In diesen Tagen jährt sich der Einzug der neuen Stadtbahnlinie U 15 zum ersten Mal. Das Fazit fällt überwiegend positiv aus.

Stammheim/Zuffenhausen - Die neue Bahn fährt pünktlich und ist sehr bequem“, so beschreibt Stammheims Bezirksvorsteherin Susanne Korge die Vorzüge der neuen Stadtbahnlinie. „Ich hatte befürchtet, dass es dadurch, dass sich Bahn und Autos eine Fahrspur teilen, mitunter zu gravierenden Verzögerungen kommen könnte.“ Das sei nach ihrer Wahrnehmung jedoch nicht der Fall. Dass ab und zu mal ein Autofahrer die Bahn blockiert, komme zwar vor. „Das fällt aber nicht sehr ins Gewicht. Ganz persönlich und auch als Bezirksvorsteherin im Namen des Stadtbezirks kann ich zur Bahn nur eines sagen: eine tolle Sache!“ Dem ihrer Ansicht nach einzigen Problem in diesem Zusammenhang möchte sich Korge mittelfristig noch annehmen: dem Radverkehr. „Da Radfahrer, Autofahrer und Stadtbahn die Freihofstraße gemeinsam nutzen, und der Straßenraum begrenzt ist, kommt es dort immer wieder zu Konflikten. Diesem Thema wollen wir uns annehmen und nach Lösungsmöglichkeiten suchen.“

 

Vor allem die ältere Generation weiß die U 15 zu schätzen

Regelrecht „begeistert“ äußert sich der Stammheimer Bürgervereinsvorsitzende Martin Hechinger: „Die Bahn ist ein Erfolg auf der ganzen Linie.“ Endlich komme man barrierefrei und schnell von Stammheim nach Zuffenhausen und in die Innenstadt. „Vor allem auch die ältere Generation weiß die Teilhabe am öffentlichen Leben und die Vorzüge der Stadtbahn im Vergleich zum Bus zu schätzen. Die Menschen kommen schnell, sicher und ohne Umsteigen in die Stadt und wieder nach Hause.“ Hechinger selbst nutzte die Bahn als Berufstätiger täglich. Seit er in Rente ist, fährt er so oft wie möglich mit der Bahn, wenn er in die Stadt muss. Seine einzige Kritik richtet sich gegen die Nutzer. „Was mich wirklich stört, ist, dass an vielen Haltestellen Abfall herumliegt, teilweise auch in den Büschen.“ Erfreulich entwickelt habe sich die Parkplatzsituation an der Freihofstraße. „Das Parkraummanagement zeigt Wirkung und kommt den Geschäftsleuten zu Gute.“ Die erste halbe Stunde ist wie in allen Stuttgarter Außenstadtbezirken das Parken kostenlos. Dass während der Geschäftszeiten fürs Parken bezahlt werden müsse, trage dazu bei, dass Autofahrer meist schnell einen freien Parkplatz fänden. „Ich finde, dass durch den Stadtbahnbau im gesamten Stuttgarter Norden, sowohl in Stammheim als auch in Zuffenhausen, die Aufenthaltsqualität dazugewonnen hat.“

In Stammheim gibt es auch Kritik

Völlig anders sieht das allerdings der Stammheimer Designer und Innenarchitekt Harald Schnur, von jeher ein Kritiker der Stadtbahn. „Als Ästhet sage ich: Die Hochbahnsteige sind wie die Faust aufs Auge, das sind Monsterteile.“ Schnur hätte lieber eine Busverbindung zum S-Bahnhof gehabt als eine Stadtbahn und hatte sich, als er noch Vorstandsmitglied im Handels- und Gewerbeverein war, stets gegen eine Bahn ausgesprochen. „Der einzige Vorteil ist vielleicht, dass man nun schneller in die Innenstadt kommt.“ Aber dadurch fließe auch Kaufkraft aus Stammheim ab. Und das sei auch im Nachbarbezirk durch den Tunnel nicht besser. „Wer von Stammheim in die City fährt, bekommt von den Zuffenhäuser Geschäften nichts mit, weil er im Tunnel fährt.“ Persönlich fühlt er sich vor allem von der Verkehrssituation in der Freihofstraße gestört und sieht seine Befürchtungen bestätigt: „Mein Fazit ist, dass die Stadtbahn nicht nur Probleme hat, durch die Straße durchzukommen, sondern sie das Problem selbst darstellt, weil sie den Verkehr blockiert.“ Es müsse nur ein Autofahrer nicht ordentlich geparkt haben, „schon geht das Gebimmel los, weil die Stadtbahn einem Außenspiegel nicht ausweichen kann“. Die Ungeduld vieler Stadtbahnfahrer sei weithin hörbar. „Wenn ein Autofahrer mal etwas langsamer einparkt oder er mal nicht schnell genug abbiegt, dann wird gebimmelt und gebimmelt – da lange ich mir an den Kopf!“

Die SSB sind mit den Fahrgastzahlen sehr zufrieden

„Die Fahrer klingeln dann, wenn sie auf die Bahn aufmerksam machen wollen oder wenn eine Gefahr auftaucht“, sagt SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Grundsätzlich schwimme die Stadtbahn im Verkehr mit. Zu längeren Behinderungen wegen falsch oder schlecht parkierter Autos sei es auf der Freihofstraße ihres Wissens nach nicht gekommen. „Die Linie ist stabil, es gab keine Auffälligkeiten“, beschreibt Schupp die Situation nicht nur für Stammheim. Die Stuttgarter Straßenbahnen seien sehr zufrieden mit den ersten 12 Betriebsmonaten. „Die Zahlen zeigen, dass die U 15 gut angenommen wird“, sagt Schupp. Bei einer Zählung war ermittelt worden, dass im Oktober durchschnittlich 8915 Fahrgäste täglich zwischen den Haltestellen Salzwiesenstraße und Kirchtalstraße und umgekehrt unterwegs gewesen seien. Im März waren 8066 gezählt worden. Als Ausgangswert dient den SSB das Jahr 2007, als noch die Straßenbahn verkehrte. Im Vergleich zu damals liegt die Steigerung im März bei 12 und im Oktober bei 16 Prozent.

Eine prekäre Situation hat die U 15 am vergangenen Wochenende verkraften müssen: Wegen des Unfalls am Feuerbacher Bahnhof und des damit verbundenen Ausfalls der S-Bahnen waren zahlreiche Menschen auf die Stadtbahn ausgewichen. „Wir mussten Zusatzfahrzeuge einsetzen“, sagt Schupp. Wegen der unvorhersehbaren Belastung sei es auch schwierig gewesen, den Fahrplan einzuhalten. Normalerweise, so Schupp, wäre das bei der U 15 in den vergangenen 12 Monaten nicht der Fall gewesen. Zwischen 93 und 95 Prozent betrage die Pünktlichkeit der Stadtbahnen in Stuttgart, das gelte auch für die U 15.

Haltestellen für Barrierefreiheit ausgezeichnet

Drei der neuen U-15-Haltestellen - Rathaus Zuffenhausen, Kirchtalstraße, Salzwiesenstraße – sind vor kurzem für ihre Barrierefreiheit mit dem „Dr.-Ursula-Broermann-Preis“ ausgezeichnet worden, den der Dachverband Integratives Planen und Bauen sowie die Architektenkammer Baden-Württemberg auslobt. Von den Haltepunkten des Streckenabschnittes zwischen Zuffenhausen und Stammheim kann Susanne Schupp noch eine andere positive Nachricht verkünden: „Vandalismus gab es keinen.“

Dass die U 15 für Zuffenhausen viele Vorteile bringt, erzählt Bezirksvorsteher Gerhard Hanus. Viele Menschen hätten nun eine schnellere Anbindung, wenn sie beispielsweise in die Innenstadt wollten. Auch Hanus selbst nutzt die Stadtbahn regelmäßig, um beispielsweise zu Terminen im Rathaus zu fahren. Das positive Fazit von Gerhard Hanus teilt Christina Kolb, Vorsitzende des Zuffenhäuser Bürgervereins. „Ich denke, viele Menschen sind vom Auto auf die Bahn umgestiegen“, sagt Kolb. Gerade die Haltestellen Bezirksrathaus und Kirchtalstraße lägen sehr zentral und wären deshalb bestens frequentiert – morgens vor allem mit zahlreichen Schülern. Was den Service in den Zügen angeht, hat Hanus einen Verbesserungsvorschlag: „Es wäre schön, wenn die Ansage der Haltestellennamen künftig wieder öfter auf Schwäbisch zu hören wäre.“