Moskau liegt auf Rang fünf der Liste derjenigen Metropolen, die gut für die Zukunft gerüstet sind. Es entstehen viele neue Bauprojekte, die das Stadtbild deutlich verändern.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Moskau - Auf der einen Seite ist es nur eine weitere Studie, die versucht, die Zukunft vorherzusagen und den Initiator des Ganzen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Auf der anderen Seite ist es nicht so ganz uninteressant. Eine nicht unbedeutende deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat versucht zu ermitteln, welche der Megametropolen auf dieser Welt am besten für die Zukunft gerüstet ist. Moskau landet auf Rang fünf, hinter Singapur, London und Shanghai, nahezu gleichauf mit New York – aber noch vor Tokio, Hongkong oder Sydney.

 

In der Tat: Moskau hat in der Vergangenheit viel von seiner alten Miefigkeit verloren. Es gibt immer noch Staus, die ihresgleichen suchen, es gibt immer noch Löcher in den Straßen, in denen sich beim Regen das Wasser sammelt, und denen man nicht ansieht, ob bei einem Fehltritt nur die Fußsohle oder das Hosenbein bis zum Knie hinauf in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber es hat sich viel Positives getan. 1,8 Millionen Bäume und Büsche wurden in den letzten Jahren gepflanzt, es gibt inzwischen mehr als 200 Fußgängerzonen und 150-mal die Gelegenheit, ein Fahrrad auszuleihen. Kostenloses Internet ist nicht nur in den Cafés, Restaurants und Bars viel selbstverständlicher als hierzulande, sondern auch in der Metro. Zumindest von den unter 30-Jährigen gibt es praktisch niemanden, der in der Untergrundbahn nicht auf sein Smartphone schaut. Taxis werden selbstverständlich über die App geordert.

„Wer hart arbeitet, der kann es in Moskau zu etwas bringen“, sagen die Jungunternehmer

„Moskau ist eine Stadt für junge Menschen, die kämpfen wollen“, sagt Robert Breitner, der stellvertretende Geschäftsführer der deutschen Außenhandelskammer. Er meint Leute wie Anton und Kamila.

Es ist ein erträglich warmer Sommerabend, als die beiden Jungunternehmer in einem Eiscafé Platz nehmen. Anton trägt eines von der Sorte T-Shirts, die nicht nur betont lässig aussehen, sondern auch noch den halben Monatslohn der Eisverkäufer verbrauchen dürfte, seine Frau Kamila zeichnet sich durch eine schlichte Eleganz aus. Sie wählt Erdbeer-Mango in der Waffel. Beide verdienen ihr Geld mit der Produktion von Möbeln, und blicken fast mitleidig auf den deutschen Besucher, als die Sprache auf das Steuersystem zu sprechen kommt. Sechs Prozent vom Umsatz, sagt Anton, und fertig. „Einfach und effektiv.“ Die beiden sind überzeugt davon, in der besten aller möglichen Welten zu leben. „Wer hart arbeitet, der kann es in Moskau zu etwas bringen“, sagt Kamila, Wer faul sei, der habe es schwer.

Die beiden sind alles andere als faul und sprühen vor Energie. Auf dem Smartphone zeigen sie Bilder von acht Hektar Land, das sie von der Regierung geschenkt bekommen haben. Im äußersten Osten Kamtschatkas, acht Flugstunden von der Hauptstadt entfernt. Viel Wald ist darauf zu sehen, und viel Meer. Fünf Jahre hätten sie nun Zeit, die Gegend zu entwickeln, ein Ferienhaus zu bauen, dann bleibe es ihr Eigentum, sagen die beiden. Andernfalls falle es an den Staat zurück. „Jeder Russe kann das bekommen“, sagt Anton, „man muss sich nur kümmern.“ Wie zum Beweis zeigt er die entsprechende Internetseite auf dem Smartphone. Landgeschenke werden online vergeben. Sie wollen ein Ferienhaus bauen, romantisch, mit viel Holz, sagen die beiden, und dass sie Deutschland lieben und ihren Porsche auch.

Bald soll der erste russische Vergnügungspark entstehen

Ivan Scholl kennt die beiden Jungunternehmer nicht, aber er denkt in ähnlichen Kategorien. Ein wenig abseits vom Stadtzentrum entwickelt er gerade als Technischer Direktor den ersten russischen Vergnügungspark. Mit 100 Hektar wird Dream Island so groß wie der Europapark in Rust, wegen der harten russischen Winter findet der Spaß aber in der Halle statt. Die bunten Prospekte verheißen einen Start im kommenden Jahr. Wer von der Moskwa aus auf die Baustelle blickt, kann daran Zweifel bekommen. Viel ist von dem Disney-ähnlichen Schloss noch nicht zu sehen, das den Eingang zieren soll. „Wahrscheinlich verzögert sich das um ein Jahr“, sagt Scholl, und grinst schweigend auf die Frage, ob es auch zwei sein könnten. Lieber schwärmt er dann von den Möglichkeiten, die sich auf der ehemaligen Industriebrache bieten, auf der vor wenigen Monaten noch wilde Hunde ihr Unwesen trieben. Demnächst tummeln sich dort die Schlümpfe und „Hello-Kitty-Kätzchen“. „Das ist das größte Projekt, das Moskau derzeit zu bieten hat“, sagt Scholl. Darüber lässt sich streiten.

Im Frühjahr hatte der Bürgermeister Sergej Sobjanin seinen Plan präsentiert, mehr als 8000 Häuser in der Stadt abzureißen, mehr als eine Million Menschen umzusiedeln. Die meist fünfgeschossigen Gebäude aus den 1950er und 1960er Jahren, im Volksmund Chruschtschowkas genannt, haben wenig Komfort und eine schlechte Bausubstanz. Gleichwohl erhob sich bei den Bewohnern ein Sturm der Entrüstung. Viele fürchteten, aus ihren Vierteln wegziehen zu müssen und trauten der Regierung nicht über den Weg, als diese neue, bessere Wohnungen versprach. Inzwischen gab es Abstimmungen in den Quartieren, und die Pläne sind zunächst auf 5000 Häuser zusammengestrichen worden. „Niemand wird vertrieben“, versichert Sergei Cheryomin, der Wirtschaftsminister der Moskauer Stadtregierung. Die Mehrzahl der Bewohner sei mit den Plänen einverstanden.

Wer das nötige Kleingeld hat, kann auf dem Immobilienmarkt zuschlagen

Auch ihre Familie habe für einen Umzug gestimmt, sagt Marina Vasilchenko. Die junge Frau lebt mit ihren Eltern in einer Dreizimmerwohnung, kleine Küche, kein Aufzug. Das könne nur besser werden, sagt die Studentin, darin ist sie sich mit ihren Eltern einig. Wenn es wohl auch nicht so gut wird wie für all jene, die das nötige Kleingeld haben, um richtig auf dem Immobilienmarkt zuzuschlagen. Es geht auf die Messe Moskau, genannt „urban forum“. Hier zeigen Stadtplaner, Konstrukteure und Wohnungsbauunternehmen, wie sie sich die neue russische Hauptstadt in naher Zukunft vorstellen.

Natürlich ist Halse-Development vor Ort. So heißt die größte russische Bauentwicklungsgesellschaft, die gerade auf dem Gelände von ehemaligen Chruschtschowkas drei beachtliche Hochhaustürme aus dem Boden stampft. Der Name ist da irgendwie Programm, Halse kommt aus der Surfersprache, und habe etwas mit Kursänderung zu tun, sagt Anna Domnikova, eine der Beraterinnen vor Ort. Aus den Musikboxen klingen hippe Töne, Plexiglasmodelle der Bauprojekte werden von Scheinwerfern effektvoll in Szene gesetzt, die Moskwa leuchtet – anders als im Original – in einem erfrischend klaren Blau. Das Ein-Zimmer-Apartment gebe es für umgerechnet rund 150 000 Euro, das Penthouse sei für etwa 1,4 Millionen zu haben, sagt Anna Domnikova. Fahrtzeit mit der Metro bis zum Roten Platz, dem Zentrum der Hauptstadt, nicht einmal 45 Minuten. Interessenten müssten sich beeilen, sagt Anna. 70 Prozent der Apartments seien schon verkauft, der Bau mache schnelle Fortschritte, der dritte Stock sei schon fertig.

Im Herbst soll der erste neu in Moskau geschaffene Park seit mehr als 50 Jahren entstehen

In Sichtweite des Kremls, direkt an der Moskwa, baut die Stadt, die Fortschritte sind auch hier zu sehen. Der Zaryadye-Park soll im Herbst eröffnet werden, besonderer Hingucker ist eine Brücke, die sich zunächst über die viel befahrene Uferstraße hinweg schwingt, dann den Fluss erreicht und als geschwungenes „V“ wieder in den Park zurückführt. Die Architekten Diller Scofidio + Renfro aus New York haben die Ausschreibung für das Projekt gewonnen. Es ist der erste neu in Moskau geschaffene Park seit mehr als 50 Jahren.