Die Stadtwerke Stuttgart und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) betreiben künftig das Stromnetz gemeinsam. Die Kunden könnten von 2016 an von niedrigeren Durchleitungspreisen profitieren. 300 Mitarbeiter wechseln den Arbeitgeber.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Bisher haben sich die neuen Partner nur am Telefon kurz beglückwünscht – vor der endgültigen Entscheidung am 13. März im Gemeinderat wollen die Stadtwerke Stuttgart und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) nichts tun, was noch Unglück bringen kann. Nicht einmal das Angebot des anderen für das Strom- und Gasnetz ist bekannt.

 

Die grobe Richtung, wohin das neue gemeinsame Unternehmen steuern wird, ist aber bekannt. Zunächst einmal werden vermutlich die EnBW beide Netze wie bisher weiterführen, und zwar über einen Pachtvertrag. Nach der parallel laufenden Entflechtung soll das Stromnetz dann zum 1. Januar 2016 auf die Betreibergesellschaft aus Stadtwerken und EnBW übergehen, beim Gasnetz wird das erst am 1. Januar 2019 der Fall sein. Wie hoch die Entflechtungskosten sind, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Die EnBW sprach im Bewerbungsverfahren von bis zu 70 Millionen Euro, wohl, um Konkurrenten abzuschrecken. Jetzt gab OB Fritz Kuhn acht Millionen Euro an, was Experten aber immer noch als zu hoch erachten.

Die Versorger kalkulieren „postleitzahlenscharf“

Spannend wird es also beim Strom Anfang 2016. Denn erstens gelten dann neue Durchleitungspreise, was zum Fallen des Strompreises für den Endkunden führen könnte – und zwar nicht nur für die Kunden der Stadtwerke Stuttgart. Die Konkurrenz in Großstädten wie Stuttgart sei so groß, dass alle Versorger „postleitzahlenscharf“ Preise kalkulieren, heißt es – sehr viele würden den Kostenvorteil weitergeben.

Zweitens können die neuen Partner dann damit beginnen, die Netze so umzubauen, dass diese die Energiewende befördern. Michael Maxelon, der Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart, denkt zum Beispiel an eine intelligente Laststeuerung, die vor allem bei Industriebetrieben den Stromverbrauch deutlich senken könnte: So könnte einmal ein Kühlhaus selbst steuern, wie viel Strom es benötigt. Steffen Ringwald, der Chef der Netze BW, der früheren EnBW Regional AG, könnte sich vorstellen, dass man in allen Stadtbezirken die Bedürfnisse der Bürger abfragt, neue Baugebiete berücksichtigt und daraus eine Infrastrukturplanung entwickelt.

Die neuen Partner freuen sich auf die Zusammenarbeit

„Da müssen aber alle zusammenschaffen“, sagt er und betont nochmals, dass die EnBW bereit sei, sich gemeinsam mit den Stadtwerken für Stuttgart einzusetzen. Michael Maxelon hört das gerne: Man freue sich auf die Kooperation und wolle „auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten.

Rund 300 Mitarbeiter sind bei der EnBW für die Stuttgarter Netze zuständig – sie werden vermutlich in die neue Betriebsgesellschaft aus Stadtwerken und EnBW wechseln. Michael Maxelon betont, dass der Besitzstand der Mitarbeiter gewahrt werden müsse, und zwar unbegrenzt: „Der Wettbewerb um die Konzessionen darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden“, so Maxelon. Laut Steffen Ringwald waren viele Angestellte sehr verunsichert; er hofft, dass diese schwierige Zeit nun aber vorbei ist. Rund 96 Millionen Euro bringt die Stadt Stuttgart an Eigenkapital in das Kooperationsunternehmen ein; hochgerechnet müssten die Netze also rund 320 Millionen Euro wert sein. Im Jahr 2010 hat der Gutachter der Stadt, Horváth & Partners, den Kaufpreis für das Strom- und Gasnetz auf 185 Millionen Euro beziffert.

Alt-OB wehrt sich gegen Kritik an EnBW-Anteile-Verkauf

Zu Wort gemeldet hat sich in der Netzfrage auch der frühere OB Wolfgang Schuster: „Das Ergebnis, das Fritz Kuhn ausgehandelt hat, ist ein kluger Kompromiss“, lobt der schwarze Ex-OB den grünen Nachfolger. Zugleich verteidigte er die Entscheidungen um das Jahr 2000, die Energieaktien der Stadt an die EnBW zu verkaufen. Hätte man diese gehalten, so Schuster, wäre Stuttgart heute Mitbesitzer von drei Kernkraftwerken, die kaum noch etwas wert seien; und die Stadt wäre um zwei Milliarden Euro ärmer: „Diese Entscheidung war nicht der größte Fehler des Gemeinderates seit 1945, wie behauptet wird, sondern die beste Entscheidung, die der Gemeinderat je getroffen hat“, so der Alt-Oberbürgermeister.