Die Stuttgarter Innenstadt ist bei Wohnungssuchenden beliebt. Doch die Vorstellungen, wie das Heim sein soll, könnten unterschiedlicher kaum sein.

Stuttgart - Als Antwort auf den anhaltenden Trend zu innerstädtischem Wohnen will die Stadtverwaltung beim Wohnungsbau verstärkt auf mehr Vielfalt beim Angebot wie auch bei der Bewohnerstruktur in Neubauten hinwirken. "Die Zeit der Großsiedlungen ist vorbei", sagte der Baubürgermeister Matthias Hahn am Mittwoch bei der Vorstellung der ersten repräsentativen städtischen Umfrage zu Lebensstilen und Wohnwünschen der Stuttgarter.

 

Die Zukunft liege im Bau unterschiedlichster Wohnungstypen vom Loft bis zur Standardwohnung und einer sozial gemischten Bewohnerschaft. "Es muss nicht ausgeschlossen sein, dass in einem Wohnprojekt nur eine geförderte Wohnung drin ist", sagte Hahn. Mit der vom Gemeinderat beschlossenen Wohnungsquote bei Neubauten schaffe man dafür neue Möglichkeiten.

Die Tatsache, dass laut Umfrage nach der am meisten begehrten Halbhöhenlage die Innenstadt mit 20 Prozent Zustimmung das beliebteste Wohngebiet ist, bestärkt die Stadt in ihrer bisherigen Politik der nachhaltigen Verbesserung des Wohnumfeldes insbesondere in den zunehmend gefragten innerstädtischen Bezirken. "Auch ein guter Teil derjenigen, die bisher in den äußeren Stadtbezirken leben, würden gerne in der Innenstadt leben.

Siedlungsplanung soll an Bedürfnisse angepasst werden

"Die Sehnsucht nach einem Wohnort in der Stadt ist eindeutig, doch die urbane Renaissance kein Selbstläufer", sagt der Leiter desStatistischen Amtes, Thomas Schwarz. Hahn kündigte als erste Maßnahme an, dass man zu den anstehenden Haushaltsberatungen dem Gemeinderat vorschlagen werde, die Stadtentwicklungspauschale zur raschen Finanzierung kleinerer Maßnahmen im öffentlichen Raum wie etwa Kinderspielflächen von 1,15 Millionen Euro auf 1,8 Millionen Euro zu erhöhen.

Zudem, so der Baubürgermeister, werde man in Konsequenz aus der Umfrage Siedlungen und Viertel verstärkt nach den sich wandelnden Bedürfnissen der Bevölkerung planen. So kreuzten nur noch 46 Prozent der Befragten, die jeweils zwei Varianten wählen durften, "Standardwohnen" als Wunsch an.

Ein Drittel plädierte für "gehobenes, großzügiges Wohnen", 29 Prozent für ökologisches Wohnen, 21 Prozent bevorzugen das "Wohnen im Altbau", und zwölf Prozent wünschen sich "experimentelles Wohnen" mit besonderer Architektur. "Nachhaltiges Bauen und Wohnen stoßen inzwischen auch in der Mittelschicht auf breite Akzeptanz", stellte Hahn fest.

Es gilt, die Leute in der Stadt zu halten

Für neuen Wohnungsbau böten sich neben der laufenden Nachverdichtung auf kleineren Flächen hochwertige Lagen an. Großes Potenzial sieht Hahn im neuen Stadtquartier Neckarpark in Bad Cannstatt, wo 450, nach seinem Wunsch auch bis zu 650 Wohnungen entstehen sollen, sowie in frei werdenden Klinikarealen wie dem Olgäle im Westen oder dem Bürgerhospital im Norden.

Langfristig biete das im Zuge von Stuttgart 21 geplante Rosensteinviertel das größte Potenzial, ebenso das Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof. Beide Viertel ermöglichen den Bau von 7500 bis 9000 Wohnungen. Hier seien kreative und innovative Ansiedlungsstrategien angesagt. Letztlich gilt es auch, die Leute in der Stadt zu halten, ein Fünftel der Befragten will in nächster Zeit umziehen.

Auch auf die Wohnbauförderung will die Stadt wieder mehr Gewicht legen und das Ziel von 300 auf 400 Einheiten anheben, nachdem ein Drittel der Befragten sich interessiert zeigte. "Es könnten deutlich mehr Menschen Förderprogramme in Anspruch nehmen", sagte Hahn im Blick auf die hohen Einkommensgrenzen von bis zu 80.000 Euro für eine vierköpfige Familie.

Lebensstile prägen auch die Wohnungswünsche

Umfrage Die Stadt hat mit der vom Statistischen Amt gemachten Umfrage Neuland betreten. Erstmals wurden repräsentativ nicht nur Daten zum Wohnen abgefragt, sondern auch Wünsche und Lebensstile, weil Letztere nach neueren Erkenntnissen zunehmend auch die Wahl des Wohnstandorts beeinflussen. Dass die Umfrage unter 7000Stuttgartern bereits 2008 gemacht und aus Personalgründen erst jetzt ausgewertet wurde, schmälert die Aussagekraft nach Aussage der Statistiker nicht. Vielmehr könne man daraus langfristige Trends ablesen.

Typen Die Bevölkerung wird bei der Umfrage in insgesamt neun Lebensführungstypen eingeteilt. Darunter sind "konservativ Gehobene" wie das klassische Besitzbürgertum ebenso vertreten wie "Reflexive" - als solche wird die akademisch geprägte Avantgarde mit globalem Lebensgefühl bezeichnet. Mit 26 Prozent bildet die Gruppe der "Aufstiegsorientierten", geprägt von Berufskarriere, Familie und Teilhabe an der allgemeinen Freizeitkultur, die größte Gruppe in Stuttgart.

Information Die Untersuchung zu den lebensstilspezifischen Wohnwünschen der Stuttgarter kostet als Heft vier Euro, als PDF-Datei drei Euro. Sie kann über die Stadt bezogen werden unter www.stuttgart.de/statistik-infosystem.