Vor einiger Zeit hat der SPD-Politiker Peter Conradi in einem StZ-Beitrag die Idee ins Spiel gebracht, dass Bürger einen Immobilienfonds gründen sollen. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus.

Stuttgart - Mit seinem Gastbeitrag in der Stuttgarter Zeitung hatte Peter Conradi (SPD) sicherlich nicht die Intention, neue Freunde zu finden. Es sind Sätze wie „Diese Investoren leben nicht hier; unsere Stadt ist ihnen egal, sie interessieren sich allein für die Rendite“ oder „So schreitet die Banalisierung der Stadt fort, und es bedarf großer Anstrengungen, angesichts dieser Tendenz auf architektonische und städtebauliche Qualität zu dringen“, mit denen der ehemalige Präsident der Bundesarchitektenkammer auf ein aus seiner Sicht akutes Problem hinweist: Möglichst große Flächen werden zu möglichst hohen Preisen verkauft. Das Ergebnis sind kurzfristige Investitionen in Betongold anstelle langfristiger Stadtentwicklung im Interesse der Bürger. Als Lösung schlägt Conradi einen von Stuttgarter Bürgern getragenen Immobilienfonds vor – ein Gegenentwurf zum Großinvestor.

 

„Das Problem ist, dass Investoren an das eigene Gebäude und nicht an den öffentlichen Raum denken“, sagt der emeritierte Professor für Architektur und Wohnsoziologie der Uni Stuttgart, Tilman Harlander. „Dieses Prinzip müsste auf den Kopf gestellt werden“, sagt er. Dabei teilt der Wohnsoziologe die Kritik Conradis am Europaviertel. „Es ist ein Unglück für die Stadt“, so Harlander. „Der Startschuss zum A-1-Areal, die drei Baufelder für die LBBW, stammt aus der Hochzeit der Bankenmacht und war somit schon veraltet, bevor der Rest des Gebiets überhaupt bebaut wurde.“

Auch Teile der Stadtverwaltung sehen die Vergabe ausschließlich großer Flächen entlang der Heilbronner Straße heute kritisch. Der Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) sagte jüngst, man wolle die Baugebiete für das Rosensteinareal auf den heutigen Gleisflächen in kleineren Parzellen vergeben, als das im Europaviertel der Fall gewesen sei. Genau diese kleinen Strukturen sind es, die Conradi mit seiner Idee des Bürgerfonds stärken will. „Das müssen wir schützen. Das sind die lebendigen Quartiere“, sagt auch Tilman Harlander und fügt an: „Der Bürgerfonds passt zu einer Denke im kleineren Maßstab.“

„Die Bürgerschaft könnte ihr Geld sinnvoll anlegen“

Wer an der Spitze eines solchen Stuttgart-Fonds stehen könnte, darüber will sich der emeritierte Professor derzeit keine Gedanken machen. „Das müsste man von der endgültigen Rechtsform abhängig machen“, sagt er. Wichtiger sei die Kernbotschaft: „Die Bürgerschaft könnte ihr Geld sinnvoll anlegen und dabei Verantwortung für die eigene Stadt übernehmen.“ Von einer solchen Idee würde Stuttgart nur profitieren, ist sich Harlander sicher.

Völlig anders beurteilt der Vorsitzende des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins Klaus Lang den Beitrag Conradis: „Ich sehe keine Veranlassung für einen solchen Fonds. Conradi polemisiert hier gegen Investoren. Diese Idee ist weder durchdacht noch realisierbar.“ Die Stadt sei doch im Wesentlichen durch das Engagement privater Investoren entstanden, erklärt der ehemalige Finanzbürgermeister. Auch die Kritik am Europaviertel teilt Lang nicht: „Über das A-1-Areal kann man an der einen oder anderen Stelle streiten, Bibliothek und Sparkassenakademie sind aber definitiv gelungen.“

Was die Stadt zu den Vorschlägen von Conradi sagt

Die Chancen für Conradis Bürgerfonds stünden allein schon aufgrund der unklaren Rechtsform schlecht, so Lang. „Ein gemeinnütziger Fonds würde bedeuten, dass die Menschen lediglich spenden und keinerlei Aussicht auf eine Rendite haben.“ Aber die Akteure auf dem Immobilienmarkt, einschließlich der ehemals gemeinnützigen Genossenschaften, seien daran interessiert, Geld zu verdienen. „Fest steht: in jeder Innenstadt ist Boden teuer. Daher wird das Baurecht ausgenutzt“, so Lang. Dabei sei das, was in Stuttgart ablaufe, im Vergleich zu Städten wie Frankfurt noch human. „Stuttgart hat ja bisher kaum Hochhäuser.“ Und Menschen, die sich engagierten und etwas Gutes tun wollten, hätten bereits mit der Bürgerstiftung eine Anlaufstelle. „Auch wenn es hier nicht ums Bauen geht.“ Lang gesteht Conradi zumindest zu, dass er eine ungewöhnliche Idee geboren hat: „In Bezug auf Bauen ist mir ein solches Modell bislang nicht bekannt.“

Die Stadt äußert sich nicht zu alternativen Immobilienfonds

Einen weiteren Unterstützer hat Conradi in Gerhard Mauch gefunden. Für den Dezernenten für Baurecht beim Städtetag Baden-Württemberg wäre jedoch eine genaue Abstimmung mit den Zielen der Verwaltung wichtig. „Am Ende geht es um ein Gesamtkonzept“, so Mauch. Aus seiner Sicht stellt jedoch die personelle Besetzung des Fonds ein Problem dar. „Wenn sich einige wenige mit großem Vermögen zusammenschließen, wäre der Unterschied zum Großinvestor nur gering“, so der Dezernent. „Wenn sich viele Bürger anschließen, könnte es schwierig werden, allen Anliegen gerecht zu werden.“ Und: „Bei diesem Thema geht es schnell um enorme Summen.“

Peter Conradi hatte sich in seinem Beitrag ausdrücklich gegen eine Beteiligung des Rathauses ausgesprochen: „Wer könnte einen solchen Stuttgarter Immobilienfonds gründen und verwalten? Mit Sicherheit nicht die Stadtverwaltung.“ Zudem geht er die Verantwortlichen offen an: „Die Stadtverwaltung schätzt die anonymen Investoren, vor allem wenn es sich um große Neubauprojekte handelt, denn ein großes Projekt macht meist weniger Arbeit als viele kleine.“ Vielleicht liegt darin einer der Gründe, weshalb der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) über einen Sprecher der Stadt ausrichten lässt, er wolle sich zu diesem Thema nicht äußern.

Auch die Anfragen der StZ bei den Investoren Stinag AG und Piëch Holding bleiben ohne Erfolg: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu politisch geprägten Themen, auch wenn diese nur rein lokaler Natur sind, nicht äußern möchten“, lautet die Antwort aus dem Hause Piëch.