Es ist ein Baustein im Kampf gegen den Wohnungsmangel in Stuttgart. Das Innenentwicklungsmodell gibt vor, dass bei Neubauten auf 20 Prozent der Fläche geförderte Wohnungen entstehen müssen. Im Rosensteinviertel wird es erstmals angewendet.

Stuttgart - Es ist einer der grundlegenden Bausteine im städtischen Kampf gegen den Wohnungsmangel. Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell, kurz SIM, gibt vor, dass bei Neubauten auf 20 Prozent der Fläche geförderte Wohnungen entstehen müssen. Im Stuttgarter Norden wird das Modell erstmals angewendet.

 

Von der Martinskirche bis zur Friedhofsstraße am Pragfriedhof lässt das katholische Siedlungswerk zurzeit das Rosensteinviertel mit gut 500 Wohneinheiten entstehen. Trotz des festen Anteils subventionierter Wohnungen soll an der Adresse später niemand ablesen können, ob hinter der Tür ein Sozialmieter oder ein wohlhabender Eigentümer lebt.

Geförderte Wohnungen kosten Geld

„Wir wollen, dass alle Schichten zusammen leben“, sagt der Geschäftsführer des Siedlungswerks, Norbert Tobisch. Die durchmischten Quartiere haben aus Sicht des katholischen Bauherrn zwei grundlegende Vorteile. „Erstens schaffen wir geförderten Wohnraum, ohne soziale Brennpunkte zu produzieren“, erklärt Tobisch. Zweitens seien gemischte Viertel eine der wenigen Möglichkeiten, wirtschaftlich günstige Wohnungen zu bauen. „Die zu fördernden 20 Prozent des Modells kosten Geld“, gibt Tobisch zu. „Den SIM-Anteil gleichen wir mit den restlichen 80 Prozent wieder aus.“ Sozialer Wohnungsbau alleine wäre aus finanzieller Sicht nicht machbar, heißt es beim Siedlungswerk.

Das neue Viertel wird in zwei Abschnitten entstehen. Der erste Teil reicht von der Eckartstraße im Norden bis zum heutigen Gelände von Auto Staiger. Auf dem Grundstück befanden sich bislang die Gebäude dreier Pharmafirmen: der Andreae-NorisZahn Aktiengesellschaft, der Schmidtgen GmbH und der Haidle & Maier GmbH.

Auto-Staiger muss weichen

Im Westen des Quartiers führt ein schmaler Weg zwischen Friedhof auf der einen und Spielplätzen auf der anderen Seite in Richtung Skate-Park an der Friedhofsstraße. „Diese Anlagen haben wir in unsere Pläne integriert“, sagt Tobisch .

Auf dem Gebiet des zweiten Bauabschnitts parken heute noch die Fahrzeuge des Autohändlers Staiger. „Wir werden unser Geschäft auf die Niederlassungen in der Umgebung verlagern“, sagt der Geschäftsführer Paul Schäfer. Auf absehbare Zeit wird es somit keine Staiger-Filiale mehr in Stuttgart geben. „Wir haben nach einem passenden Gelände gesucht, sind aber nicht fündig geworden“, sagt Schäfer.

Im ersten Abschnitt des Rosensteinviertels werden 128 Wohnungen entstehen, 31 davon öffentlich gefördert. Der Baustart ist für Mai 2014 geplant, die Fertigstellung für 2016. Im zweiten Teil werden auf dem Staiger-Areal 79 geförderte Wohneinheiten und 300 Eigentumswohnungen gebaut – als Spatenstich visiert das Siedlungswerk Mitte 2015 an. Hinzu kommen drei Gewerbeeinheiten für das gesamte Quartier, eine Kindertagesstätte mit acht Gruppen und ein neuer Platz für das heutige Männerwohnheim samt Pflegeakademie mit 200 Azubis. Das alte Wohnheim an der Nordbahnhofstraße wird abgerissen, sobald das neue Gebäude fertig ist. „Ich rechne mit Ende 2016“, sagt Tobisch.

150 Millionen Euro Kosten

Das Siedlungswerk gehört zu 75 Prozent dem Bistum Rottenburg-Stuttgart, die restlichen 25 sind in Besitz der Landesbank Baden-Württemberg. Der Bauträger hat in den vergangenen Jahren bereits mehrere Projekte in Stuttgart realisiert. Auf dem Grundstück der Strickmaschinenfabrik Terrot in Bad-Cannstatt sind 112 Wohnungen entstanden. Das 38-Millionen-Euro-Projekt wurde im Frühjahr dieses Jahres abgeschlossen. Auf dem Gelände des Krankenhauses in Feuerbach wurden zwischen März 2010 und Sommer dieses Jahres 139 Eigentums- und 27 Mietwohnungen gebaut. Das Siedlungswerk hat rund 55 Millionen Euro in das 20 000 Quadratmeter große Areal investiert.

Für das Rosensteinviertel nimmt der christliche Bauträger 150 Millionen Euro in die Hand. „SIM greift hier zwar das erste Mal“, sagt Geschäftsführer Tobisch. „Die Idee der durchmischten Quartiere haben wir aber bereits vorher verfolgt.“ In direkter Nachbarschaft zu Sozialwohnungen sind im Rosensteinviertel teure Penthäuser geplant. Nach eigenen Angaben hat das Siedlungswerk beim Verkauf der Luxusobjekte trotzdem keinerlei Probleme, zahlungskräftige Kundschaft zu finden. „Wir erklären vorher genau, wie wir uns die Nachbarschaft vorstellen“, erklärt Tobisch und fügt an: „Es gibt genug Menschen, die sich genau aus diesen Gründen für unser Angebot entscheiden.“

Ein Konzept gegen soziale Brennpunkte

Der Gemeinderat hat das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) am 24. März 2011 beschlossen. Das Ziel ist es, günstigen Wohnraum ohne soziale Brennpunkte zu schaffen. Greift auf einem Grundstück neues Baurecht, müssen 20 Prozent der Wohneinheiten nach dem Modell öffentlich gefördert werden.

OB Fritz Kuhn (Grüne) hat erklärt, in Zukunft sollen in Stuttgart 1800 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt werden – 600 davon öffentlich gefördert. Mit der Quote von 20 Prozent, die das Innenentwicklungsmodell vorgibt, können allerdings lediglich 360 erreicht werden. Für die Erfüllung seiner Ziele ist Kuhn, so sagen Kritiker, auf den guten Willen der privaten Wohnungswirtschaft angewiesen.

Der Bau geförderter Wohnungen wird von der Stadt finanziell unterstützt. Als Gegenleistung muss sich der Bauherr verpflichten, für einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren, die Miete auf einem niedrigen Niveau festzuschreiben. Geförderter Wohnungsbau ist daher bei Investoren meist wenig beliebt. Die Programme Sozialer Mietwohnungsbau, Mietwohnungen für mittlere Einkommen und Preiswertes Wohneigentum kommen bei dem Modell zum Einsatz.