Am Montag präsentiert OB Schuster Details zur Gründung eines kommunalen Versorgers. Die neuen Stadtwerke sollen Strom und Gas liefern.

Stuttgart - Alles neu macht der Mai - sagt der Volksmund. Das soll er in Stuttgart auch für die Rekommunalisierung der Wasser- und Energieversorgung: Am 12. Mai wird der Gemeinderat die Gründung der neuen Stadtwerke Stuttgart beschließen. Bereits am Montag werden Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und sein Stadtkämmerer Michael Föll die Details dazu der Öffentlichkeit präsentieren. Seit Monaten arbeitet die Stadt an diesem Plan. Bis zum Sommer soll der Entwurf eines Gesellschaftsvertrages für die städtische Tochterfirma konkret vorliegen. Diese übernimmt die Produktion, den Kauf und den Vertrieb von Gas und Strom und ist auch für die Versorgungsnetze zuständig. "Zunächst muss ein qualifizierter Geschäftsführer gesucht werden", sagt SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter. Infrage kämen für diese wichtige Aufgabe nur Spitzenkräfte mit viel Erfahrung auf dem Gebiet der kommunalen Daseinsvorsorge.

 

Die neuen Stadtwerke sollen den Bürgern Strom und Gas liefern, aber nicht das Wasser: Dafür soll ein rein kommunaler Eigenbetrieb entstehen, der auch den bereits bestehenden städtischen Betrieb Stadtentwässerung Stuttgart (SES) übernehmen soll, der bis jetzt unter der Regie des Tiefbauamts steht. In Sachen Wasserversorgung hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt bereits im vergangenen Jahr die Ziele des Bürgerbegehrens "Hundertwasser" nach einem vollständigen Rückkauf des Wassernetzes und der Bezugsrechte übernommen.

Zukünftig günstigere Wasserpreise?

Diese Konstruktion findet Zustimmung. "Ein kommunaler Eigenbetrieb Wasser kann wirtschaftlicher als eine GmbH kalkulieren, weil er nicht mehrwertsteuerpflichtig ist", so der Grünen-Stadtrat Peter Pätzold. Das ermögliche einen für die Bürger günstigeren Wasserpreis.

Um die genannten Ziele zu erreichen, "wird die Verwaltung beauftragt, mit der Energie Baden Württemberg (EnBW) entsprechende Verhandlungen zur Übernahme der Wasserversorgung einschließlich der Wasserbezugsrechte sowie zur Überlassung der Versorgungsnetze für Strom und Gas vorzunehmen", heißt es in der bis jetzt noch unter Verschluss gehaltenen Verwaltungsvorlage. Die Gespräche mit der EnBW gelten im Rathaus als die höchste Hürde auf dem Weg zu neuen Stadtwerken. Zum 1.Oktober 2003 hatte die Stadt im Zuge des Zusammenschlusses der Neckarwerke Stuttgart (NWS) mit der EnBW ihre Energie-Aktien für 2,3 Milliarden Euro an den Konzern verkauft. Seitdem besitzt die EnBW nicht nur das Stuttgarter Strom- und Gasnetz, sondern auch das Wassernetz mit den Bezugsrechten und den einst städtischen Anteilen an der Landeswasser- und der Bodensee-Wasserversorgung. Bereits im Frühjahr hatte die Landeshauptstadt öffentlich bekanntgegeben, dass sie den mit der EnBW im April 1994 abgeschlossenen Konzessionsvertrag für die Versorgung der Stadt mit Gas, Wasser und Strom Ende 2013 nicht verlängern wird. Dieser brachte der Stadtkasse rund 50 Millionen Euro im Jahr ein. Seitdem können sich andere Energieunternehmen um die Konzessionen oder um Beteiligungen bewerben.

Im Mai Startschuss für neue Stadtwerke

Die Stadt will die Konzessionen aber behalten und Dritte an den eigenen Stadtwerken höchstens mit einem Anteil von 49 Prozent beteiligen. "Das Ziel der Stadt muss es sein, alle Netze zurückzukaufen und die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom wieder selbst in die Hand zu nehmen", so Kanzleiter. Die Kommune müsse energiepolitisch das Sagen haben. Den Wert der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Wasser habe ein Gutachter auf rund 340 Millionen Euro geschätzt. Für den Rückkauf läge mit rund 650 Millionen Euro genug Geld auf der hohen Kante, so Kanzleiter. Den zusätzlichen Erwerb des Fernwärmnetzes, das von den EnBW-Kraftwerken Münster, Gaisburg und Altbach gespeist werde, hält er für zu teuer. "Unsere Stadtwerke müssen aber dezentrale Nahwärmeinseln an das EnBW-Netz anschließen können."

Der SPD-Experte denkt aber noch einen Schritt weiter. Noch sei offen, wie die Zukunft der EnBW nach dem Rückkauf des EDF-Aktienanteils durchs Land aussehe. Es müsse geklärt werden, ob die Stuttgarter EnBW Regional AG aus dem Konzern herausgelöst werden und die Basis einer regionalen Netzgesellschaft bilden könne.

Ökologische Partnerschaft mit den Kommunen

Stuttgart könne sich diesen rund 2,5 Milliarden teuren Kauf zusammen mit einigen anderen Stadtwerken in der Region leisten. Kanzleiter rechnet damit, dass die neue Landesregierung den Atomkonzern EnBW gründlich umbauen wolle und dafür eine ökologische Partnerschaft mit den Kommunen anstrebe. "Die EnBW muss in Zukunft ein Partner der Kommunen sein und darf nicht mehr als Monopolist auftreten", sagt Peter Pätzold aus Sicht der Grünen. "In diesem Zusammenhang ist auch der Kauf der Stuttgarter EnBW Regional AG eine Option, die man prüfen muss."

Mit der Kommunalpartner GmbH, einer Beteiligungsgesellschaft von sechs Stadtwerken im Land, gibt es bereits einen Interessenten für eine Partnerschaft mit Stuttgart. "Wir möchten unser Wissen über den Aufbau und Betrieb von Stadtwerken einbringen und uns als Minderheitsgesellschafter beteiligen", sagt Torsten Schwarz, Geschäftsführer des Unternehmens. In Stuttgart lasse sich durch ein kommunales Energieunternehmen viel zum Wohl der Bürger bewegen. "Wir wissen, was der Neuaufbau von Stadtwerken bedeutet, weil wir schon viele mitgegründet haben." Die Initiative Kommunale Stadtwerke Stuttgart hat das Rathaus aufgefordert, die Bürger an der Planung der kommunalen Energieversorgung zu beteiligen.

Info: Ihre Vorstellungen zu einem "Bürgergutachten durch Planungszellen" will die Initiative Kommunale Stadtwerke Stuttgart am Samstag, 14. Mai, 10 bis 16.30 Uhr im Treffpunkt Rotebühlplatz vorstellen. Interessenten können sich unter 0711/4792840 anmelden.

Hintergrund: Der Fahrplan

Mai 2011
Grundsatzentscheidung zur Gründung von Stadtwerken im Gemeinderat. 

Sommer 2011
Verhandlungen zwischen der Stadt und der ENBW über den Rückkauf der Versorgungsnetze.

2012
Aufbau des Vertriebs mit Kundenmanagement – bis 2028 sollen mehr als 31.000 Haushalte als Kunden für die Stadtwerke. Stuttgart gewonnen werden.

Mitte 2012
erste lokale und regionale Investitionen zur Erzeugung von Ökostrom aus erneuerbaren Energien (Fotovoltaik, Wind, Erdwärme). Beteiligungen an überregionalen Projekten, etwa an Windparks in der Nordsee. Ende 2013: Abschluss neuer Konzessionsverträge für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme.

2014
Die städtischen Wasserwerke Stuttgart gehen in Betrieb, Start der neuen kommunalen Netzgesellschaft für Strom und Gas.