Gemäß einer Prognose wird die Zahl der Herrenberger bis 2035 um gut fünf Prozent steigen. Für den dafür nötigen Wohnungsbau sollen politische Richtlinien erarbeitet werden.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Herrenberg wächst – mutmaßlich. Bis zum Jahr 2035 soll die Zahl der Einwohner um 1700 steigen, so hat es das Stuttgarter Planungsbüro Reschl im Auftrag der Stadt vorausberechnet. Unsicherheiten abgezogen, mit denen Prognosen stets behaftet sind, bedeutet dies ein Plus von gut fünf Prozent. Um die Neu-Herrenberger unterzubringen, soll die Fläche von 45 Fußballfeldern zugebaut werden. Darin enthalten sind aber Abriss und Neubau sowie der Umbau von Gewerbe- zu Wohnfläche. So entstehen im Schnitt die 71 Wohnungen pro Jahr, die der Einwohnergewinn und andere Effekte erfordern.

 

Die knapp 80seitige Reschl-Studie fügt sich ein in eine ganze Reihe von Zukunftskonzepten der Stadt. Allen voran schreibt sie das Strategiepapier Herrenberg 2020 fort. Die Planer haben den aktuellen Zustand statistisch erhoben, mögliche Zukunftsszenarien errechnet, die Bürger wie die Stadträte befragt, wie sie sich ihre Stadt des Jahres 2035 vorstellen. Daraus leiten sie Empfehlungen für das politische Handeln ab, denn die Stadt soll nicht zufällig wachsen, sondern nach festen Regeln.

Mindestens eine Empfehlung der Planer wird zum Politikum

Der Gemeinderat hat das Papier in seiner Sitzung am Dienstag lediglich zur Kenntnis genommen. Diskutiert und beschlossen wird es später. Mindestens eine Empfehlung auf der Liste dürfte zum Politikum werden: „Wir werden dem Gemeinderat nicht empfehlen, eine städtische Wohnbaugesellschaft zu gründen“, sagt der Oberbürgermeister Thomas Sprißler, jedenfalls nicht in naher Zukunft. Im Gemeinderat ist die Gründung einer Herrenberger Baugesellschaft immer wieder gefordert worden, insbesondere um den Bau von Sozialwohnungen zu beschleunigen. Eben dieses Ziel sei im Zusammenspiel mit Investoren schneller zu erreichen, meint Karl-Heinz Walter von Reschl. „Als ehemaliger Chef eines solchen Unternehmens darf ich das sagen“, meint Walter. „Bis eine neue Gesellschaft den zweiten Backstein auf den ersten setzt, vergehen Jahre.“

Die Planer haben die Zusammensetzung der Stadtgesellschaft analysiert und in zehn Gruppen unterteilt. Die kleinste ist mit einem Anteil von sechs Prozent „Prekäre“ überschrieben, landläufig Sozialhilfeempfänger. Ihr Anteil ist in Herrenberg deutlich geringer als im Bundesschnitt. Demgemäß setzt Reschl einen geringeren Sozialwohnungs-Bedarf an als andernorts üblich. Mit jährlich sechs neuen Wohnungen werde der Bedarf gedeckt. Allerdings „hat die Stadt in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht weniger getan“, sagt Walter. Weshalb der anfänglich Bedarf auf jährlich 16 neue Wohnungen festgesetzt ist.

Der Leitgedanke des Wachstums ist gleichsam der Stillstand

Der Leitgedanke des Wachstums ist gleichsam der Stillstand. Insgesamt soll sich die Zusammensetzung der Stadtgesellschaft trotz des Zuwachses nicht ändern. Zuoberst ist der durchschnittliche Herrenberger wohlhabender als der durchschnittliche Bundesbürger. Dies schlägt sich auf die Mieten und damit die Rendite von Baugesellschaften nieder. Beispielsweise fallen republikweit Mieten von 7,50 Euro pro Quadratmeter unter die Rubrik „bezahlbar“. In Herrenberg sind es zehn Euro.

Bauherren werden sich künftig verstärkt städtischen Vorgaben beugen müssen, sei es für die Art der Bauten oder den Sozialwohnungsanteil. Leitlinie für die künftige Entwicklung ist die verträgliche Durchmischung von Wohngebieten, sei es in Bezug auf die Größe der Häuser oder die soziale Struktur. Allerdings „wollen wir keine starren Richtlinien vorgeben, sondern flexible“, sagt der Baubürgermeister Tobias Meigel. Beispielsweise schreibt die Stadt Stuttgart Investoren ausnahmslos vor, dass 20 Prozent der Neubaufläche für Geringverdiener vorgesehen sein müssen. In Herrenberg soll verknappt gelten: Wo sich Wohlhabende ballen, sollen Bedürftige Platz finden und umgekehrt.