Die städtische Kunstsammlung kann sich sehen lassen: Eine Ausstellung in der Galerie zeigt vor allem Werke, die zu ihrer Eröffnung vor 28 Jahren gekauft worden sind.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Corinna Steimel hat sofort Stellung bezogen. Mit einer neuen Ausstellung präsentiert die Leiterin der Städtischen Galerie Böblingen „die eigenen Schätze“ – und reagiert damit auf eine aktuelle Diskussion in der Museumslandschaft. Bei einem Symposium Ende November an der Stuttgarter Staatsgalerie war die Frage aufgekommen, ob regionale Sammlungen noch Bestand haben können und kleinere Galerien nicht geschlossen werden sollten. Die Antwort darauf aus Böblingen kann sich sehen lassen: Sie gibt einen Einblick in die Stuttgarter Kunstszene in der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele der Gemälde sind seit 30 Jahren nicht aus dem Depot geholt worden. „Ich hätte viel mehr zeigen können“, sagt Corinna Steimel. Auf einen Ausschnitt aus den frühen Gründungsjahren hat sich die Kuratorin nun beschränkt.

 

Plakativer Einstieg in die Ausstellung

„Gestatten: Die Kunstsammlung der Stadt Böblingen“ lautet der programmatische Titel der neuen Ausstellung. Auch der Einstieg über ein Bild von Reinhold Nägele aus dem Jahr 1928 ist für den Betrachter sehr plakativ: Es zeigt die Aufstellung einer Plastik in einer Kunsthalle der Künstlergruppe Stuttgarter Sezession. Auch Heinrich Altherr, damals Professor an der Stuttgarter Kunstakademie und Gründungsmitglied der Bewegung, ist darauf zu erkennen. Arbeiten von ihm hängen neben diesem malerischen Zeitdokument. „Kriegsfurien“ zum Beispiel, das den Sezessions-Stil verdeutlich: Drei unscharf umrissene Figuren schweben darauf über einer finsteren Landschaft und den Ruinen einer Stadt. „Das Undefinierte ist das innovativ Neue“, beschreibt Corinna Steimel die Malerei der damaligen Avantgarde.

Der Böblinger Haus- und Hofmaler Fritz Steisslinger hat die städtische Sammlung inspiriert. Er war ebenfalls Mitglied der Stuttgarter Sezession und nach dem Krieg kurz Kunstprofessor. Mit dem Beschluss zum Umbau der Zehntscheuer in die Galerie und das Bauernkriegsmuseum war dadurch der Schwerpunkt beim Kunstkauf gesetzt. Umgerechnet 150 000 Euro investierte die Stadt Mitte der 1980er Jahre in die Sammlung, die mittlerweile rund 1000 Arbeiten umfasst. Ständig zu sehen sind daraus aber nur die Höhepunkte wie das neu-sachliche „Paar am Grammophon“ von Max Ackermann. „Es herrschte damals eine Aufbruchstimmung“, sagt Corinna Steimel. Heutzutage wäre eine solche Investition undenkbar, neue Museen würden eher von privaten Sammlern gegründet, betont die Chefin der Städtischen Galerie.

Aufbruchsgeist in der Kunstszene

Ein Aufbruchsgeist führte auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Südwestdeutschland zu der Gründung der verschiedenen künstlerischen Keimzellen. Auf die erste Stuttgarter Abspaltung folgte im Jahr 1929 zum Beispiel die Neue Sezession. Dazu zählt Alfred Wais, dessen dick aufgetragenes Gemälde „Prophetenkult“ normalerweise im Depot hängt. Noch expressiver, bunter und aufgelöster wollten deren Mitglieder im Gegensatz zur Vorgängergruppe sein. Die Bewegung der Stuttgarter Juryfreien wird in der Ausstellung ebenso vorgestellt wie die 1919 von den Studenten Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Gottfried Graf gebildete Üecht-Gruppe. Und Bilder der Kunstakademie-Professoren Adolf Hölzel und Christian Landenberger machen die damalige Entwicklung ganz deutlich: Während der eine dazu ermutigte, sich vom gegenständlichen Malen zu befreien, pflegte der andere noch die impressionistische Landschaftmalerei.

Im diesjährigen Haushalt sind für den Kunstkauf 12 000 Euro eingeplant – unter anderem, um den Schwerpunkt der Sammlung ausbauen. „Damit kann man Lücken schließen“, erklärt Corinna Steimel.