Wem geben Senioren ihre Stimme, und wen wählen junge Männer? Eine Auswertung des Statistischen Amtes gibt Einblicke ins Wahlverhalten.  

Stuttgart - Männer wählen häufiger als Frauen, die Grünen konnten durchaus auch bei den älteren Wählern gewinnen, und die FDP verliert die meisten Stimmen bei den jungen Männern. Drei Wochen haben die Statistiker des Landesamtes gezählt, gerechnet und analysiert. Nun erlaubt die repräsentative Wahlstatistik einen interessanten Einblick in die Wählerschichten.

 

Je älter ein Baden-Württemberger ist, umso eher geht er wählen. Die Wähler im Alter von 60 bis 69 Jahren machten erneut am häufigsten ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel. Die Wahlbeteiligung lag in ihrer Altersklasse bei 74,1 Prozent, und damit über dem Landesschnitt von 66,3 Prozent. Die niedrigste Wahlbeteiligung haben Wähler, die zwischen 25 und 29 Jahre alt sind. Nur 46,5 Prozent von ihnen beteiligen sich am Urnengang.

Wähler der Grünen am jüngsten

Damit haben junge Wähler bei der Landtagswahl 2011 politischen Einfluss verschenkt, sagte Carmina Brenner, Präsidentin des Statistischen Landesamtes bei der Vorstellung der Zahlen im Landtag. Die Zahl der älteren Wahlberechtigten steige aufgrund der demografischen Entwicklung stetig an, während immer weniger junge Wähler nachfolgen. So gibt es nicht nur weniger junge Wähler, sie gehen zusätzlich auch noch seltener zur Wahl. Das verstärke das Ungleichgewicht. Lediglich 49,1 Prozent der unter 35-Jährigen machten bei der diesjährigen Wahl von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Von den 60-Jährigen und Älteren gaben hingegen 69,9 Prozent ihre Stimme ab.

Am jüngsten ist die Wählerschaft der Grünen, am ältesten laut Erhebung die der CDU. Fast jeder dritte Baden-Württemberger zwischen 35 und 59 Jahren hat die Grünen gewählt. Die Ökopartei konnte in allen Altersgruppen unter 60 Jahren zweistellig Prozentpunkte zulegen. Die höchsten Stimmenzuwächse mit 18,5 Prozentpunkten hatten die Grünen bei den Wählern im Alter von 45 bis 59 Jahre. Am wenigsten Erfolg hatten sie bei den 70-Jährigen und älteren Wählern im Land.

CDU besonders bei Senioren erfolgreich

Die CDU hat hingegen in allen Altersgruppen Stimmenverluste hinnehmen müssen. Mit einem Verlust von 5,8 Prozentpunkten und 6,6 Punkten verlor die Partei überdurchschnittlich viele Stimmen bei den 18- bis 24-Jährigen, und den 45- bis 59-Jährigen. Wie bereits im Jahr 2006 war die CDU besonders bei den Senioren erfolgreich. Fast die Hälfte der 60-Jährigen und Älteren machten ihre Kreuz bei den Christdemokraten. Laut Erhebung ist jeder zweite CDU-Wähler 60 Jahre oder älter. Im Vergleich waren 40, 3 Prozent der Grünen-Wähler unter 45 Jahre alt.

Die Sozialdemokraten mussten bei allen Wählern unter 60 Jahren hohe Stimmenrückgänge hinnehmen. Nur bei den über 60-Jährigen konnten sie einen Gewinn von 0,6 Prozentpunkten verbuchen. Die größte Unterstützung erhielt die SPD mit einem Anteil von 26,8 Prozent aus dem Lager der 70-jährigen und älteren Männer, den geringsten Rückhalt gab es mit 18,2 Prozent hingegen bei Frauen im Alter von 35 bis 44.

Piratenpartei wählten mehr Männer

Wie bei den Christdemokraten ist auch bei der FDP der Stimmenverlust auf alle Altersklassen verteilt. Besonders hoch sind die Verluste für die Liberalen mit einem Rückgang von 7 Prozentpunkten aber bei den Wählern im Alter von 25 bis 34 Jahren. Besonders bitter ist der Verlust bei den jungen Männern. Noch vor fünf Jahren konnte die FDP bei dieser Wählergruppe mit einem Plus von fünf Prozentpunkten am stärksten zulegen. Nun erleiden die Liberalen hier mit einem Verlust von sieben Punkten ihren stärksten Rückschlag. Die meisten Stimmen erhielt die FDP von den 60- bis 69-jährigen Männern, 6,9 Prozent von ihnen entschieden sich für die Liberalen.

Wären am Wahlsonntag nur Baden-Württemberger im Alter von 18 bis 34 Jahren wahlberechtigt gewesen, wäre der Piratenpartei der Einzug in den Landtag gelungen. Mit 6,2 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen und fünf Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen schafften es die Piraten über die Fünfprozenthürde. Dabei wählten mehr Männer als Frauen die Piratenpartei.

Wahlbeteiligung erstmals wieder gestiegen

Die Linken erreichten hingegen in keiner Altersgruppe fünf Prozent. Männer im Alter von 60 bis 69 Jahren bildeten mit einem Stimmenanteil von 4,5 Prozent die größten Unterstützer der Partei. Frauen im Alter über 70 Jahren machten hingegen ihr Kreuz am seltensten bei der Linken.

Insgesamt haben in Baden-Württemberg wie im Jahr 2006 weniger wahlberechtigte Frauen als Männer ihre Stimme abgegeben. Ihre Wahlbeteiligung lag bei 61,4 Prozent, die der Männer bei 63,7 Prozent.

Nachdem die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2006 mit 53,6 Prozent ihren historischen Tiefstand erreicht hatte, ist sie erstmals seit 1998 wieder gestiegen. Mit 66,3 Prozent lag die Wahlbeteiligung um 12,9 Prozentpunkte über der Marke von 2006. Laut Brenner ist der Anstieg darauf zurückzuführen, dass in allen Altersgruppen mehr Menschen ihre Stimme abgaben als bei der Wahl im Jahr 2006. Am stärksten legte die Gruppe der Erstwähler zu. 16,3 Prozent mehr Erstwähler als vor fünf Jahren gingen wählen. Insgesamt machten sich eine Million mehr Menschen zur Wahlurne auf als bei der vergangenen Wahl. Mehr also, als die Einwohner von Stuttgart und Mannheim zusammengenommen.

Die Erhebung der Wahlstatistik

Geschichte: Bereits seit 1964 wird die repräsentative Wahlstatistik vom Statistischen Landesamt bei Landtagswahlen erhoben. Sie bildet das tatsächliche Wahlverhalten der Bürger ab und lässt Vergleiche und Rückschlüsse zu.

Statistik: Von den insgesamt 500 Wahlbezirken in Baden-Württemberg wurden 186 per Zufallsprinzip ausgewählt. Auf den Stimmzetteln der ausgewählten Bezirke werden die Wahlberechtigten zusätzlich nach Alter und Geschlecht gefragt. Das Statistische Landesamt zählt außerdem die Wählerverzeichnisse der Bezirke nach Geschlecht und Altersgruppen aus, um Informationen über die Wahlberechtigten insgesamt zu erhalten. 160.000 Wahlberechtigte sind in diesem Jahr in die Stichprobe einbezogen worden, was einem Anteil von rund zwei Prozent entspricht. Laut Statistikbehörde ist die Zahlenbasis damit wesentlich breiter als bei kommerziellen Umfragen, die sich oft nur auf wenige Tausend Personen stützen.Aus Datenschutzgründen werden nur Wahlbezirke mit mindestens 500 Wahlberechtigten ausgewählt. Ergebnisse einzelner Wahlbezirke dürfen daher auch nicht bekanntgegeben werden. Die Auswertung erfolgt getrennt vom Wahllokal im Statistischen Landesamt.

Neuerungen: Erstmals wurden in diesem Jahr auch 23 Briefwahlbezirke in die Statistik mitaufgenommen. Ebenso gibt es in diesem Jahr sechs statt bisher nur fünf Geburtsjahresgruppen.