Stammzellen erzeugen mit etwas Zitronensäure – dieses Rezept war manchem Wissenschaftler zu simpel vorgekommen. Die japanische Forscherin Haruko Obokata hat dafür viel Kritik einstecken müssen – und verliert nun ihren Job. Ihr Institut gibt diese Forschungsrichtung auf.

Tokio - Etwas Zitronensäure genüge, um Zellen neugeborener Mäuse in „STAP-Zellen“ umzuprogrammieren – in eine Art Stammzellen, aus denen dann jegliches Körpergewebe gezüchtet werden könne. Was die damals 30-jährige japanische Forscherin Haruko Obokata und ihr Team vor fast einem Jahr im Wissenschaftsmagazin „Nature“ behaupteten, klang fast zu gut, um wahr zu sein.

 

Und vielleicht war es das auch. Wenige Wochen später kamen erste Zweifel an der Studie auf. Sie führten schließlich zum Vorwurf der Datenfälschung und zur Rücknahme der Arbeit. Nach monatelangen Untersuchungen gab das japanische Forschungsinstitut Riken, Obokatas Arbeitgeber, nun bekannt, dass es nicht gelungen sei, die Ergebnisse von Obokatas Forschung zu verifizieren. Die Wissenschaftlerin gibt ihre Arbeit am Institut zum Sonntag auf, und das Institut stellt wiederum die Forschung zum STAP-Phänomen ein.

Von Juli bis November versuchte Obokata, die Stammzellen nach der von ihr beschriebenen Methode zu reproduzieren. Dabei haben ihr unabhängige Beobachter zugesehen, auch eine Überwachungskamera hatte das Labor im Blick. Auf dem Spiel standen nicht nur Obokatas Ruf, sondern auch der von einem von Japans bisher angesehensten Forschungsinstituten.

Warum die Bestätigung ausblieb, ist weiter ungeklärt

Obokata sagte immer wieder mit Nachdruck, dass sie von der Existenz der STAP-Zellen überzeugt sei. Sie habe sie mehr als 200 Mal hergestellt. Bei ihrem Kollegen und Co-Autor Yoshiki Sasai, der sich Anfang August das Leben nahm, sollen sich Zweifel breit gemacht haben. Aber er appellierte an Obokata in einem Abschiedsbrief, die Existenz der Zellen zu beweisen.

Seit dem Vorwurf der Manipulation habe Obokata mehr als 45 Mal versucht, STAP-Zellen herzustellen, sagten Vertreter der Untersuchungskommission nun in Tokio. Dazu benutzte sie genetisch manipulierte Milzzellen von Mäusen, die grün leuchten, wenn darin ein Gen aktiviert wird, das die Vielseitigkeit der Zellen anzeigt. Diese Vielseitigkeit wird Pluripotenz genannt. Obokata versuchte, eine Maus zu züchten, indem sie diese Zellen in den Embryo einer anderen Maus injizierte. Doch die Experimente schlugen fehl. „Wir konnten das STAP-Phänomen nicht verifizieren“, sagte der Sprecher des Untersuchungskomitees, Shinichi Aizawa. Ohne klare Antwort blieb die wiederholte Frage von Reportern, woher der Unterschied zwischen dem Bericht in „Nature“ und den Experimenten rühren könne.

Haruko Obokata nahm nicht an der Pressekonferenz teil, entschuldigte sich aber in einer Erklärung: Sie sei völlig perplex angesichts des Misserfolgs. Die junge Frau war in Japan im Januar zur Heldin stilisiert worden, erst recht, weil es in dem Land mit 14,4 Prozent nur wenige Wissenschaftlerinnen gibt – weit weniger als im Durchschnitt der OECD-Staaten. In Deutschland liegt der Anteil der Wissenschaftlerinnen bei 26,7 Prozent.

Eine Kollegin Obokatas wurde nun jedoch vom Journal „Nature“ als eine von zehn Wissenschaftlern des Jahres 2014 für ihre bemerkenswerte Forschung ausgezeichnet. Die Augenärztin Masayo Takahashi hatte die weltweit erste Transplantation von Gewebe durchgeführt, das aus einer anderen Form pluripotenter Stammzellen, den sogenannten iPS-Zellen, gezüchtet worden war. Nach der Kontroverse um Obokatas habe man Takahashis Arbeit besonders eingehend geprüft, sagten Vertreter des Wissenschaftsmagazins.