Mit einem Souvenirkisok, Lichtinstallationen oder Tee- und Plätzchenverkauf unter der Paulinenbrücke belebt der Verein Stadtlücken zwei Wochen lang den Platz in Stuttgart, der am wenigsten den Namen verdient: den Österreichischen Platz.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Eine Bretterbude unter der Paulinenbrücke. Auf grauer Pappmaché steht Souvenirshop. Von links des provisorischen Kiosks dröhnt Baulärm, rechts stehen Polizeibusse, die dazugehörigen Polizisten kontrollieren Jugendliche in zerrissenen Jeans und billigen, rosa Kapuzensteppjacken. Die lungern mit Dosencola unter der Brücke rum, rauchen. Einige Meter weiter haben sich mehrere Obdachlose häuslich eingerichtet. Auch sie werden von den Polizisten befragt. Wohlfühlatmosphäre unter der Paulinenbrücke? Fehlanzeige.

 

Wo ist eigentlich dieser österreichische Platz?

Touristen, die nach Stuttgart kommen, kaufen sich als Erinnerung vielleicht einen Fernsehturm in Miniaturausgabe oder einen VfB-Fanschal. Erinnerungsstücke vom Österreichischen Platz hat die Stadt bislang nicht im Repertoire. In diesen marketingtechnisch bisher vernachlässigten Bereich springt seit Anfang dieser Woche der Verein Stadtlücken. Doch wer soll das wollen? Eine Erinnerung von einem Platz, der keiner ist. Das irritiert auch die meisten Passanten, welche an dem Stand vorbeilaufen, erzählt Sebastian Klawiter und freut sich, dass „die Ironie dahinter funktioniert“. „Keiner erwartet hier einen Souvenirstand“, sagt er an einem kühlen, grauen Oktobernachmittag vor seinem Bretterstand. Die Leute bleiben stehen und kaufen Postkarten, Fanschals, Tee und Feuerzeuge mit der Aufschrift „Österreichischer Platz“.

Eine Gruppe Stuttgarter Architekten, Stadtplaner und Künstler hat sich vorgenommen, den Österreichischen Platz und sein Umfeld zu verschönern. Zwei Wochen lang bespielen die Mitglieder von Stadtlücken den Platz unter der Brücke, um die Stuttgarter auf diesen Ort aufmerksam zu machen. „Wo ist eigentlich dieser Österreichische Platz?“ heißt das Projekt.

Das Projekt ist aus einer Masterarbeit heraus entstanden

Vor dem Souvenirstand gab und gibt es noch bis 23. Oktober Veranstaltungen mit Musik, Lichtinstallationen oder Teeverkauf. Die Stadtisten backen österreichische Plätzchen. Das hehre Ziel dahinter? „Wir wollen eine lebenswerte Stadt gestalten“, sagt der 30-jährige Klawiter, aus dessen Masterarbeit das Projekt entstanden ist. Während er ein paar Bretter festschraubt, erzählt der Absolvent der Kunstakademie, lebenswert sei ein Platz für ihn, wenn dort Fußgänger ihren Raum haben und ungestört flanieren können. Für ihn gehören aber auch die Obdachlosen dazu. „Sie haben dort ihr Wohnzimmer. Und das ist auch okay.“

Der Österreichische Platz befindet sich irgendwo versteckt zwischen der Bundesstraße, der Platz unter der Paulinenbrücke gilt als Unort. „Es ist die größte Stadtlücke in Stuttgart“, sagt der Architekt, „die Lücke schlechthin.“ Vor Ort können Passanten nun auf einer Tafel ihre Wünsche und Vorstellungen für den Platz notieren. „Angstraum“ steht da ebenso wie „bester Ort, um Siedler zu spielen“. Die Tafeln stehen ab sofort im zweiten Obergeschoss des Stuttgarter Rathauses, täglich wird die Ausstellung ergänzt. Beide Aktionen sollen die Stuttgarter anregen, über eine „alternative Nutzung“ des Platzes nachzudenken, wie Klawiter sagt.

Die Aktion könnte unter der Paulinenbrücke etwas in Bewegung bringen

Bezirksvorsteher Raiko Grieb ist Befürworter des Projekts. Er hat schon einen Fanschal gekauft und der Initiative Kontakte zur katholischen Marienkirche vermittelt – dort können die Helfer ihr Equipment abstellen oder sich kurz aufwärmen. „Ich hoffe, dass da nun was losgeht“, sagt Grieb. Für die Tübinger Straße an sich schwebt ihm langfristig eine Art Flaniermeile vor mit Läden und Cafés. Die Aktion könnte etwas in der Richtung „antriggern“, so hofft er. Einbringen kann sich bei dem 14-tägigen Programm unter der Brücke übrigens jeder.