Einmal im Monat treffen sich im Lutherhaus der evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart-Vaihingen Musikfans zum „Vinylrauschen“. Bei Getränken und Snacks werden Platten angehört und Tipps ausgetauscht. Wir haben zugehört.

Vaihingen - Ingrid Siegrist hält es schier nicht mehr auf dem Sofa. Begeistert schwingt sie einen unsichtbaren Taktstock und wippt auf der weichen Couch hoch und runter. Die Seniorin, die schon einen Achter vorne hat, wie sie gerade noch augenzwinkernd gesagt hat, greift nach der Plattenhülle. Das muss sie sich unbedingt aufschreiben, sagt sie, während sich Al Di Meola im Gitarrensolo zu „Mediterranean Sundance“ in Ekstase spielt. Stephan Burkhardts Tipp kommt bestens an in der Runde. Er hat heute einen ganzen Stapel Platten zum „Vinylrauschen“ mitgebracht. Schätze seiner Jugend zieht er aus dem Stoffbeutel. Jethro Tull, Pink Floyd.

 

Einmal im Monat treffen sich donnerstagabends im gemütlichen Kaminzimmer des evangelischen Lutherhauses in Vaihingen Musikfans. Und hören gemeinsam Musik. Bei einem Viertele, einem Bierchen, Chips und Erdnussflips wird über Coverversionen, One-Hit-Wonders und Textinhalte geplaudert. Oder auch einfach nur über Gott und die Welt. Jazz, Rock, Pop, Soul, Gospel, alles ist erlaubt, von traditionell bis obskur. Das Motto heute lautet „tiefgreifende Texte“. Udo Jürgens schmettert seine 70er-Jahre-Version von „He’s Got The Whole World“ aus den Boxen, dann gibt’s wieder aparte Filmmusik zum Kriegsdrama „Furyo“ mit David Bowie in der Hauptrolle von Ryuichi Sakamoto, danach darf der frühe Chris de Burgh etwas zum Besten geben. „Nicht nur das, was man jeden Tag im Radio hört“, sagt Helmut Joskowitz, der neben seiner kompletten Musikanlage zum Vorweihnachtstreff auch Glühweinschnitten mitgebracht hat, die seine Frau gebacken hat.

Zu Hause geht das Vinylrauschen weiter

Er, der Diakon Elmar Bruker und der Jugendreferent Alex Höhn hatten die Idee zum offenen Treff. „Beim Gemeindefest haben wir festgestellt, dass wir Platten sammeln und haben gesagt: Da könnte man doch was draus machen“, sagt Helmut Joskowitz (59). „Wir fanden, das ist ein interessantes neues Format. Wir wollten das, was uns Spaß macht, mit anderen teilen“, fügt Elmar Bruker (56) hinzu. Acht bis zwölf Leute kommen in der Regel aus unterschiedlichen Vaihinger Stadtteilen zusammen, die Konstellation ist nie dieselbe. Zwei neue Gesichter sind heute beim „niveauvollen Stammtisch“, wie Helmut Joskowitz es nennt, dabei.

Und so unterschiedlich die Teilnehmer sind, so unterschiedlich ist auch ihre Musikauswahl. „Die Geschmäcker sind verschieden, aber das ist das Schöne daran. Da kann man noch was lernen“, sagt Eva Haag und reicht eine Golden-Gate-Quartet-Platte weiter, damit Helmut Joskowitz „When The Saints Go Marching In“ auflegt. Warum sie die mitgebracht hat? Weil Weihnachten ist, weil es fetzig ist und einfach tolle Musik, lautet ihr Urteil. Bis 22 Uhr oder gar 22.30 Uhr werden die Musikfans heute noch im Lutherhaus zusammensitzen, dann wird zusammen aufgeräumt, und jeder wirft noch was ins Kässle für die Getränke. Daheim, das hat die Erfahrung gezeigt, lassen einige der Teilnehmer das Vinyl weiterrauschen. Elmar Bruker grinst. „Nach dem letzten Mal habe ich mir daheim gleich eine CD bestellt.“

Vinylrauschen Die Reihe „Vinylrauschen“ der evangelischen Kirchengemeinde wird fortgesetzt. Das nächste Treffen ist am 18. Januar ab 19.30 Uhr. Über weitere Termine kann man sich beim Diakon Elmar Bruker informieren, Telefon 07 11/1 33 57 15, Mail an e.bruker@ev-kirche-stuttgart-vaihingen.de.