Die Stadtwerke Schwäbisch Hall entsprechen nicht dem klassischen Bild eines Stadtwerks. Sie haben sich um den Netzbetrieb der Landeshauptstadt Stuttgart beworben – mit zahlreichen anderen kommunalen Versorgern.

Schwäbisch Hall - Halls Stadtwerkechef, Johannes van Bergen, residiert in einem modernen Turm hoch über dem Kocher in Schwäbisch Hall. Wasserkraft spielt im Energiemix der Stadtwerke eine eher kleine Rolle, erneuerbare Energien spielen aber eine große. Sein Engagement dafür hat dem Geschäftsführer der städtischen Tochter jüngst mehrere Auszeichnungen eingebracht: van Bergen, 63, ist laut Deutscher Umwelthilfe „Vorreiter der Energiewende“, 2012 war er „Energiemanager des Jahres“, die Stadt Schwäbisch Hall „Energiekommune des Jahres“.

 

Dem weißhaarigen Zweimetermann im dunklen Nadelstreifenanzug sind Ehrungen, so der Eindruck, nicht so wichtig. Er will Ergebnisse. Seit 23 Jahren ist der aus Kleve stammende van Bergen Chef in Hall, hat aus den Stadtwerken ein Unternehmen mit rund 500 Mitarbeitern gemacht, den Umsatz allein von 2010 auf 2011 um 34,1 Prozent auf 236,5 Millionen Euro gesteigert. „Uns kann man nicht mit den Stadtwerken der alten Zeit vergleichen“, sagt er selbstbewusst, „unser Markt ist Deutschland, zum Teil auch das Ausland.“

Zwölffacher Geschäftsführer

Dafür hat der Elektro- und Kraftwerkstechniker das Unternehmen fit gemacht. In Hall werden unter anderen 500.000 Kunden der drei großen Ökostromanbieter Greenpeace Energy, Natur-Strom-Handel und der Elektrizitätswerke Schönau Vertriebs GmbH betreut. 30 Prozent des abgesetzten Stroms erzeugen die Stadtwerke aus erneuerbaren Energien, vor allem mit Fotovoltaik und Biomasse. Bis 2030 soll dies zu 100 Prozent der Fall sein. Ein dichtes Netz mit kommunalen Kooperationspartnern ist geknüpft, das Haller Erfolgsmodell auf andere Stadtwerke übertragen worden: van Bergen ist zwölffacher Geschäftsführer, es gibt 27 Beteiligungen.

Wer sich als „Motor der Energiewende“ versteht, weiß, was er will – und was nicht. „Das ist Quatsch“, sagt van Bergen, wenn ihm etwas gegen den Strich geht, und unterstreicht den Satz mit einer energischen Handbewegung. „Quatsch“ sei zum Beispiel, einen Offshore-Windpark 100 Kilometer vor der Küste zu bauen, wie es die Südweststrom-Geschäftsführerin Bettina Morlok plante. „Quatsch“ sei die Erwartung, Windräder würden im Südwesten nennenswert zum Energiemix beitragen: „Die Dominanz der Naturschützer ist so festgeschrieben, dass hier nichts passieren wird“, glaubt van Bergen.

Mit den Genossen über Kreuz

„Quatsch“ sei auch die Haltung der Landes-SPD, die angesichts der in Stuttgart anstehenden neuen Konzessionsverträge für die Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärmenetze vor der Zersplitterung der Verteilernetze gewarnt hat. Dies, so sagen die Sozialdemokraten, gehe zu Lasten der Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität.

Kein Wunder, dass van Bergen, selbst SPD-Mitglied, bei diesem Thema mit seinen Genossen über Kreuz liegt. Denn die Stadtwerke Schwäbisch Hall haben mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), an denen sie zu 50 Prozent beteiligt sind, ihrerseits den Hut in den Ring geworfen. Weitere Kandidaten sind Alliander, der größte kommunale Strom- und Gasnetzbetreiber der Niederlande, der kommunale Energieverbund Thüga – und die EnBW.

Millionenschwere Investitionen

Die Berliner Kanzlei Becker Büttner Held leitet das Vergabeverfahren – „transparent und diskriminierungsfrei“. Die Kriterien, so ihr Sprecher Sascha Michaels im Online-Portal der Stadt Stuttgart, sind Sicherheit der Versorgung, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz, Umweltfreundlichkeit und zunehmender Einsatz erneuerbarer Energien.

Van Bergen zufolge sind Investitionen von 400 Millionen Euro in die Stuttgarter Netze nötig, 130 Millionen Euro davon aus Eigenkapital: „Das ist eine Größenordnung, die wir nicht können.“ Weitere Partner müssten an Bord, will man konkurrenzfähig sein. Wer? Auf die Nachfrage hin hält sich Johannes van Bergen untypisch bedeckt und sagt nur: „Es ist geplant, dass sich weitere Stadtwerke dem Antrag von EWS und den Stadtwerken Schwäbisch Hall anschließen.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass der kommunale Verbund den Zuschlag in der Landeshauptstadt bekommt, liegt nach Einschätzung des Haller Stadtwerkechefs bei 50 Prozent. Van Bergen verfolgt inzwischen ein neues Projekt. Der Berliner Senat schreibt derzeit die Konzession für die Netze der Hauptstadt aus: „Ich gehe da mal als Platzhalter rein.“