Wer kennt das nicht: Im Regal verstauben die dicken Schmöker, im Alltag bleibt kaum Zeit zum Lesen. Rahel Zoller widmet sich im Projektraum Lotte eine Woche lang verschiedenen Aspekten des Buches. Unter anderem verschafft sie Zeit zum Lesen.

Stuttgart - Wer kennt das nicht: Im Bücherregal im heimischen Wohnzimmer biegen sich die Böden durch. Immer mehr dicke Schmöker reihen sich aneinander – Zeit fürs Lesen bleibt oft allerdings kaum. Viel lieber will man sich nach Feierabend berieseln lassen oder raus gehen und Glühwein trinken. Alles steht auf der Freizeit-to-do-Liste weiter oben als die ollen Schinken, vernachlässigte Freunde kommen vor vergilbenden Büchern. Und so fristen sie ihr einsames Dasein als schmückende Staubfänger – zumindest, bis für den großen Urlaub gepackt wird.

 

Rahel Zoller hat für dieses Phänomen ein ziemlich schönes Bild gefunden. Die Buchbinderin und Buchgestalterin hat im Projektraum Lotte an der Willy-Brandt-Straße 18 ein Bücherregal ganz weit oben an der Wand angebracht. Die Bücher, die dort knapp unter der Decke stehen, sind noch eingeschweißt. Es sind vergessene Bücher aus Rahel Zollers Jugend. Sie wurden so lange nicht gelesen, bis die heute 28-Jährige zu alt dafür war. Immerhin bekommen sie jetzt Jahre später in der Ausstellung „Between Pages – Das Buch im Dialog“ ein wenig Aufmerksamkeit.

Verabredung mit den Büchern

Rahel Zoller hat an der Johannes-Gutenberg-Schule in Stuttgart gelernt und an der Goldsmith University of London studiert. Die Buchbinderin lebt seit nun schon sechs Jahren in der britischen Hauptstadt und arbeitet am London College of Communication als Werkstattleiterin. Am Sonntag startet ihre Ausstellung in der Stuttgarter Heimat, in der sie sich zusammen mit dem Publikum mit dem Thema Buch auseinandersetzen möchte – mit seiner gesellschaftlichen Rolle und dem Wandel vom Druck zur Digitalisierung. Die sieben Tage der Ausstellung befassen sich mit jeweils unterschiedlichen Aspekten. So wird an einem Abend ein Ausstellungskatalog produziert, an einem anderen Arbeiten mit Papier angefertigt. Immer gleich ist: Die Besucher werden intensiv einbezogen.

Zurück zum unerreichbaren Bücherregal: Für Mittwochabend lädt Rahel Zoller frei nach Marcel Prousts Mammutwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zum Lesen in den Projektraum Lotte ein. Jeder liest für sich. Lotte schafft mit Sitzgelegenheiten einen Rahmen und gibt Zeit, jeder Besucher darf eines seiner vernachlässigten Bücher mitbringen. Eine Verabredung mit seinem Buch zu treffen – vielleicht ist das eine Möglichkeit, wieder mehr zum Schmökern zu kommen.