Die SWSG saniert drei Häuser im Leonhardsviertel und reißt eines ab. Dazu gehört das ehemalige Finkennest. Es soll zur Kulturkneipe werden.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Für die Kulturinitiative Bohnenviertel ist die Nachricht eine Absage: In einem derzeit leer stehenden Haus an der Weberstraße wird für sie kein Platz sein. Das Haus mit der Nummer 11 d, einst Heimat der Kneipe Finkennest, wird grundsaniert. Im Erdgeschoss soll wieder eine Wirtschaft einziehen, wie es sich der Bezirksbeirat gewünscht hatte. Aber deren Betreiber „sind nicht wir“, sagt Axel Clesle, der künstlerische Leiter der Initiative. Die wollte Soziales mit Kunst verbinden. Sehbehinderte, die in den oberen Stockwerken wohnen, sollten im Erdgeschoss eine Kulturkneipe betreiben. Die Stadt hatte Interesse an der Idee bekundet.

 

Die Entscheidung fiel letztlich aber anders. Die Kulturkneipe wird eröffnen, der Name des Wirtes ist einstweilen unbekannt. Die städtische Tochtergesellschaft SWSG ist Eigentümerin des maroden Altbaus. Derzeit ist von ihr nur zu erfahren, dass der Vertrag unterschriftsreif, aber noch nicht unterschrieben ist. Bis dahin soll der Betreiber geheim bleiben.

Oberflächlich ist die Weberstraße 11 d nur ein weiteres Haus in der Stadtmitte, in dem eine weitere Kneipe eröffnet, aber dieses Haus ist ein Politikum. Dies schlicht, weil jedes Haus im Leonhardsviertel ein Politikum ist, der Furcht wegen, dass es der Rotlichtbranche anheim fallen könnte. Drei jener vier Häuser hatte die Stadt sich gesichert, um sie später der SWSG zu übertragen. Dies unter hörbarem Protest. 1700 Stuttgarter unterschrieben eine Online-Petition gegen die Übertragung, weil der SWSG in der Vergangenheit peinliche Pannen unterliefen: Sie verkaufte Häuser, deren neue Besitzer trotz Verbots flugs Bordelle eröffneten. Prominentestes Beispiel war die Leonhardstraße 16. Erst nach jahrelangem Rechtsstreit gelang es, den illegalen Betrieb in jenem Haus zu schließen.

Zustand des einstigen Bordells ist „mehr als katastrophal“

Die Weberstraße 11 d, 11 c und die Jakobstraße 6 sind der SWSG auf diese Art zugefallen, die Jakobstraße 4 kaufte sie direkt vom Eigentümer. Dieses Haus ist das einzige des Quartetts, in dem Frauen – bis vor einigen Jahren – Freier bedienten. Unter welchen Umständen, offenbart sein Zustand. Der ist „mehr als katastrophal“, sagt der SWSG-Geschäftsführer Helmuth Caesar. „Wir können nur einen Neubau hinstellen.“ Was vergleichsweise problemlos möglich ist, weil das Haus zu den rund 50 Prozent im Viertel gehört, die nicht unter Denkmalschutz stehen.

Ob dieses Geschäft sich je rentiert, scheint fraglich. Das Grundstück ist ganze 40 Quadratmeter klein, und der Neubau soll sich in die Nachbarschaft einfügen. Rund 80 Quadratmeter neue Wohnfläche sehen die Pläne der SWSG vor, verteilt auf zwei Einzimmer-Apartments und eine Maisonette-Wohnung. Im Vergleich dazu ist die Investition ins Nachbarhaus trotz Denkmalschutz ein Schnäppchen. Das Erdgeschoss ist Heimat der Kneipe Jakobstube. Die oberen Stockwerke sind bewohnt. Das Dach muss neu gedeckt, die Fassade renoviert werden. Ähnliches gilt für die Weberstraße 11 c.

Das Finkennest wird wiederbelebt

Ganz anders das Haus, in dem Hakim Schommers sich im Herbst 2014 mit einer Party von seinen Gästen verabschiedet hat. Der Bau „ist derzeit nicht verkehrssicher“, sagt Cäsar. „Wir konnten nicht weitervermieten.“ Dafür hätte es Interessenten gegeben, die zwischen der Schließung des Finkennests und dem Baubeginn einen zeitweisen Kulturbetrieb eröffnen wollten. Das Erdgeschoss wird vollständig umgebaut, innen wie außen. Die Heizung, die Elektrik, in den Wohnungen die Bäder müssen erneuert werden. Das Dach wird wärmegedämmt. Die Arbeit soll im April beginnen.

Obwohl die Fenster künftig bis zum Bolden reichen sollen, fürchtet die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, „dass dort ein dunkles Raucherlokal“ entsteht. Wünschenswert sei ein Gastronom, der das Viertel auch tagsüber belebt. Für das Konzept einschließlich der Öffnungszeiten gilt selbstredend Gleiches wie für den Namen des künftigen Pächters – einstweilen sind sie noch geheim.