Tatort läuft auch in 30 Jahren noch: Fortgeschrittene gehen am Sonntagabend feiern. Gesittet in der Bar oder ausgelassen im Dilayla. Wir haben beides ausprobiert.

Stuttgart - Die Wochentage, an denen urbane Nachteulen ausgehen, wechseln ständig. Erst war der Freitag der neue Samstag. Dann war der Donnerstag der neue Freitag. Seit einer Weile ist der Mittwoch der neue Donnerstag. In meinem Freundeskreis ist derzeit ein ganz anderer Tag en vogue: der Sonntag. Ein Tag, der sonst nur Langeweile und Ödnis verspricht, einen mittelmäßigen Fernsehkrimi, lauwarme Pasta vom Lieferservice. Nun scheren wir uns nicht mehr länger um den drohenden Montag und treffen uns regelmäßig am Sonntagabend in der Lieblingsbar im Stuttgarter Westen. Dort wird nun schon eine Sitzecke für unsere Art von Stammtisch freigehalten. Okay, das stimmt so nicht, wäre aber angemessen.

 

Unsere Getränke sind gesetzt, schließlich ist ein Sonntagabend für Traditionen da (Stichwort Tatort): Herrengedeck bestehend aus Bier und Whiskey, Gin Fizz oder, wenn eine ganz harte Woche ansteht: Chococolada. Am vergangenen Sonntag gab es zusätzlich zu den Getränken ein Quiz. Wer den Jahrgang und die Destillerie des Whiskeys errät, bekommt einen umsonst. Umsonst! Das Trigger-Wort der Schwaben. Wir grübeln los, der Mann hinter der Bar lacht. Es ist hoffnungslos. Einzige Erkenntnis: Das Getränk riecht schwer nach Speck, sodass die Vegetarierin der Runde wünscht darin baden zu dürfen.

Ein anderes Problem beschäftigt uns ebenfalls an diesem Abend. Ein Mitglied unseres Stammtischs ist nicht zu erreichen. „Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben.“ Hat er seinen Traum wahr gemacht, sich heimlich ins Ausland abgesetzt? Sein Mitbewohner beruhigt uns: Er habe sein Handy in wilder Tanzekstase am Samstagmorgen im Dilayla verloren, auf dem Heimweg geistesgegenwärtig gesperrt – nun liege es zur Abholung bereit. Was wären wir für Freunde, würden wir uns nicht bereit erklären, ihn zu begleiten.

Wer das Dilayla nicht kennt: dort landet der erprobte Partygänger meist, wenn alle anderen Clubs rund um den Hans-im-Glück-Brunnen schon geschlossen haben. Das Dilayla hat aber nicht nur für gestrandete Feierwütige am Wochenende geöffnet, sondern jeden einzelnen Abend der Woche. Mit allem Drum und Dran: Türstehern, die uns düster mustern, obwohl wir die einzigen Gäste sind und lauter Partymucke, obwohl die Tanzfläche leer ist. Noch! Ein Hoch auf den neuen Sonntagabend!