Die neue Stadtbibliothek am Mailänder Platz feiert einjährigen Geburtstag. Die Bilanz fällt gemischt aus: dem positiven Zuspruch aus der Bevölkerung stehen bauliche Mängel gegenüber.

Die Natur hat es gut gemeint mit der neuen Stadtbibliothek am Mailänder Platz. Die Stadt wollte im August einen Falkner beauftragen, um den Tauben Einhalt zu gebieten. Sie hatten sich immer wieder in das würfelartige Gebäude verirrt, das im Oktober vergangenen Jahres eröffnet worden ist. Just, als die Stadt den Auftrag erteilen wollte, die Vögel zu jagen, nistete sich der Jäger von selbst ein. Ohne für Kost und Logis auch nur einen Cent zu verlangen. Ein Turmfalke hält seitdem die Tauben fern. „Wir sollten ihn zum Maskottchen machen“, sagt eine Mitarbeiterin der Stadtbibliothek bei der Pressekonferenz zum einjährigen Betrieb der neuen Stadtbibliothek. Der Vogel könnte ein Symbol dafür sein, dass nicht alles reibungslos funktioniert hat am neuen Standort, dass aber Lösungen für die verschiedenen Probleme gefunden worden sind.

 

Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau spricht vom „Abenteuer Bauen“, bei dem längst nicht alle Herausforderungen von vorn herein bekannt gewesen seien. Die vier Eingänge im Erdgeschoss stellten sich im Betrieb als untauglich heraus. Die Drehflügeltüranlagen sollen nun durch Schiebetüren ersetzt werden. Sie schließen schneller und sollen verhindern, dass der Kamineffekt im Inneren des acht Stockwerke hohen Gebäudes zu stark wird. Die bisherigen Türen konnten bei starkem Wind oft nur schwer geöffnet oder geschlossen werden, eine Besucherin hatte sich sogar im Umgang mit einer Eingangstür an der Hand verletzt.

Die Stadt sieht nun diejenigen in der Pflicht, die das Gebäude geplant und gebaut haben. „Wir werden die nicht einwandfrei funktionierenden Türen in Regress stellen. Die Stadt wird dafür nicht bezahlen“, sagt Dirk Thürnau. Die Kosten tragen muss die Stadt hingegen für einen dritten Aufzug. Er wurde nach der Eröffnung im Oktober eingebaut und kostet laut Angaben von Thürnau 180 000 Euro. „Damit haben wir die Wartezeiten vor den Aufzügen deutlich verkürzen können“, sagt der Bürgermeister. Die Direktorin der Bibliothek, Ingrid Bussmann, redet lieber über das, was aus ihrer Sicht nach dem Umzug gut funktioniert hat als über Mängel. So habe es 50 Prozent mehr Neuanmeldungen gegeben und die Ausleihzahlen seien um 33 Prozent gestiegen. Ungefähr eine Million Menschen hätten das von dem koreanischen Architekten Eun Yong Yi entworfene Gebäude seit seiner Eröffnung besucht, sagt Bussmann.

Die Direktorin verbirgt ihre persönliche Begeisterung dabei nicht. Sie nimmt das Wort „Euphorie“ in den Mund, wenn sie ihr eigenes Befinden im Bücherwürfel beschreibt. „Insgesamt sind wir am neuen Standort auf einem superguten Weg“, sagt die Bibliotheksdirektorin. Bussmann gibt sich auch keine Mühe, ihre Freude zu verbergen, als sie von der internationalen Aufmerksamkeit für den Stuttgarter Neubau berichtet. So gelangte die Inneneinrichtung der Stadtbibliothek in die engere Auswahl für den Preis der Fachzeitschrift AIT. Sie zeichnet weltweit Architektur- und Innenraumprojekte aus. In Südkorea habe sie den Neunbau vor Vertretern öffentlicher Bibliotheken vorgestellt. „Da war man sehr stolz, dass ein Koreaner in Deutschland so erfolgreich ist.“ Ingrid Bussmann dankte dem scheidenenden Oberbürgermeister Wolfgang Schuster für seinen Einsatz.

Schuster nannte die Stadtbibliothek einen wichtigen Eckstein für das Europaviertel. „Eigentlich hätte es der Schlussstein sein sollen, weil wir bei den Planungen vor 16 Jahren davon ausgegangen sind, dass die Bahn Stuttgart 21 viel früher fertigstellen wird“, sagt Schuster. Bauen ist eben ein Abenteuer.