Kooperationen mit Start-ups sind bei Firmen im Land en vogue. Doch was halten die Gründer davon? Eine Studie der Universität Stuttgart-Hohenheim gibt ernüchternde Antworten.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Das Programm Activatr in Stuttgart bringt seit Mitte dieses Jahres gemischte Teams aus Gründern und Unternehmensmitarbeitern zusammen. Daimler lädt junge Unternehmen aus der ganzen Welt auf seine Start-up Autobahn, ein Programm, bei dem Gründer mit Experten und Managern des Autokonzerns zusammengeführt werden. Firmen wie Bosch oder EnBW versuchen neues Denken in ihre Unternehmen zu bringen – unter anderem auch durch Kooperationen mit externen Start-ups.

 

Doch während die Presseabteilungen der Firmen dies auch aus Marketinggründen gerne als Aufbruch in die Zukunft feiern, ist bisher noch nicht untersucht worden, wie es den Start-ups selbst dabei geht. Eine repräsentative Studie des Fachgebiets Unternehmensgründungen und Unternehmertum der Universität Stuttgart-Hohenheim hat Gründer im Land zu ihren Erfahrungen mit etablierten Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt – und ist zu ernüchternden Ergebnissen gekommen.

Start-ups machen zwiespältige Erfahrungen

Die 130 teilnehmenden jungen Unternehmen aus Baden-Württemberg mussten die Definition eines Start-ups erfüllen: Sie sind technisch innovativ, erschließen neue Märkte und haben hohe Wachstumschancen. „Die Teilnehmer der Befragung haben bezüglich der Offenheit von Großunternehmen für Kooperationen mit Start-ups eine äußerst gespaltene Meinung.“ Das gilt für Start-ups mit einschlägigen Erfahrungen ebenso wie für Firmen, die bisher noch nicht mit etablierten Unternehmen kooperieren. „Teils-teils“ das war zu 45,2 Prozent beziehungsweise 41,2 Prozent die Antwort auf die Frage, ob es die viel beschworene Offenheit gegenüber jungen Unternehmen nun wirklich gebe. Wenn man die Äußerungen hinzurechnet, die noch pessimistischer sind, dann zweifeln insgesamt 59,5 Prozent der Start-ups mit Kooperationserfahrung und sogar 69,5 Prozent der Start-ups ohne diesen Hintergrund daran, dass etablierte Firmen wirklich neu denken wollen.

Gründer empfinden sich oft nur als Mittel zum Zweck

Woran liegt das? Für Martin Allmendinger, der als wissenschaftlicher Assistent des Hohenheimer Gründer-Professors Andreas Kuckertz die Studie betreut hat, lautet das entscheidende Stichwort Augenhöhe: „Viel zu oft sagen etablierte Firmen nach der Phase der Zusammenarbeit: Wir kaufen die Start-ups eben“. Echte Kooperation sei aber etwas anderes. Schließlich investierten beide Partner ihre Ressourcen in die Zusammenarbeit. „Viel zu oft sehen etablierte Firmen Start-ups nur als Hebel, um Innovation in ihr Unternehmen zu bringen. Ein Start-up hat aber seine eigenen Interessen: Echte Entrepreneure wollen unabhängig sein. Die wollen ihr Baby groß machen und sich nicht einfach irgendwann einmal als Abteilungsleiter anstellen lassen.“

Darf das Start-up wirklich wachsen?

Heikel sei insbesondere die Phase, wenn ein gemeinsames Projekt zum Ziel geführt wurde. Lässt man dann dem Start-up genügend Spielraum als unabhängiges Unternehmen zu wachsen? „Assimilierungs- und Verdrängungsstrategien gilt es dabei in jedem Fall auf Seiten der etablierten Unternehmen zu vermeiden“, heißt es in der Studie: „Arbeit teilen heißt auch die Ergebnisse der Kooperation teilen.“ Ansonsten werde das nachhaltige Potenzial dieser Partnerschaften zerstört, das über das einzelne Projekt hinausgehe.

„Ein Kooperationsprogramm aufzusetzen, bedeutet aber noch lange nicht, dass man offen ist“, sagt Allmendinger: „Offenheit heißt vielmehr, auch die internen Prozesse so anzupassen, dass sie zu den Bedürfnissen von Start-ups passen. Man kann nicht einfach sagen: Wir sind so – und du kannst froh sein, dass wir mit dir kooperieren.“ Bürokratischer Aufwand, wie er in den Rechts- und Einkaufsabteilungen der Unternehmen betrieben werde, behindere oft die Zusammenarbeit.

Auch die Landespolitik ist gefordert

In der Studie machen die Start-ups einige Vorschläge, wie sich die Situation verbessern ließe. Die Hälfte von ihnen beklagt, dass es bisher in Baden-Württemberg nicht genügend Plattformen gibt, wo Firmen und Start-ups zueinander finden können. Das ist nach Ansicht der Gründer ein Bereich, wo sich die Landespolitik noch mehr engagieren könnte. „So ist beispielsweise eine direkte Moderationsfunktion denkbar, um Türen zu etablierten Unternehmen zu öffnen“, heißt es in der Studie. Bis dahin bleibt Baden-Württemberg laut der Studie weiterhin unter seinem Potenzial. Vieles seien seitens der etablierten Firmen bisher Lippenbekenntnisse, heißt es im Fazit der Untersuchung: „Die besonderen Bedürfnisse von Start-ups werden immer noch nicht verstanden.“