Eine Bürgerallianz zieht Zwischenbilanz, was die Platzgespräche am Bismarktplatz bewirkt haben. Dabei zeigt sie sich mit ihrer Einflussnahme auf die Stadtverwaltung zufrieden.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Stuttgart - Rainer Benz spricht von „seinem Kiez“, wenn er im Eiscafé Fragola am Bismarckplatz sitzt. Als wäre er in Berlin, wo viele Bürger mit diesem Begriff ihren Stolz zum Ausdruck bringen, den sie für ihr Viertel empfinden. Ehrlicherweise muss man zwar sagen, dass es außer dem Eiscafé und einem Metzger nicht viel am Bismarckplatz gibt. „Aber das soll sich ja ändern“, sagt Benz.

 

Im Sommer letzten Jahres haben er und vier Mitstreiter als das Forum Lebendiger Westen die ersten sogenannten Platzgespräche im West-Quartier organisiert. Der Grund: Auch die Stadt ist der Meinung, dass der Bismarckplatz schöner werden soll. Und da Schönheit ja bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, finden immer am letzten Samstag des Monats die Platzgespräche statt, bei denen sich zwischen zehn und 30 Besucher zu Wort melden.

Sicherheit kein Thema

Je nach Überschrift der Veranstaltung, zu denen auch Referenten eingeladen. Pfarrer Schwarz etwa, Strippenzieher bei der Sanierung des vielgelobten Hospitalviertels. Auch Verteter des Stadtplanungsamts oder der Polizei waren schon da. Mal geht es Verkehr, mal Soziales, mal Sicherheit. „Letztere scheint nicht wirklich ein Thema zu sein“, sagt Rainer Benz – da sei nur eine handvoll Bürger gekommen.

Trotzdem scheinen die Platzgespräche insgesamt Früchte zu tragen. „Bereits unsere erste Aktion, als wir Bauzäune aufgestellt haben, eine ,Kommunikationswand’, war ein großer Erfolg“, sagt Benz. Knapp 300 Wünsche für den Bismarckplatz wurden dort von Bürgern formuliert, die in die Ausschreibung der Stadt eingeflossen sind.

Flächen sind zerstückelt

So sei es dem losen Bündnis der Platzgespräche-Macher zumindest von der Stadtverwaltung versprochen worden. Am 22. März ist Stichtag: Dann wird von einer Jury entschieden, welche Entwürfe das Bild des Bismarckplatzes künftig prägen werden – und sich zeigen, ob Benz und Konsorten damit einverstanden sind.

Laut Eckhard Ernst, ebenfalls bei den Platzgesprächen aktiv, sehen die Bürger besonders zwei Punkte als wichtig an: Dass die Schwabstraße besser und sicherer überquert werden kann und die „etwas zerstückelten Flächen“ zu reduzieren und besser nutzbar zu machen. Auf einem Luftbild würde der Bismarckplatz vermutlich aussehen wie ein Flickenteppich.

Mieter angeblich rausgeekelt

Den Aktivisten bei den Stadtgesprächen, da wollen sie sich nicht falsch verstanden wissen, wollen aber nicht, dass der Charme des Platzes der angestrebten Frischzellenkur geopfert wird. Gentrifizierung ist auch hier ein großes Thema. „Hier fahren immer mehr Porsche rum“, sagt Roland Benz und verkneift sich, zu sagen, was er darüber offenbar denkt.

Die Aufwertung des Platzes ist also auch ein Spagat – wird’s zu schön, könnten auch die Mieten steigen und alteingesessene „Homies“, wie Benz sagt, verdrängt werden. Er verweist auf ein Haus am Bismarckplatz, dessen betagte Mieter rausgeekelt worden sein sollen. Und der Vermieter die Wohnungen nun großen Unternehmen in der Region zur Verfügung stelle.

Nächstes Platzgespräch am 22. Februar

Entwicklungen, die womöglich nicht so leicht aufzuhalten sind. Die schlimmsten Befürchtungen der Aktivisten dürften aber wohl nicht eintreten. Das Projekt Stuttgart 28, die Sanierung der Elisabethen-Anlage – Roland Benz plagte allein die Vorstellung, dass der Platz in Funktion und Optik verschlechtert werden könnte. Christina Ernst – Eckhard Ernsts Frau und ebenfalls in die Platzgespräche involviert – hatte Angst, dass hier eine einmalige Chance vertan wird. „Es ist wichtig, da in die Zukunft zu denken“, sagt sie.

Die guten Gespräche mit der Stadtverwaltung stimmen die Bürgerallianz aber zuversichtlich, dass nichts davon eintritt. Das nächste Mal lädt sie am 22. Februar um 16 Uhr zu den Platzgesprächen in die Elisabethenstraße 26 ein. Diesmal ist die Bürgerinitiative Stadtlücken eingeladen. Die hat sich vergangenen Herbst mit einem Platz und dessen künftiger Nutzung beschäftigt, gegen den der Bismarckplatz schon fast wie ein Kleinod daherkommt: dem Österreichischen Platz unter der Paulinenbrücke. Eckhard Ernst hofft, dass dort auch für seinen Platz Inspierierendes rüberkommt.