Die Leiterin des Planungsstabs für das Stuttgarter Stadtmuseum, Anja Dauschek, wechselt Anfang kommenden Jahres überraschend nach Hamburg. Zuletzt hatte die CDU Zweifel angemeldet, ob das Wilhelmspalais nach ihren Vorstellungen bespielt werden soll.

Stuttgart - Schwerer Schlag für Stuttgart und seine Kulturverwaltung: die mit dem Aufbau des Stadtmuseums im Wilhelmspalais betraute Anja Dauschek verlässt ein Jahr vor der Eröffnung Stuttgart. Sie leitet vom 1. Januar 2017 an das Altonaer Museum in Hamburg. Die erfahrene Museumsberaterin und -planerin ist mit Zustimmung des Stiftungsrates der Historischen Museen Hamburg zur neuen Direktorin berufen worden.

 

Eine Stellungnahme von Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) zu diesem Wechsel zur Unzeit wird für den Nachmittag erwartet. Zuletzt war der Zeitplan ins Wanken geraten, weil die CDU-Fraktion im Gemeinderat zwei Ausschreibungen von der Tagesordnung hatte absetzen lassen: für die Besetzung der Museumsdirektion und eine für die Innenausstattung. Das musste verwundern, schließlich war die Planung vom Lenkungskreis erst in diesem Frühjahr freigegeben worden. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hatte dieses womöglich als Misstrauensvotum gewertete Vorgehen damit begründet, man wolle sich das Ergebnis des Planungsstabs nochmal in Ruhe ansehen und prüfen, ob es inhaltliche Änderungswünsche oder neue Bedürfnisse gebe. Kotz spricht die Forderung der Eventszene an, das Museum, wie vor dem Beginn des Umbaus, stärker unter gastronomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Bisher ist lediglich ein Café geplant, das mit dem Museum schließt, weil die Fluchtwege durch die Ausstellungsräume führen. Die Terrasse in Richtung Charlottenplatz weckt offenbar Begehrlichkeiten.

Die CDU zweifelt

Grundsätzlich stellt man sich bei der CDU die Frage, ob es das Ziel sein könne, jeden Stuttgarter nur einmal ins Museum zu locken oder ob man nicht versuchen sollte, durch Gastronomie und Fremdveranstaltungen einen Publikumsmagneten zu schaffen. Auch der als neuer Kulturbürgermeister gehandelte CDU-Stadtrat Fabian Mayer äußerte sich in diese Richtung. Dabei hat Dauschek immer betont, dass das großzügige Foyer mit dem Vortragssaal und Salon als Veranstaltungsort auch außerhalb der Öffnungszeiten mit bis zu 350 Personen genutzt werden könne. „Das Wilhelmspalais ist auch in diesem Sinne ein neuer öffentlicher Ort“, so die Leiterin des Planungsstabs.

Ob die Zweifel an der verabschiedeten Konzeption für die Entscheidung Dauscheks, nach Hamburg zu wechseln, überhaupt ausschlaggebend sind, ist derzeit nicht bekannt. Sie komme erst am Mittwoch wieder ins Büro, hieß es auf StZ-Anfrage.

OB Kuhn steht zur beschlossenen Konzeption

OB Fritz Kuhn hatte gegenüber der StZ in der vergangenen Woche noch betont: „Das Stadtmuseum ist beschlossen, es wird seit 2007 diskutiert, seit 2014 gibt es den Baubeschluss, und es wird gerade gebaut in der Konzeption, wie es beschlossen wurde.“ Er habe die Diskussion wahrgenommen, dass in der Stadt eine Diskussion entsteht, ob man das nicht noch breiter nutzen muss als nur durch Museumsarbeit und sich deshalb mit den Sachverständigen, dem Beirat und den Betroffenen zusammengesetzt. Klar sei, es bleibe ein Stadtmuseum. „Die Vorstellung, dass man etwas anders macht, hat keinen Wirklichkeitsgehalt.“ Nun nachträglich eine Küche einzubauen und den Etat auszuweiten, komme nicht in Frage.

Kulturstaatsrat Carsten Brosda ist überzeugt, die bundesweit anerkannte und erfahrene Museumsexpertin werde mit ihrer ausgezeichneten Expertise „die Weiterentwicklung des Altonaer Museums und die Neuausrichtung der stadtgeschichtlichen Museen in Hamburg um wichtige zeitgemäße Impulse bereichern und das Altonaer Museum weiter zu einem lebendigen Ort des gesellschaftlichen Austausches entwickeln.“

Dauschek ist seit 2007 in Stuttgart tätig

Anja Dauschek (49), promovierte Volkskundlerin mit dem Forschungsschwerpunkt „Management für kulturhistorische Museen“, koordiniert seit 2007 als Leiterin des Planungsstabs den Aufbau des Stadtmuseums Stuttgart. Sie habe damit eine offene und vernetzte Institution konzipiert, die nicht nur historisches Wissen vermitteln, sondern vor allem auch als Diskussionsort für Gegenwart und Zukunft fungieren solle, hat man in Hamburg festgestellt. Besonderes Augenmerk habe dabei auf der Migrationsgeschichte gelegen.

„Es ist eine große Ehre und eine ebensolche Herausforderung, das Altonaer Museum in die Zukunft führen zu dürfen“, wird Dauschek in einer Pressemitteilung der Historischen Museen zitiert. Sie freue sich darauf, gemeinsam mit dem Team des Museums die begonnene Neukonzeption des Hauses weiter voranzutreiben. „Das Altonaer Museum mit seiner langen und in den letzten Jahren durchaus wechselvollen Geschichte hat hervorragende Sammlungsbestände und ist in einem lebendigen und vielfältigen Umfeld situiert. Die gesellschaftliche Pluralität Altonas und die städtebauliche Entwicklung sind für mich dabei wichtige Ausgangspunkte in der Ausrichtung des Altonaer Museums.“

Dauschek ist eine erfahrene Museumsberaterin

Vor ihrer Tätigkeit in Stuttgart war Anja Dauschek als leitende Beraterin bei der international arbeitenden Museumsberatung LORD Cultural Resources tätig, die sich mit der Erstellung von Management-, Organisations- und Raumkonzeptionen für Museen beschäftigt. Während dieser Tätigkeit hat sie Projekte wie den Museumsentwicklungsplan für die Stadt Freiburg, die Besucherführung für das Dresdner Schloss, die Konzeption des Besucherzentrums für das Europäische Parlament in Brüssel und die Betriebsplanung des neuen BMW-Museums in München betreut. Dauschek wurde 1966 geboren und studierte zuerst Amerikanische Kulturgeschichte, Soziologie, Markt- und Werbepsychologie sowie Volkskunde an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität. Zum Studium der Museums Studies ging sie anschließend nach Washington DC. Sie ist Mitglied im Vorstand des Museumsverbandes Baden-Württemberg, im „Arbeitskreis Migration“ des Deutschen Museumsbundes und in der Kommission für das „Museumsgütesiegel“ des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen.

Als Dozentin lehrt sie im Weiterbildungsstudiengang Museumsmanagement an der FU Berlin sowie an der Universität Tübingen. An der Universität Freiburg erarbeitete sie das e-LearningModul „Museon“. Das Altonaer Museum ist neben dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Museum der Arbeit einer der zentralen Standorte der Stiftung Historische Museen Hamburg, zu der darüber hinaus das Hafenmuseum Hamburg, das Speicherstadtmuseum, das Jenisch Haus, das Heine Haus sowie die Kramer-Witwen-Wohnungen und die Millerntorwache gehören.

Das neue „Wohnzimmer der Stadt“

Der Gemeinderat hatte im November 2007 grundsätzlich beschlossen, ein Stadtmuseum einzurichten. Im Januar 2014 wurde dann der Bau beschlossen. Das Erdgeschoss mit Foyer, Veranstaltungssaal (110 Plätze) und Salon, das Café mit Terrasse im 1. OG und die Freibereiche im Garten bilden ein neues „Wohnzimmer der Stadt“ und bieten Raum für Veranstaltungen, Diskussionen und Events. Die ständige Ausstellung auf rund 900 Quadratmetern im 1. OG legt einen Schwerpunkt auf die Geschichte Stuttgarts im 19. und 20. Jahrhundert. Verschiedene Präsentationsformate eröffnen dem Publikum unterschiedliche Zugänge zu Geschichte und Gegenwart der Stadt. Im Zentrum der Ausstellung zeigt ein medial bespieltes Modell der heutigen Stuttgarter Gemarkung die besondere Topographie der Stadt und alle Stadtteile auf einen Blick. In „Stadtgesprächen“ rund um das Modell erleben die Besucher, was in Stuttgart für Gesprächsstoff sorgte und die Stadt noch heute prägt.

In den „Jahrhunderträumen“ erzählen Biographien, Objekte, Bilder, Fotos und Filme die Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und den Weg der Stadt von der kleinen Residenz zur industrialisierten und von Migration geprägten Großstadt. Die Migrationsgeschichte ist dabei ein zentraler Aspekt der Stadtgeschichte, die mit bewusstem Blick auf die Vielfalt der Stadt erzählt werden soll. Vermittlungsangebote für alle Altersstufen, Veranstaltungsreihen und Diskussionsangebote sind wesentliches Element der Museumskonzeption.

Platz für Sonderausstellungen ist im 2. OG auf 500 Quadratmetern. Hier sind pro Jahr zwei wechselnde Ausstellungen zu besonderen Aspekten der Stadtgeschichte und zu den Themenbereichen Baukultur, Design und Urbanität geplant.

Kinder und Jugendliche sind eine zentrale Zielgruppe des Stadtmuseums und haben mit dem „Stadtlabor“ ihren eigenen Bereich im Gartengeschoss. Hier steht baukulturelle Bildung im Mittelpunkt. Ende 2011 wurde das „Stadtlabor“ vorab in der Kriegsbergstraße 30 eröffnet, seitdem besuchten über 13.000 Kinder und Jugendliche Seminare, Workshops und Exkursionen in und über die Stadt. Das bestehende Angebot kann ab 2017 im Wilhelmspalais deutlich erweitert werden.