Ein tatsächliches Bündnis für Wohnen scheint ein Jahr nach der ersten Sitzung in weiter Ferne zu liegen. Erst zwei Termine hat es bislang gegeben. Trotz allem gibt sich das Rathaus zuversichtlich.

Stuttgart - Ein tatsächliches Bündnis für Wohnen scheint ein Jahr nach der ersten Sitzung in weiter Ferne zu liegen. Erst zwei Termine hat es bisher gegeben. Ein unabhängiger Moderator wurde nie installiert, die Genossenschaften drohen mit dem Ausstieg, die Eigentümerlobby Haus und Grund hat sich bereits vom Verhandlungstisch verabschiedet. Trotz allem gibt sich das Rathaus zuversichtlich.

 

Eine Vereinbarung ist noch nicht in Sicht

Ende November vergangenen Jahres fand die erste Sitzung des sogenannten Bündnisses für Wohnen statt. Mieterbund, Bauträger, Wohnbaugenossenschaften, Eigentümervertreter, Stadtverwaltung und andere suchten öffentlichkeitswirksam den Schulterschluss. „Das Bündnis darf nicht unverbindlich bleiben“, kündigte denn auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im Anschluss an die erste Sitzung an. Will heißen: Ziel ist nicht das bloße Kennenlernen und der Austausch, sondern eine konkrete Vereinbarung. Wie diese aussehen könnte, beschreibt die Verwaltung so: „Geringverdiener und Familien haben es schwer, bezahlbare Wohnungen zu finden. Daher ist es wichtig, den geförderten Wohnungsbau in Stuttgart anzukurbeln.“ Das erklärt der Pressesprecher der Stadt, Sven Matis. All das könne die Verwaltung aber nicht allein schultern, so Matis weiter. Dies sei nur gemeinsam mit den wichtigsten Wohnbauakteuren möglich.

Aus seiner Sicht sei bei allen Beteiligten eindeutig der Wille zu einem solchen Schulterschluss vorhanden, sagte OB Kuhn ebenfalls nach der ersten Sitzung im vergangenen November. Bis zum Frühjahr 2015 wollte man damals die Grundlagen für eine verbindliche Erklärung formulieren. Eine Vereinbarung ist aber nicht in Sicht.

Aktuell nähern sich die Beteiligten wieder an

Rasch wurde aber kolportiert, dass es sich bei dem Bündnis um eine Alibiveranstaltung handele. Warum sonst wolle die Stadt keinen neutralen Moderator einsetzen? Dann reduzierte sich die Zahl der Teilnehmer. Haus und Grund hatte sich nach Kuhns Vorstoß für das Zweckentfremdungsverbot im September vom Verhandlungstisch verabschiedet. Mit dem Gesetz sollen Eigentümer, die eine Wohnung leer stehen lassen, mit Strafen von bis zu 50 000 Euro belegt werden. Dann übten einige Wohnbaugenossenschaften Kritik und drohten mit dem Ausscheiden.

Aktuell gehen alle Beteiligten jedoch betont auf Annäherungskurs. Der Chef des Vereins der Stuttgarter Immobilienwirtschaft (IWS), Marco Bosch, erklärt beispielsweise: „Das Bündnis für Wohnen hat eine gesellschaftliche Bedeutung und kann nicht nur an harten Ergebnissen gemessen werden.“ Da sei man mit dem OB einer Meinung. Auch die Genossenschaften äußern sich zurückhaltend. Auf Anfrage erklärt Thomas Wolf, der Sprecher der ehemals gemeinnützigen Wohnbauunternehmen: „Wir sind mit der Stadt im Gespräch, deshalb möchten wir davon absehen, eine Stellungnahme abzugeben.“

Gaßmann: Zeit ist nutzlos verstrichen

Von allen Beteiligten findet der Vorsitzende des Mietervereins die deutlichsten Worte. Auf die Frage, wie nahe man im Bündnis für Wohnen an einer konkreten Vereinbarung sei, antwortet Rolf Gaßmann: „Der Versuch von OB Kuhn bestand zunächst nur darin, eine allgemeine und wenig verbindliche Resolution verabschieden zu lassen.“ Leider habe die konkrete Arbeit mit einem Dreivierteljahr Verzögerung begonnen. Diese Zeit sei nutzlos verstrichen, deswegen seien konkrete Ergebnisse im Zeitverzug, sagt Gaßmann.

Als Vorbild für ein Bündnis von Stadtverwaltung und Immobilienwirtschaft gilt bundesweit die Hansestadt Hamburg. Dort hatte man im Februar 2011 ein Bündnis für Wohnen geschmiedet. Die ersten konkreten Ergebnisse wurden bereits ein halbes Jahr später präsentiert. Unter anderem verpflichteten sich die Wohnungsverbände, 6000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Senat und Bezirke sollten dafür die Voraussetzungen schaffen, zum Beispiel durch schnellere Genehmigungsverfahren und die Bereitstellung bezahlbarer städtischer Flächen. Auch im geförderten Mietwohnungsbau mit Mietpreis- und Belegungsbindung hat Hamburg seine Anstrengungen verstärkt. Die entsprechenden Förderprogramme seien von 1200 auf 2000 Wohnungen im Jahr aufgestockt worden, teilt die zuständige Behörde mit – und bilanziert: „Hamburg hat die Zielzahl von 2000 geförderten Wohnungen seit 2011 stets erfüllt.“ Damit habe sich im Vergleich zum Jahr 2010 die Zahl der durch die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt geförderten Mietwohnungen um rund 600 erhöht.

In Stuttgart ist die dritte Sitzung in großer Runde für das erste Quartal 2016 geplant. „Für uns wie auch die Wohnungsbauakteure ist es entscheidend, in der nächsten Sitzung ein Endergebnis zu präsentieren“, nennt Stadtsprecher Matis das Ziel.