Die Darstellung des Ex-Premiers Stefan Mappus zum EnBW-Kauf steht im Widerspruch zu den Angaben der EdF - und einem schriftlichen Vertrag.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Mappus meldete sich per Brief aus dem politischen Ruhestand. Auch ihn, schrieb der Ex-Premier kürzlich an seine früheren Kollegen in der Landtags-CDU, hätten "die letzten Tage und Wochen mit Blick auf die Berichterstattung in Sachen EnBW sehr bewegt". Daher wolle er den Abgeordneten noch einmal versichern, dass "sämtliche von mir getroffenen Aussagen...selbstverständlich weiterhin Gültigkeit haben". Nur die Medien seien schuld, so seine Botschaft, wenn die Diskussion über den Milliardendeal nun "aus dem Ruder" laufe.

 

An zwei Beispielen erläutert Mappus den "lieben Freunden", wie übel ihm die Journalisten - namentlich jene von "Handelsblatt" und "Spiegel" - angeblich mitspielten. Mal werde "vorsätzlich ein völlig falscher Eindruck erweckt", mal würden Fakten "schlicht unterschlagen". Auf den ersten Blick scheinen seine Klagen durchaus nachvollziehbar, doch bei genauer Betrachtung geht der Schuss in beiden Fällen nach hinten los.

Schriftliche Bestätigung aus Stuttgart

Das "Handelsblatt" hatte massive Zweifel geweckt, ob die Électricité de France (EdF) bei dem Milliardengeschäft wirklich einen Parlamentsvorbehalt strikt abgelehnt habe; das war Mappus' zentrale Begründung für die Ausschaltung des Landtags. Die Wirtschaftszeitung zitierte nun eine schriftliche Auskunft aus Paris. Inhalt: die EdF habe niemals gefordert, dass der Landtag nicht beteiligt werden dürfe. Vielmehr habe man aus Stuttgart eine schriftliche Bestätigung bekommen, dass das gar nicht nötig sei. Das war starker Tobak. Umgehend sprach der SPD-Chef Nils Schmid von gezieltem Verfassungsbruch, was Stefan Mappus ebenso prompt als "ehrabschneidend" zurückwies.

Den zweiten Teil der Auskunft, klagte der Expremier, habe das Blatt zunächst nicht wiedergegeben. Darin erklärte EdF, man habe mit dem Land vereinbart, dass es keinerlei aufschiebende Bedingung gebe außer dem Plazet der Kartellbehörden. Mal so, mal so - die Angaben schienen in sich widersprüchlich, die Aufregung ebbte wieder ab.

Eine Art Denksportaufgabe

Tatsächlich stimmt wohl beides - und muss sich mitnichten widersprechen. Es ist eine Art Denksportaufgabe, die die Franzosen den Baden-Württembergern da aufgegeben haben. Um sie zu lösen, muss man die Abläufe rund um den EnBW-Deal indes ziemlich gut kennen. Mappus' Aussagen zum Thema Parlamentsvorbehalt klangen irritierend unterschiedlich: Mal will er diesen in Paris nur "angesprochen", mal "mehrfache Vorstöße" unternommen, mal geradezu dafür gekämpft haben.

Nichts davon bestätigt die EdF. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass ihre Version zutrifft. Wenn die Franzosen davon ausgingen, dass der Landtag gar nicht benötigt würde, spielte der Parlamentsvorbehalt in den Verhandlungen und deren Ergebnis natürlich auch keine Rolle - das ist durchaus stringent. Mappus war zudem offenbar gar nicht klar, dass er den Landtag zwar beim Kauf ausschalten könnte, ihn aber dann doch bräuchte, um eine Milliardengarantie für die Kaufgesellschaft Neckarpri zu übernehmen. Noch 24 Stunden nach dem Vertragsabschluss verneinte sein wichtigster juristischer Berater, der Gleiss-Lutz-Anwalt Martin Schockenhoff, in den Regierungsfraktionen eine solche Notwendigkeit. Erst als sich die zuvor ausgeschaltete Ministerialbürokratie der Sache annahm, ging der Regierung ein Licht auf. Kleinlaut erläuterte Mappus' Staatsminister Helmut Rau am Abend des Folgetages dem verdutzten Landtagspräsidium, dass die Abgeordneten doch noch benötigt würden.

Mappus' Exempel grenzt an Irreführung

Zeitlich wäre die aufschiebende Wirkung eines Parlamentsvorbehaltes zudem überhaupt nicht ins Gewicht gefallen. Bis Mitte Februar - mehr als zwei Monate also - dauerte es, bis der Segen aller Kartellbehörden vorlag. Der Landtag verabschiedete den entsprechenden Nachtrag dagegen schon nach neun Tagen, Mitte Dezember.

Auch Mappus' zweites Exempel für angebliche Manipulationen der Medien grenzt an Irreführung. Wenn der "Spiegel" berichte, die Investmentbank Morgan Stanley seines Freundes Dirk Notheis habe sich "quasi in einer Form von Automatismus alle weiteren Transaktionen nach dem Erwerb des Aktienpakets zusichern lassen", sei "auch dies unzutreffend". Bei der Finanzierung durch Anleihen sei gerade nicht Morgan Stanley zum Zuge gekommen, sondern die landeseigene L-Bank - aus dem "ganz schlichten Grund", dass sie "das günstigste Angebot" abgegeben hatte.

Rau bestätigte mit Unterschrift

Was der Expremier den Abgeordneten verschweigt: die L-Bank kam offensichtlich nur ins Spiel, weil der Deal der "Männerfreunde" Mappus und Notheis längst die Schlagzeilen beherrschte. Da wäre es der Öffentlichkeit schwer vermittelbar gewesen, wenn sein Trauzeuge - nebst dem Millionenhonorar für den Aktienkauf an sich - auch noch an der Schuldenaufnahme in Milliardenhöhe verdiente.

Vertraglich war genau das vorgesehen. In der Vereinbarung zwischen Morgan Stanley und der Landesgesellschaft Neckarpri, deren Inhalt der Stuttgarter Zeitung bekannt ist, heißt es unter dem Punkt "Sonstige Beauftragungen": Bei der Finanzierung der Transaktion werde der Auftraggeber - also das Land - "Morgan Stanley (jeweils) als Lead Manager (zusammen mit höchstens zwei weiteren Leadmanagern, deren einer die Landesbank Baden-Württemberg sein wird), für die Begleitung dieser Anleihe(n) mandatieren". Die Einzelheiten einschließlich des Honorars seien "noch in beiderseitigem Einvernehmen gesondert" festzulegen. Die gleiche Klausel fand sich für den Fall, dass die Aktien später an die Börse kämen: Morgan Stanley werde dann als "Global Coordinator und Bookrunner" beauftragt, zusammen mit höchstens zwei weiteren Führungsbanken, auch darunter die LBBW. Dass diese Bedingungen die Zustimmung des Landes fänden, hatte Staatsminister Rau den Investmentbankern wunschgemäß mit seiner Unterschrift bestätigt.

Mappus bleibt sich treu

Als Mappus und Notheis merkten, dass ihr Coup gar nicht gut ankam, nahmen sie davon wohl lieber Abstand. "Pacta sunt servanda", Verträge sind zu halten - dieser Grundsatz, an den die CDU sonst so gerne erinnert, galt da wohl nichts mehr.

Viele Empfänger lasen den Brief ohnehin mit Kopfschütteln. Stefan Mappus, kommentierte ein Abgeordneter, bleibe sich treu bis zuletzt: Immer seien andere schuld, nie er selbst.

Die Erklärung zum EnBW-Deal im Wortlaut

EdF: Seinem Schreiben an die Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion hat Stefan Mappus die vollständige aktuelle Stellungnahme der EdF beigelegt. Der englische Text lautet übersetzt: „Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs von Baden-Württemberg hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit und die Rechtskraft des mit der EdF vereinbarten Anteilsverkaufes. Wir haben niemals gefordert, dass das Parlament nicht beteiligt wird und vielmehr eine schriftliche Bestätigung vom Käufer erhalten, dass es nicht nötig sei, das Parlament zu beteiligen. Wir haben mit dem Land BW nur vereinbart, dass die Transaktion ohne jede aufschiebende Bedingung realisiert wird außer der kartellrechtlichen Prüfung.“

Mappus: Stefan Mappus hatte am 15. Dezember 2010 im Landtag Folgendes gesagt: „Die EdF hat einen Parlamentsvorbehalt ausdrücklich abgelehnt. In diesem Punkt blieb sie trotz mehrfacher Vorstöße von unserer Seite unnachgiebig.“ Alle Aussagen aus dieser Regierungserklärung blieben gültig, versicherte er den CDU-Abgeordneten.