Eine Lesung ist wohl das Finale auf der Taubenstaffel. Das Projekt „Stäffele Gallery“ ist vorerst nun zu Ende.

S-Süd - Es ist der verzweifelte Augenblick, wenn wir entdecken, dass dieses Reich, das uns als die Summe aller Wunder erschienen war, ein einziger Ver- und Zerfall ohne Ende und Form ist, dass seine Verrottung zu tief ansetzt, als dass unser Zepter sie noch aufhalten könnte, dass der Triumph über die feindlichen Herrscher uns zu Erben ihres langen Niederganges gemacht hat.“ Mit sonorer Stimme liest Helge Heynold aus Italo Calvinos „Die unsichtbaren Städte“. Darin beschreibt der italienische Schriftsteller fiktiv, wie Marco Polo dem Herrscher Kublai Khan von Städten erzählt, die er auf Inspektionsreisen besuchte.

 

Das Wohnzimmer besteht aus Treppen im Freien: den Stäffele

Ein Thema, das bestens in dieses Wohnzimmer passt. Denn dabei handelt es sich nicht um eine der üblichen guten Stuben. Trotz Sessel, Regal oder allerlei Lampenschirmen: Dieses Wohnzimmer besteht aus Treppen im Freien und befindet sich auf der Taubenstaffel im Stuttgarter Stadtteil Heslach. Eingerichtet hat es dort Anfang August Johannes Heynold, Leiter des Projekts „Stäffele Gallery“. Das Projekt ist – wie jenes der „Parklets“ – eines des „Future City Lab – Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur, das vom Wissenschaftsministerium gefördert wird. In der Stäffele Gallery, die mit 5000 Euro unterstützt wurde, lautete das Motto „Die Stadt als Haus“. Seine Prämisse: bislang ungenutzten städtischen Raum zu erforschen und für die Bürger attraktiver zu machen.

Auf den Treppenanlagen, von denen Stuttgart etwa 400 Stück hat, organisierte Heynold, Masterstudent am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart, mit anderen in den vergangenen Wochen allerlei: zum Beispiel einen Vesperabend, Kochkurs, Nachbarschaftsbuffet, Sport, Summerschool oder Installationen.

Die Stäffele-Gallery ist nun vorerst zu Ende

Die Lesung nun wird wohl das letzte Ereignis auf der Taubenstaffel gewesen sein, bevor sie wieder vor allem das ist, was sie ist: eine Treppe. Aber: „Mobilität ist mehr, als von A nach B zu kommen“, sinniert Johannes Heynold. „Auf dem Weg dahin spielt der öffentliche Raum eine Rolle.“ Bei Stuttgart denke jeder an Umweltprobleme, vor allem an Feinstaub. Doch es gehe darum, die vorhandenen Potenziale aufzuzeigen. Die Stäffele seien autofrei, ruhige Inseln, oft wild umgrünt, sie bieten idyllische Abkürzungen durch die Stadt und Ausblicke über den Kessel. „Die Stäffele Gallery ist dafür ein gutes Format, das weitergeführt werden sollte“, so Heynolds Fazit des Wohnzimmers. Ziel sei, dass die Anwohner ihre Stäffele kreativ nutzen. „Die Nachbarn waren durchaus interessiert, wir hatten sie mit Flyern informiert“, sagt er. „Eine ältere Dame fragte, warum nicht auch mit Plakaten, sie hätte gerne mitgemacht. Beim nächsten Mal müssen wir deutlicher machen: Wir machen nicht etwas für euch, wir machen etwas mit euch.“