Aufgrund einer Initiative von OB Kuhn (Grüne) wird das Förderprogramm des Landes wohl verändert. Vom kommenden Jahr an soll nun auch die Umwandlung von ehemaligen Büros in Sozialwohnungen bezuschusst werden.

Stuttgart - Aktuell beschränkt sich die Landesförderung für öffentlich bezuschusste Wohneinheiten auf Neubauten. Das will Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) mit großer Wahrscheinlichkeit für das kommende Jahr verändern. Der Grund für den Entschluss ist eine Initiative des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne). Von 2015 an soll der Umbau von Büroflächen in Sozialwohnungen ebenfalls gefördert werden.

 

Vor dem Hintergrund des Mangels an preisgünstigem, gefördertem Wohnraum werde die Verwaltungsvorschrift den Bedürfnissen vor Ort nicht gerecht, schrieb Kuhn Anfang Juni in einem Brief an den Wirtschaftsminister, der der StZ vorliegt. Anlass des OB-Schreibens war das Azenberg-Areal im Stuttgarter Norden. Dort sollen insgesamt 140 Wohneinheiten entstehen, 18 davon als Sozialwohnungen. Diese will der Investor, die Epple Holding, in dem denkmalgeschützten Gebäude an der Wiederholdstraße 15 unterbringen. Vor Jahren war dort das Institut für physikalische Chemie der TH untergebracht. Da es sich jedoch um einen Umbau im Bestand und nicht um ein Neubauprojekt handelt, wird dieses Vorhaben im Rahmen des sogenannten Landeswohnraumförderungsprogramms 2014 nicht unterstützt – obwohl neue Sozialwohnungen entstehen.

Neubau reicht nicht aus

Dass die Stadt ihre wohnungspolitischen Ziele allein mit Neubauprojekten nicht erreichen kann, wird unter anderem bei einem Blick auf die Fertigstellungszahlen des vergangenen Jahres deutlich. Die jüngst vorgestellte Bilanz für 2013 weist lediglich 1500 neue Wohnungen in Stuttgart aus. Wie viele davon im geförderten Wohnungsbau entstanden sind, kann die Verwaltung auf Nachfrage nicht beantworten. 1800 fertiggestellte Einheiten pro Jahr, 600 davon im geförderten Wohnungsbau, hatte der OB als Ziel ausgegeben. Zudem musste die Verwaltung vor wenigen Wochen eingestehen, dass in den Jahren 2014 bis 2018 nicht die eigentlich avisierten 1400 neuen Sozialwohnungen, sondern lediglich 1035 realistisch sind.

Die Antwort von Nils Schmid auf das Schreiben von Fritz Kuhn, die der Stuttgarter Zeitung ebenfalls vorliegt, lässt den Schluss zu, dass der OB den Minister überzeugen konnte. Zwar könne für das laufende Jahr keine Ausnahme gemacht werden, heißt es. „Gerne stelle ich Ihnen jedoch in Aussicht, mich für eine Erweiterung der Fördertatbestände in dem von Ihnen vorgetragenen Umfang im Landeswohnraumförderungsprogramm 2015 einzusetzen“, schreibt Schmid an Kuhn.

Veränderung für 2015 sehr wahrscheinlich

Der Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums, Frank Kupferschmidt, bestätigt: „Die Verwaltungsvorschrift wird jedes Jahr an den tatsächlichen Bedarf vor Ort angepasst. Dass die Änderung des Programms bereits 2015 kommt, ist zumindest sehr wahrscheinlich.“ Das Programm hat aktuell ein Volumen von 63 Millionen Euro, welches allerdings nicht erhöht werden soll. Das sei jedoch kein Problem, denn „bislang mussten wir keinen Antrag abweisen, weil das Geld nicht gereicht hätte“, sagt der Sprecher.

32 Millionen Euro sind für den sozialen Wohnungsbau reserviert. „In den vergangenen beiden Jahren wurden die Mittel weitgehend ausgeschöpft“, so Kupferschmidt. Davor sei das Geld teilweise jedoch nicht abgerufen worden. Daher habe man die Förderbedingungen überarbeitet, um das Angebot attraktiver zu machen.

Das Grundprinzip des Programms ist schnell erklärt: Für den Bau einer Sozialwohnung kann der Investor bis zu 40 000 Euro vom Land bekommen. Im Gegenzug verpflichtet er sich, die Miete für 15 bis 25 Jahre deutlich unter dem Mietspiegel zu belassen. Da die Preise auf dem freien Markt jedoch lukrative Gewinne versprechen, engagieren sich in Stuttgart, abgesehen von der städtischen Wohnbaugesellschaft SWSG, aktuell keine weiteren Akteure im sozialen Wohnungsbau.

Auswirkung in Stuttgart-Ost

Ein weiteres Wohnprojekt, auf das sich das abgewandelte Förderprogramm in der Landeshauptstadt auswirken könnte, befindet sich im Stuttgarter Osten. Auf der Gänsheide in der Nähe der Stafflenbergstraße sollen auf mehr als 8000 Quadratmeter Wohnfläche etwa 80 Einheiten entstehen. Im Rahmen des Vorhabens sind ebenfalls bezuschusste Wohnungen geplant – ein Teil davon in einem ehemaligen Bürogebäude der Diakonie. „Auch hier könnte die Neuerung greifen“, glaubt der ehemalige Bezirksvorsteher des Ostens, Martin Körner (SPD). Körner ist inzwischen Fraktionschef der Sozialdemokraten im Gemeinderat. Er bezeichnet die mögliche Veränderung des Landesprogramms als Erfolg des SPD-geführten Ministeriums. „Das ist für ganz Stuttgart ein Schritt nach vorne“, sagt er und fügt an: „Es ist wichtig, alle Chancen zu nutzen, günstigen Wohnraum in der Stadt zu schaffen.“

Körner glaubt zudem, dass die angekündigte Veränderung großes Potenzial bietet, zusätzliche Sozialwohnungen abseits von Neubauprojekten entstehen zu lassen. Eine Vermutung, die von der Stadtverwaltung bestätigt wird. „Schätzungsweise wird künftig bis zu einem Fünftel der Schaffung von Sozialmietwohnungen in großen Umbaumaßnahmen im Bestand stattfinden“, erklärt der Sprecher des Oberbürgermeisters, Andreas Scharf, auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung. Und: „Wichtig ist, dass das geänderte Förderprogramm Anfang 2015 starten sollte, um das Projekt Azenbergstraße nicht zu verzögern.“