Stadtbahn, Busse, Eisenbahn: bislang konnte sich der Gemeinderat nie auf eine Linie zur Lösung der Verkehrsprobleme einigen, seit Montag sind die Gräben tiefer denn je. Das neue Verkehrskonzept wird heftig gelobt und heftig kritisiert.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Der Ludwigsburger Gemeinderat ist in der Beurteilung des am Montag von der Stadt vorgestellten Verkehrskonzepts für die Region gespalten, weshalb die Grünen nun einen Bürgerentscheid ins Spiel bringen. Das Rathaus und das Landratsamt sind derweil sichtlich bemüht, eine Eskalation der Lage zu verhindern, während der Verband Region Stuttgart den Vorschlägen aus Ludwigsburg offen gegenübersteht. Eines ist sicher: Der Vorstoß für ein neues Schienennetz in der Region sorgt für Aufsehen – im positiven und im negativen Sinn.

 

Eher positiv, wenn auch wenig konkret, äußert sich der Regionalverband. „Grundsätzlich ist das verkehrliche Potenzial für eine Schienenverbindung im Landkreis Ludwigsburg vorhanden“, sagt Jürgen Wurmthaler, der Direktor für Wirtschaft und Infrastruktur. Der Verband prüfe außerdem gerade, welche Perspektiven es für den Schienenverkehr im Raum Stuttgart-Feuerbach, -Zuffenhausen und Kornwestheim gibt. Unter anderem soll untersucht werden, wie es gelingen kann, das Angebot der S 6 zu ergänzen und von Leonberg aus weitere Züge in Richtung Kornwestheim und weiter nach Ludwigsburg fahren zu lassen.

In der Stadtbahn-Diskussion sind die Gräben seit Montag tiefer denn je

Der Ausbau dieser Achse ist auch ein Kernelement in dem Konzept, das der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec am Montag präsentierte. Es sieht vor, Markgröningen und Möglingen an das Eisenbahnnetz anzuschließen, wofür eine stillgelegte Trasse reaktiviert werden müsste. Von Ludwigsburg aus sollen die Züge zur Wüstenrot-Zentrale in Kornwestheim fahren und südlich der Stadt auf die Schusterbahn nach Esslingen sowie die Bahn nach Leonberg treffen. Innerhalb Ludwigsburgs sollen Schnellbusse eingesetzt werden, für die teils eigene Fahrspuren gebaut werden müssten. Auch Busverbindungen nach Remseck, Winnenden und Waiblingen sind vorgesehen.

Im ersten Schritt muss bald geklärt werden, ob Ludwigsburg die Pläne tatsächlich umsetzen will. Das Rathaus will, das scheint sicher, die Entscheidung aber muss der Gemeinderat treffen. Das Gremium konnte sich in der Frage, wie die Verkehrsprobleme in Ludwigsburg und Umgebung gelöst werden sollen, bislang nie auf eine gemeinsame Position einigen. Seit Montag sind die Gräben tiefer den je.

Ohne Stadtbahn könnte der Nahverkehr schneller ausgeweitet werden

Auf der einen Seite stehen Freie Wähler, CDU und FDP. Den geplanten Bau der Stadtbahn von Markgröningen über Ludwigsburg nach Remseck – über das Großprojekt wird seit mehr als 20 Jahren debattiert – haben sie stets abgelehnt. Folglich stehen sie jetzt hinter dem OB, dessen Konzept ohne Stadtbahn auskommt. Man müsse sich das genau anschauen, sagt der CDU-Fraktionschef Klaus Herrmann, aber grundsätzlich sei das ein sehr guter Vorschlag. „Für die Stadtbahn müssten ganze Straßenzüge aufgerissen werden. Das Schnellbussystem ist eine gute Alternative, weil es günstiger ist, flexibler und schneller zu verwirklichen.“

Fast die gleiche Wortwahl verwendet die FDP. „Nüchterne Schätzungen erlauben keine realistische Realisierung der Stadtbahn vor den 2030er Jahren“, sagt Stefanie Knecht, stellvertretende Vorsitzende des Ortsverbands und Bundestagskandidatin der Liberalen. „Aus unserer Sicht spricht im Moment alles für die Kombilösung aus Eisenbahn und Schnellbussen, zumal der technische Fortschritt bei den Schnellbussen erkennbar rasant voranschreitet.“

Kritik an Zügen mit Brennstoffzellentechik

Ähnlich dürften das die Freien Wähler sehen, die am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen waren. Die ÖkoLinX-Stadträtin Claudia Dziubas bewertet die Reaktivierung der Trasse nach Markgröningen positiv, hat sich aber noch nicht festgelegt, ob sie eher Busse oder eher die Stadtbahn befürwortet.

Spannend ist die Konstellation, weil die Front der Gegner ähnlich breit ist wie die der Befürworter. Die SPD sieht den Vorstoß gleich in mehrerer Hinsicht mit Skepsis. Bekanntlich empfiehlt die Stadt, nach Markgröningen Züge mit emissionsfreier Brennstoffzellentechnik einzusetzen. In nur zwei bis drei Jahren könne dies realisiert werden, sagt Spec, was die Sozialdemokraten anzweifeln. „Solche Züge gibt es ja noch gar nicht“, sagt die Fraktionschefin Margit Liepins, die zudem den Verzicht auf die Stadtbahn kritisiert.

Noch deutlicher wird der parteilose Stadtrat Harald Lettrari. „Jahrelang unterhalten wir uns über die Stadtbahn, und jetzt gräbt der OB diesen Mist aus“, sagt er. Für die Grünen handelt es sich eher „um ein Stadtbahnverhinderungskonzept als um eine tragfähige Idee“. Während die Region im Autoverkehr ersticke, leiste man sich im Kreis Ludwigsburg seit 25 Jahren eine ergebnislose Diskussion um die Stadtbahn. Die Grünen schlagen vor, die vorliegenden Konzepte von einem neutralen Gutachter prüfen zu lassen. „Ansonsten bliebe nur der Weg eines Bürgerentscheids.“ Ob das realistisch ist, muss sich zeigen. Die Stadt sagt dazu, dass es ihr wichtig sei, die Bürgerschaft in den nächsten Wochen umfassend zu informieren. „Wir möchten die Reaktionen der Bevölkerung aufnehmen und in Beratung und Entscheidung des Gemeinderats einfließen lassen.“

Landrat Haas sieht kaum noch Chancen für die Stadtbahn

Zudem widersprach das Rathaus Meldungen, der OB habe den Landrat nicht über das umstrittene Verkehrskonzept informieren wollen. Die Wahrheit sei, dass Spec bei Haas um ein Gespräch gebeten habe, das nur nicht stattgefunden habe, weil Haas verhindert gewesen sei. Der Landrat bestätigt das, aber Fakt ist auch: als Haas unlängst bei einem Pressegespräch für die Stadtbahn warb, war die Stadt eingeladen. Als die Stadt am Montag öffentlich ihr Konzept vorstellte, war der Landrat nicht eingeladen. Beobachter werten das als Affront, aber Haas gießt kein Öl ins Feuer. „Ich hätte mir sicher einen anderen Ablauf vorstellen können“, sagt er. Er habe aber mittlerweile mit Spec gesprochen, das sei gut gewesen, auch wenn man konträrer Meinung sei. Enttäuscht sei er vor allem, so Haas, „weil ich kaum noch Chancen sehe für einen positiven Beschluss für die Stadtbahn“.