Die Kosten für eine schöneres Hospitalviertel steigen erneut. Die Stadt will an der Optik sparen. Das halten nicht nur Bezirksbeiräte für schnöde.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Hier soll ein Kleinod verschandelt werden. So sieht es jedenfalls die Mehrheit des Bezirksbeirats Mitte. Damit sind die Lokalpolitiker nicht allein, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird diese Meinung sich mindestens in architektonischen Fachkreisen ebenfalls als die der Mehrheit durchsetzen.

 

Der neue Hospitalhof, erbaut mit 23 Millionen Euro Kirchengeld und nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht im April, ist weit über Stuttgart hinaus bekannt und gelobt. Das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung würdigte ihn jüngst in einer Ode an gelungene Stadtplanung als leuchtendes Vorbild, von dem andere Städte lernen sollten. Nebenbei verdammte das Blatt die derzeit in Stuttgart wachsenden Einkaufstempel samt und sonders als „städtebaulichen Regelfall von Selbstverstümmelung“.

Der Preis stieg um mehr als 80 Prozent

Einen solchen fürchten die Bezirksbeiräte nun für die Umgebung des gelobten Neubaus. Der Platz vor und die Straßen um ihn herum sollen ebenfalls runderneuert werden. Im Herbst sollen die Bauarbeiten beginnen. Die Pläne sind längst fertig und beinhalten sogar eine kleine Fußgängerzone, die ursprünglich als unmöglich galt. Bislang scheiterte die Verwirklichung am Geld. Die Entwicklung des voraussichtlichen Preises ist eine Peinlichkeit für die Planer im Rathaus. Ursprünglich waren rund zwei Millionen Euro Kosten kalkuliert. Im vergangenen Dezember überbrachten die Amtmänner die Botschaft, es würden wohl gut drei Millionen. Unter dem Strich der jüngsten Rechnung stehen nun 3,7 Millionen Euro. Macht von der ersten bis zur vorerst letzten Rechnung eine Kostensteigerung von mehr als 80 Prozent.

Die will das Tiefbauamt zumindest teilweise an der Optik einsparen. Als Belag waren bisher die sogenannte Stuttgarter Platte – der Belag der Königstraße – plus einem wasserdurchlässigen Belag vorgesehen, im Planerdeutsch Sickerpflaster. Ein Umstieg auf Beton und Asphalt soll 106 000 Euro sparen. Rund um einen Bau, der sogar Ziel architektonischer Führungen ist, empfindet dies die große Mehrheit der Bezirksbeiräte aber als schnöde Billiglösung.

Mit der Meinung, dass eine Ersparnis von „100 000 Euro eine ganze Menge Geld ist“, war der CDU-Sprecher Andreas Müller sogar in seiner Fraktion allein. Im Gegensatz zum Sozialdemokraten Stephan Quadt: „Für uns Wasserbauer“, sagte der studierte Wasserbauer, „ist Asphalt die Tünche, mit der alles zugeschmiert wird.“ Weshalb die Beiräte den Sparplan nicht nur aus optischen Gründen ablehnten, auch des Kleinklimas wegen. Um bis zu fünf Grad steige die Temperatur in der Umgebung an heißen Tagen, wenn statt eines wasserdurchlässigen Belags Asphalt verwendet werde, sagte Quadt.

Die Stadt soll um eine milde Gabe bitten

So dringlich schien dem Gremium das Anliegen, dass sogar die Idee diskutiert wurde, die Stadt möge bei den Gewerbetreibenden des Quartiers um milde Gaben bitten. Abseits optischer und praktischer Argumente sprechen gleichsam auch die Regeln der Fairness für den ursprünglichen Plan. Nach der ersten Kostensteigerung hatte der Bezirksbeirat Mitte aus seinem Etat für die Stadtverschönerung 450 000 Euro geopfert und zwei andere Projekte abgesagt, damit das Vorhaben wie geplant verwirklicht wird. Das Forum Hospitalviertel – eine Art Bürgerverein – hat sich zehn Jahre lang mit Engagement, Mühe und Bürgerbeteiligung um das Projekt bemüht. Die evangelische Kirche schießt 85 500 Euro zu. Dafür belegt die Stadt einen Teil ihres Grundbesitzes, aber der Beschluss für die Ausgabe fiel vor allem, weil „wir ein schönes Gesamtbild wollen“, sagt der Kirchenpfleger Hermann Beck. „Es soll alles aus einem Guss sein“. Auch er lehnt den Sparplan ab.

Nach der nunmehr zweiten Korrektur der Kalkulation sollte sich schließlich auch ein durchaus nennenswerter Kostenposten erledigt haben. So reklamierte es der Liberale Christian Wulf. 170 000 Euro stehen als letzte Zahl über dem Strich auf der Rechnung – für „Unvorhergesehenes“.