Der russische Star-Pianist und -Komponist Daniil Trifonov gastiert in Stuttgart. Interviews sind seine Sache nicht – dennoch erklärt er im Gespräch, was ihm wichtig ist.

Berlin - Berlin, am späten Vormittag. Der junge Mann mit dem wohl gegelten dünnen Haar wirkt ein wenig aus der typischen Hauptstadt-Welt gefallen: ein schüchterner Hänfling in blau kariertem Sakko und Stoffhose, dessen Hemd über der schmächtigen Brust so weit geöffnet ist, dass nicht nur die Goldkette glitzert, sondern sich auch die dunklen Haare auf der bleichen Haut kräuseln. Daniil Trifonovs Blick geht ins Leere, während seine schmalen, zarten Finger auf der Tischplatte lautlos trommeln. Nein, Interviews sind nicht die Welt des 25-jährigen Russen, der von Moskau bis New York als vielleicht genialster Pianist seiner Generation gefeiert wird. Wir haben es trotzdem versucht vor Trifonovs Stuttgarter Konzert mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra.

 
Herr Trifonov, in aller Welt werden Sie als Tastengenie bejubelt – sind Sie ein Superstar?
Ein Künstler sollte sich nicht auf solch eine Frage konzentrieren, sondern hat zu allererst selbstkritisch zu sein.
Sie denken also nie darüber nach, ob es stimmen könnte, dass Sie ein Genie sind?
Ich bleibe dabei: Entscheidend ist die Selbstkritik – und neues Repertoire zu lernen. Es ist wichtig, niemals aufzuhören zu lernen und neugierig zu sein, denn es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Das Klavierrepertoire ist eines der größten und umfangreichsten, das für Instrumente geschrieben worden ist, und das wichtige und entscheidende ist, sich auf die Erarbeitung neuer Werke zu konzentrieren, um das eigene Repertoire zu erweitern.
Eine Konzentration, die es offenbar mit sich bringt, dass Sie am Klavier oft so stark vornüber gebeugt sitzen, dass Ihr Kopf fast die Tasten berührt . . .
Solche Regungen und Positionen des Körpers entspringen gemeinhin den Gefühlen, die ein Werk in mir hervorruft. Jeder muss da seinen Weg finden, wie er das ausdrücken kann, was er ausdrücken möchte – und zugleich, wie er sich bestmöglich auf die Musik konzentriert. Denn erst diese Fokussierung erlaubt einem, sich in die Musik zu vertiefen und tatsächlich alles andere außen vor zu lassen.
Und dafür senken Sie Ihr Haupt schon mal auf die Tasten hinab.
Das hängt natürlich vom jeweiligen Stück ab – wie übrigens auch die Höhe der Sitzbank je nach Werk unterschiedlich sein kann. Hinzu kommt die Klavier-Mechanik, die gerade auf Tourneen ein wesentlicher Aspekt ist, wo man jeden Tag auf einem anderen Flügel spielt. Sergej Babayan . . .
. . . Ihr Lehrer am Cleveland Institute of Music . . .
. . . hatte da einen großartigen Ansatz: Als ich bei ihm studierte, hat er mich jeden Tag im Institut an verschiedenen Klavieren üben lassen. Ich musste jede Stunde das Instrument wechseln, so dass ich mich an nichts gewöhnen konnte – und so war es jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung und ich musste mich schnell anpassen an die neue Mechanik, an den neuen Klang und die andere Akustik.
Eine wahrlich ungewöhnliche Lehrmethode – ähnlich ausgefallen wie Ihr Studium von Rachmaninows zweitem Klavierkonzert, für das Sie in ein öffentliches Schwimmbecken stiegen, um dort im Wasser das Werk auf einer imaginären Tastatur zu spielen.
Das war eine physikalische Idee, denn der Widerstand im Wasser ist einfach viel größer und es bedarf weitaus weiterer stärkerer und konzentrierterer Fingerbewegungen. Ich habe das immer mal wieder gemacht – nicht zuletzt um zu testen, wie sich Schultern und Rücken schonen lassen.
Das ist Ihr Part der Vorbereitung auf ein Konzert – und was erwarten Sie umgekehrt als Solist vom Dirigenten und dem Orchester?
Bei einer Aufführung ist es sehr wichtig, die Aufmerksamkeit des Orchesters zu fokussieren, um die Energie sowie die Atmosphäre des Konzerts auf ein möglichst hohes Level zu bringen, wo tatsächlich ganz allein die Musik im Zentrum steht. Dann wird es nämlich möglich, während eines Konzertes tatsächlich eine einzigartige Geschichte zu erzählen.

Konzert: 2.6. Liederhalle, 20 Uhr, Kartentelefonisch unter 07 11 / 55 06 60 77.