Eine aktuelle Liste der Stadtverwaltung zeigt, dass Bauflächen in Stuttgart spürbar weniger werden. Besonders Areale, die infolge von Stuttgart 21 zu Baugrund werden, kommen um Jahre zu spät.

Stuttgart - Der Vorrat an Baugebieten geht zur Neige. Den Bedarf an Wohnungen zu decken, könnte in Zukunft sehr schwierig werden, denn die Nachfrage bleibt hoch. Das geht aus einem Dokument hervor, dass dem Technischen Ausschuss des Gemeinderates nächste Woche vorgelegt wird. Demnach können in Stuttgart künftig 2000 Wohnungen weniger gebaut werden als bislang angenommen. Zudem ist Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) gegenüber einem Zweckentfremdungsverbot, also einem gesetzlichen Vorgehen gegen Leerstand, weiterhin zurückhaltend.

 

Die sogenannte Zeitstufenliste wird alle vier Jahre aktualisiert. Sie ist die Grundlage für die Wohnbaupolitik der Stadt. Im Vergleich zum Jahr 2010 haben sich die Zahlen verändert. Bei den Baugebieten wird ein Minus von knapp elf Prozent verzeichnet, bei den Bauflächen liegt der Rückgang bei 8,5 Prozent. „Die derzeit hohe Wohnbautätigkeit absorbiert die Potenziale der Zeitstufenliste, ohne dass der Planung entsprechend nachrückende oder neue Potenziale zur Verfügung stehen“, heißt es in der Drucksache der Stadt. Kurz gesagt: Es wird mehr verbraucht, als nachkommt.

Indirekte Kritik am Landesprogramm

Laut Zeitstufenliste stehen aktuell 174 Wohnbaugebiete zur Verfügung. Daraus ergibt sich ein Vorrat von 21 415 möglichen Wohneinheiten – rund 2000 weniger als 2010. Als Grund gilt die hohe Bautätigkeit. Und das, obwohl die Stadt die staatlichen Anreize mit Blick auf das Landesprogramm zur Förderung des Wohnungsbaus als unzureichend bezeichnet.

Auch auf lange Sicht erscheint die Lage kaum besser. Da das Potenzial der Stuttgart-21-Flächen erst vom Jahr 2025 an zur Verfügung stehe, könne die Deckung des Bedarfs von 2020 an erschwert werden, heißt es in der Vorlage. Die fest eingeplanten Standorte wie etwa das Rosensteinviertel kommen für den Wohnungsmarkt um Jahre zu spät, schreibt die Stadt weiter. Die Wohnungsversorgung der Landeshauptstadt sei bei gleichbleibender Marktentwicklung mit Risiken behaftet.

Mieten und Immobilienpreise sind gestiegen

In der Vorlage für den Gemeinderat wird wenig überraschend festgestellt, dass Mieten und Immobilienpreise gestiegen sind. Zudem liege das Wohnangebot für Studenten „deutlich unter dem Bedarf“, so die Verwaltung. Zusammen mit dem anhaltenden Trend, dass die Menschen bevorzugt vom Land in die Stadt ziehen, ergibt sich ein absehbarer Engpass bei der Wohnungsversorgung in Stuttgart.

Zusammengefasst kommt die Verwaltung zu folgendem Schluss: Können 90 Prozent des Vorrats an Bauflächen genutzt werden, wären die Reserven ohne weitere Zuwächse in etwas mehr als zehn Jahren aufgebraucht. Ohne die Flächen von Stuttgart 21 würden die Bauflächen nur noch knapp sieben Jahre reichen.

Die Stadt will ein Wohnbauprogramm auflegen

Um auf die neue Sachlage zu reagieren, will die Stadt ein Wohnbauprogramm auflegen. Konkrete Pläne will die Verwaltung Mitte des Jahres bekannt geben. Das Programm soll die 50 größten Gebiete der Zeitstufenliste umfassen. Diese Gebiete sollen dann zügiger und unter stärkerem Einfluss der Stadt realisiert werden. Bei den Gebieten handelt es sich unter anderem um den Neckarpark, den Wohnungsbau am Pragsattel und das ehemalige Bürgerhospital.

Kuhn hält sich bei der Zweckentfremdung zurück

In einer anderen Frage hält sich der OB indes zurück. Beim Leerstand setzt Fritz Kuhn (Grüne) offenbar auf den guten Willen und nicht auf gesetzliche Maßnahmen. Die Stadt hätte die Möglichkeit, das Zweckentfremdungsverbot einzuführen. Damit würden Eigentümer, die eine Wohnung ohne Grund mehr als sechs Monate leer stehen lassen, mit einer Strafe von bis zu 50 000 Euro belegt. Die Verordnung kann nur in Gebieten angewendet werden, in denen Wohnungsmangel herrscht. Bislang hatte der OB auf eine fehlende Datenbasis verwiesen. Nun hat das Land der Stadt jedoch offiziell Wohnungsmangel attestiert.

Nach StZ-Informationen steht der OB dem Verbot skeptisch gegenüber. Die Entscheidung muss der Gemeinderat fällen. Der Ausgang einer Abstimmung wird mutmaßlich vom Verhalten der Grünen abhängen. Die Verwaltung will dem Rat im Sommer einen Vorschlag machen.