Nach der Gründung der Stadtwerke in Stuttgart geht bei Belegschaft der Regional AG, eine Tochter der EnBW, Angst vor der Zukunft um.

Stuttgart - EnBW - Energie braucht Impulse" steht auf der Tür eines Transporters auf dem Betriebshof des Strom-und Gaskonzerns an der Hackstraße im Osten. Nach dem Beschluss des Stuttgarter Gemeinderates, eigene Stadtwerke zu gründen, brauchen allerdings vor allem die fast mehr als 3500 Beschäftigten der Stuttgarter EnBW Regional AG (REG) neue Impulse. "Viele meiner Kollegen sind total verunsichert", sagt Heidi Holzhay, REG-Betriebsratsvorsitzende beim Netzbetrieb Stuttgart. Denn es sei klar, dass die Stadt die Ende 2013 auslaufenden Konzessionen für Strom, Wasser und Erdgas nicht mehr an die EnBW vergeben werde.

 

"Die Belegschaft ist beunruhigt, niemand weiß, was mit unseren Arbeitsplätzen geschieht", betont Arnold Messner, Vorsitzender des REG-Gesamtbetriebsrates. Von den Beschäftigten der REG arbeite etwa ein knappes Drittel nur für die Landeshauptstadt. Stuttgart habe natürlich das Recht, eigene Stadtwerke zu gründen und deren energiepolitischen Kurs zu bestimmen. "Aber der Rückkauf des Gas-, Wasser- und Stromnetzes bedroht bei uns viele Arbeitsplätze", so Messner. Den Beschäftigten, die bis jetzt auch die Energie- und Wasserversorgung der Landeshauptstadt gut organisiert hätten, müsse rasch eine klare Zukunftsperspektive aufgezeigt werden.

"Am besten wäre es, wenn alles so bliebe"

"Wir sind nicht gegen Veränderungen, aber bitte mit uns und nicht gegen uns", sagt Holzhay. Unter diesem Motto hätten am 26. Mai, als der Gemeinderat mit großer Mehrheit die Gründung von Stadtwerken beschlossen habe, rund 2500 Mitarbeiter auf dem Marktplatz demonstriert. Nach dem Stadtwerkebeschluss, dem Aktienrückkauf des Landes von der Électricité de France und der von der Bundesregierung nach Fukushima beschlossenen Energiewende wüssten viele EnBW-Beschäftigte überhaupt nicht mehr, wohin die Reise gehe. "Wir möchten nicht, dass die REG aufgespalten wird", betont der Betriebsratschef Messner. "Nach meiner Ansicht wäre eine Beteiligung der EnBW an den Stadtwerken Stuttgart eine gute Lösung." Aber im Gemeinderat gebe es den Trend, andere Energiepartner an Bord zu holen oder das Wasser- und Energiegeschäft ganz in kommunaler Hand zu betreiben. "In diesem Fall befürchten viele Kolleginnen und Kollegen, dass sie als städtische Mitarbeiter zu erheblich schlechteren Bedingungen arbeiten müssen", so Holzhay.

"Ich habe in puncto Zukunft kein besonders gutes Gefühl", sagt der Signalanlagentechniker Christoph Schmitz. "Am besten wäre es, wenn alles so bliebe", ergänzt sein Kollege Sven Mangelsen. "Denn wir sind hier ein eingespieltes Team, das gut mit den Ansprechpartnern bei der Stadt kooperiert."

Der Wettbewerb setzt eine Lohnspirale nach unten in Kraft

Einem Vertrag als bloßer technischer Dienstleister der Stadtwerke können die REG-Betriebsräte nichts abgewinnen. "Solche Vereinbarungen sind alle fünf Jahre neu auszuschreiben", so Holzhay. Der damit verbundene Wettbewerb setze eine Lohnspirale nach unten in Kraft und führe zum Abbau von vielen Arbeitsplätzen.

"Besser als wir kann niemand die Netze betreuen", sagt der REG-Bauleiter Hans Baumer selbstbewusst. "Das Wassernetz ist prima in Schuss und der Preis seit Jahren stabil. Uns wird überall bescheinigt, dass wir eine gute Arbeit leisten." Nur wenige schimpften auf den Atomkonzern EnBW, den es praktisch nicht mehr gebe.

Der Betriebsrat setzt auf mehr Kooperation

"Unsere Beschäftigten haben keine Probleme mit der Energiewende", ergänzt Messner. Gerade der offiziell verkündete Umstieg auf erneuerbare Energien mit neuen Dienstleistungen für die Bürger verlange motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, etwa beim Aufbau der in Stuttgart erwünschten dezentralen Ökostromerzeugung. In Sachen Energiewende müssten auch im Land rasch die politischen Weichen gestellt werden. "Die Landesregierung muss klarstellen, welche Rolle die EnBW, die sich nun ja fast vollständig in öffentlicher Hand befindet, übernehmen soll", fordert Messner. Der Betriebsrat setzt auf mehr Kooperation. "Stadtwerke könnten ja auch EnBW-Anteile erwerben."

Messner hofft, dass sich bei den Verhandlungen zwischen Stadt und EnBW über den Rückkauf der Netze sichere Zukunftsaussichten für die Belegschaft ergeben. "Falls nicht, dann melden sich wir uns wieder deutlich zu Wort."

Betreuerin von Strom-, Gas- und Wassernetzen

EnBW AG: Der Energiekonzern befindet sich seit dem Rückkauf des Aktienpakets der Électricité de France zu 90,2 Prozent im Besitz des Landes Baden-Württemberg und der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke. Der Umsatz betrug 2010 rund 17,5 Milliarden Euro.

Regional AG: Die Tochtergesellschaft der EnBW beschäftigt fast 3700 Mitarbeiter und bedient mehr als drei Millionen Haushalte. Allein am Hauptstandort Stuttgart arbeiten rund 2000 Beschäftigte.

Aufgaben: Die Regionalgesellschaft ist als größter Netzbetreiber im Land für den Zugang und die Betreuung der konzerneigenen Strom- und Gasverteilnetze im Land verantwortlich. Außerdem werden für viele Städte und Gemeinden im Land kommunale Dienstleistungen in den Bereichen Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation erbracht.

Netze: Das aus Hochspannungstrassen, Mittel- und Niederspannungsleitungen bestehende Stromnetz im Land ist über 100.000 Kilometer lang. Erdgas fließt durch ein 4500 Kilometer langes Rohrnetz zu den Kunden. In Stuttgart besitzt die REG noch das 2500 Kilometer lange Wassernetz der Landeshauptstadt.