Die Trockenmauern in Stuttgart sind gefährdet. Das betrifft auch die Wengerter in Degerloch. Die Christdemokraten im Gemeinderat fordern von der Stadt, dass sie sich an den Kosten für Reparatur der Mauern beteiligt.

Degerloch - Insekten huschen umher und suchen Schutz in den Ritzen. Im Sommer nehmen auch Eidechsen gerne ein Sonnenbad auf den warmen Steinen. „Trockenmauern sind ein natürlicher Lebensraum für viele Tiere“, sagt Thomas Wolfrum. Zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet er in Degerloch einen Weinberg von 50 Ar.

 

500 Euro für den Quadratmeter Mauer

Ohne Trockenmauern wäre der Weinbau in einer Steillage nicht möglich. Bei Starkregen verhindern sie, dass Reben und Erdreich weggespült werden. Für Trockenmauern werden ausschließlich Naturmaterialen wie Sandstein verwendet. Allein durch das Gewicht und die passgenaue Aufschichtung der Steine hält die Mauer dem Druck des dahinterliegenden Erdreichs stand.

Die Brocken können 100 Kilogramm wiegen, je nach Größe der Mauer auch mehr. Doch die Mauern sind nicht nur Segen, sondern auch Fluch, zumindest, wenn sie erneuert werden müssen. „Mein Schwiegervater war darin ein Talent, aber ich stoße da an Grenzen“, sagt Wolfrum. Das Erneuern ist nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv. „Wenn die Mauer ordentlich gemacht werden soll, fallen pro Quadratmeter etwa 500 Euro an“, sagt Wolfrum. Gerade Wengerter im Nebenerwerb können sich das nicht immer leisten.

Stadt sei in der Verantwortung

„Die Trockenmauern sind ein Problem in ganz Stuttgart. Wir haben 80 Hektar, und diese sind sehr gefährdet“, sagt der CDU-Stadtrat und Weinbaumeister Fritz Currle. Er sieht die Stadt in der Verantwortung und verweist auf das im Oktober vergangenen Jahres in Kraft getretene städtische Förderprogramm zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Trockenmauern und Staffeln in Steillagen.

In einer Anfrage verlangt die CDU unter anderem Aufklärung über die Kriterien zur Verteilung der Mittel und den aktuellen Stand des Programms. Für das laufende Jahr können eigentlich keine Anträge mehr gestellt werden. „Das Förderprogramm ist überzeichnet. Wir befinden uns momentan in der Detailprüfung der Anträge“, sagt Hermann-Lambert Oediger vom Stuttgarter Stadtplanungsamt. Doch ein Antragsstopp wurde bisher nicht ausgesprochen, nach wie vor können sich Weinbauern noch an die Stadtverwaltung wenden. „Aber wir schauen natürlich auch nach dem Eingangsdatum“, sagt Oediger.

Seit Oktober 2014 sind nach seinen Angaben 50 bis 70 Anträge bei der Stadt eingetroffen, überwiegend von Betroffenen, deren Trockenmauern einer Erneuerung bedürfen. „Wenn wir jetzt nicht reagieren, fallen in zehn Jahren die ersten Mauern um, und dann muss die öffentliche Hand einspringen, um die Hänge wieder zu stützen“, sagt Currle. Das will auch Oediger vermeiden. „Dem Förderprogramm stehen pro Haushaltsjahr 600 000 Euro zur Verfügung, diese Mittel sollen voll ausbezahlt werden“, sagt er. Doch vorher müssen alle Anträge – teils vor Ort – geprüft werden.

Immer weniger machen es gut

Dabei spielen der Bedarf und eine möglichst breite Flächendeckung eine Rolle. Die Gelder sollen über die ganze Stadt verteilt werden. Wenn der Wengerter seine Mauern selber erneuert, wird mit dem Antragsteller direkt abgerechnet. „Die Anträge auf Eigenleistung versuchen wir zügig und bevorzugt zu bewilligen“, erklärt Oediger.

Im Falle einer Fremdleistung werden die Kosten voll übernommen. „Es gibt immer weniger, die das machen, und immer weniger, die das auch gut machen“, wirft Thomas Wolfrum ein. Viele der heutigen Bewirtschafter haben das Handwerk nicht mehr von klein auf gelernt, sie sind auf Hilfe angewiesen. Oediger geht davon aus, dass auch in Zukunft Fremdleistungen zu 100 Prozent übernommen werden. Und: „Je länger das Förderprogramm existiert, desto mehr Baubetriebe werden Interesse am Bau von Trockenmauern finden“, prognostiziert er.

Um solche Themen besprechen zu können, soll in diesem Jahr ein runder Tisch stattfinden. „Ich würde es begrüßen, wenn wir unsere Bedürfnisse äußern können und die öffentliche Hand zuhört“, sagt Wolfrum. Er musste in diesem Jahr keinen Antrag stellen, alle seine Mauern sind noch in Schuss. Doch Arbeit hat er genug. Wolfrum zeigt auf die Blätter, die er an diesem Tag noch entfernen will. „Um diese Arbeit machen zu können, muss man auch Spaß daran haben“, sagt er und blickt hinunter auf seine Trollinger-Reben am Steilhang.