Füchse und andere Wildtiere fühlen sich immer wohler in Stuttgart. Den Menschen behagt das nicht.

Stuttgart - Das borstige Ungetüm soll den Jogger richtig erwischt haben. Von einer Verletzung am Bein ist die Rede unter Förstern und Mitarbeitern des Forstamts. Genaueres sei nicht bekannt, heißt es. Aber eine urbane Legende sei die Attacke, die sich vor zwei Monaten in Gerlingen ereignet hat, zumindest nicht. Hagen Dilling, Abteilungsleiter des Forstamtes, bestätigt den Vorfall. „Ich weiß nicht, warum es zu einer Konfrontation zwischen Mensch und Tier gekommen ist“, sagt er.

 

In Botnang haben die Fuchsjäger derweil wieder ihre Gewehre eingepackt. Auf dem Schulhof der Kirchhaldenschule haben sie nach einem Fuchsbau gesucht – vergeblich. Die regelmäßigen, aber unerwünschten Besucher kommen also gewissermaßen von auswärts. „Wenn ich aus meinem Bürofenster blicke, sehe ich in 500 Meter Entfernung den Wald“, sagt der Schulleiter Reinhold Sterra. Auch ohne Bau auf dem Schulgelände fühlen sich Füchse auf dem Pausenhof so wohl, dass sie bisweilen die Spiellandschaft für die Kinder belagern.

Der Fuchs hat sich an die Nähe zum Menschen gewöhnt

Vertreiben ließen sich die Tiere oft nicht, sagt Sterra. Sie scheinen ihre Scheu vor den Menschen verloren zu haben. Hans-Jörg Longin, Leiter des städtischen Vollzugsdiensts, bezeichnet Füchse konsequenterweise als „Stadttiere“. Es gibt Populationen sowohl im Rosenstein- als auch im Schlosspark. „Einzelne Exemplare nisten sich unter Terrassen ein“, sagt Longin. Auch das macht deutlich, dass der Fuchs sich an die Nähe zum Menschen gewöhnt hat. Für das Wildschwein ist das in Stuttgart noch nicht der Fall. „Wir haben Vorfälle nur am Stadtrand, besonders auf landwirtschaftlich genutzten Flächen“, sagt Hans-Jörg Longin.

Ob dies so bleibt, darüber will er nicht spekulieren. In Berlin wird über eine Wildschweinplage geklagt. Zeitungen titeln: „Schweine am Ku’damm“. Schweine auf der Königstraße sieht Longin noch lange nicht. Dennoch hätten die Berliner ähnliche Fehler bei den Schweinen begangen wie andere Großstädte bei den Füchsen. „Wir bereiten den Tieren ja einen gedeckten Tisch. Warum sollten sie in den Wäldern bleiben, wenn für sie das Leben in der Stadt viel angenehmer ist“, sagt Longin. Gerade im Sommer böten die Überreste von Grillfesten oder Partys den Tieren einen Schmaus.

Unachtsamer Umgang mit Lebensmitteln zum einen, Immunisierungen gegen Tollwut bei Füchsen und Schweinepest bei Wildschweinen zum anderen: Der Mensch schafft die Bedingungen für wachsende Populationen und ihre Expansion in neue Lebensräume. Er versucht, gewissermaßen präventiv, durch gezielten Abschuss in den Wäldern den unerwünschten Zustrom zu drosseln. „Bei Wildschweinen sind wir relativ erfolgreich in Stuttgart“, sagt Hagen Dilling vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Die Füchse hätten sich hingegen in Stuttgart bereits fest eingenistet, so Dilling.

„Die Reviere in der Natur sind eben schon besetzt“

Gefürchtet sind die mit Hunden verwandten Tiere vor allem wegen des Fuchsbandwurms, den sie mit dem Kot ausscheiden. Zwar sollen viele Menschen gegen ihn immun sein. Doch eine Infektion kann verheerende Folgen haben. In der Leber bilden sich blasenartige, mit Flüssigkeit gefüllte Zysten. Sie beginnen zu wachsen und sich zu teilen wie Krebszellen. Das endet mit Organversagen.

In Stuttgart gibt es keine Hinweise auf eine besondere Gefährdung durch diesen Parasiten. Dennoch beunruhigt das Auftauchen von Füchsen gerade in der Umgebung von Schulen wie der Kirchhaldenschule immer wieder. Ein Abschuss einzelner Füchse oder Wildschweine ändert nichts an dem Drang der Tiere in die Stadt. „Die Reviere in der Natur sind eben schon besetzt“ , sagt Hans-Jörg Longin.

Für die Wildschweine könnten die wirklich guten Zeiten sogar erst noch kommen. Je wärmer es aufgrund des Klimawandels wird, desto leichter werden die Tiere Nahrung finden und gedeihen, prophezeit die Forschung. Stuttgarts Jogger sollten sich also schon einmal in Acht nehmen.