Stuttgart will künftig mehr Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen möglich machen. Doch der Leitfaden für die Partizipation setzt klare Grenzen. Damit will OB Kuhn unnötigen Frust bei den Bürgern vermeiden.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt will nach dem Vorbild anderer Kommunen mehr Bürgerbeteiligung ermöglichen. Der Rahmen dafür ist allerdings eng gesteckt. Das geht aus dem Entwurf der Leitlinie für Bürgerbeteiligung hervor, die OB Fritz Kuhn und Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (beide Grüne) am Donnerstag vorgestellt haben. In dem Papier werden insbesondere Rahmenbedingungen für den Ablauf der sogenannten informellen Partizipation geregelt – also für freiwillige Beteiligungsverfahren, die nicht ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind wie etwa Bürgerversammlungen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide.

 

Kuhn betonte, die Verwaltung und die Politik wolle vom Wissen und den Erfahrungen der sogenannten „Experten des Alltags“, also der Bürger, profitieren. Um die Bürgerbeteiligung im Rathaus auch personell zu verankern, wird im Referat von Bürgermeister Wölfle eine sogenannte Koordinierungsstelle geschaffen. 1,5 Stellen sowie 100 000 Euro sind dafür im Doppelhaushalt vorgesehen.

Letzte Entscheidung bleibt beim OB oder beim Gemeinderat

Grundsätzlich wird in dem Konzept zwischen Information der Bürgerschaft, Konsultation und Kooperation unterschieden. Bei letzterem Verfahren werden den Bürgern bei Planungsprozessen auch Mitspracherechte eingeräumt. Vor allem aber zieht der Entwurf klare Grenzen für eine Bürgerbeteiligung. Es bleibe bei der „Letztentscheidung“ des Gemeinderats oder des Oberbürgermeisters, heißt es im Entwurf. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung seien aber „wichtige Impulse und Wegmarken“ für die kommunalpolitischen Akteure.

Die Ergebnisse der Beteiligung sind also nicht bindend; allerdings müssen laut dem Konzept sowohl der OB als auch der Gemeinderat ihre davon abweichende Entscheidungen begründen. Außerdem müssen die Bürger, die ein Beteiligungsverfahren initiieren wollen, erst einmal eine Hürde nehmen: 2500 Unterschriften sind analog der neu formulierten Gemeindeordnung notwendig, noch bevor der Gemeinderat oder der Oberbürgermeister entscheiden, ob ein Verfahren überhaupt auf den Weg gebracht wird oder nicht. Das Quorum soll verhindern, dass Planungen und politische Entscheidungen durch sogenannte Beteiligungseliten blockiert werden. Demgegenüber können OB und Stadträte von sich aus einen Beteiligungsprozess anregen und auf die Tagesordnung setzen.

Beteiligung umfasst keine hoheitlichen Aufgaben der Stadt

Festgelegt wird in dem Leitfaden auch, unter welchen Voraussetzungen eine Bürgerbeteiligung in Gang gesetzt werden kann. Ausgeschlossen sind Pflichtaufgaben der Kommune, bei denen sie gegenüber einer übergeordneten Institution oder Behörde weisungsgebunden ist, wie etwa Polizeiverordnungen, die Erteilung von Baugenehmigungen oder die Festsetzung der Jahresschlussrechnung der Stadt. Bei nicht weisungsgebundenen Pflichtaufgaben wie der Errichtung von Kindertagesstätten sowie bei freiwilligen Leistungen, dem Umbau und der Sanierung von Sportanlagen oder Kultureinrichtungen sowie der Gestaltung von Grünflächen kann dagegen ein Partizipationsverfahren initiiert werden.

Eine erste Bewährungsprobe für die neuen Leitlinien stellt der Beteiligungsprozess für das geplante Rosensteinquartier dar – wie überhaupt vor allem noch offene und nicht durchgeplante städtische Vorhaben in erster Linie für die Beteiligung vorgesehen sind. Beim möglichen Standort für eine Interimsoper – anvisiert ist bisher eine Überbauung des Eckensees im Oberen Schlossgarten – wollte sich der Rathauschef aber noch nicht darauf festlegen, ob sich das Projekt für eine Bürgerbeteiligung anbietet. Themen wie die Unterbringung von Flüchtlingen in Stuttgart oder die Standorte von Interimsbauten für Asylbewerber schloss Kuhn dagegen definitiv aus: „Ersteres ist eine Pflichtaufgabe, das zweite ist schon aus zeitlichen Gründen nicht machbar.“

Für Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle steht der neue Leitfaden unter dem Motto: „Ehrlich hält am längsten.“ Wenn man den Bürgern die Spielregeln und die finanziellen Rahmenbedingungen verdeutliche, erzeuge dies am wenigsten Frustration. Man habe die Erfahrungen aus anderen Kommunen zusammengetragen und in einen eigenen Leitfaden gegossen. Der Entwurf soll nun zunächst mit der Bürgerschaft und dann mit dem Gemeinderat diskutiert werden.