Der Kanzlerkandidat hat sich in einem Foto-Interview mit dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ mit gerecktem Mittelfinger fotografieren lassen und damit kontroverse Reaktionen ausgelöst.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Peer Steinbrück wollte nie ein „glatt geschliffener Kieselstein“ auf dem politischen Parkett sein. Er liebt seit jeher sein Image als eigenwilliger Typ, der sich nicht scheut, Anstoß zu erregen, wenn er es für politisch geboten hält oder Lust dazu hat. In einem Foto-Interview mit dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ hat er seiner Lust an der Provokation nachgegeben und sich mit gerecktem Mittelfinger in der Pose eines aggressiv pöbelnden Rowdys ablichten lassen. Mit seinem Temperament sieht sich Steinbrück selbst als idealtypisches Gegenbild zur Bundeskanzlerin Angela Merkel. Den ganzen Wahlkampf über hat er sich als Politiker inszeniert, der Ecken und Kanten hat und Klartext redet.

 

In den vergangenen Monaten ist ihm dabei eine Gratwanderung gelungen. Steinbrück hat zuletzt die Balance gehalten zwischen den Anforderungen an die offizielle Rolle eines Regierungschefs (sowie des Kanzleraspiranten) und seiner Selbstdarstellung als witziger, sarkastischer, dabei aber ernst zu nehmender Politiker. Am Anfang seiner Kandidatur war das anders. Der Umgang mit seinen Vortragshonoraren, die provozierende Aussage, dass Kanzler zu wenig verdienten und die Herabwürdigung der italienischen Wahlsieger um Beppe Grillo zu „Clowns“ lösten ein negatives Echo in den Medien und – laut der Umfragen – auch bei den Bürgern aus. Das neue Foto knüpft an diese alten Provokationen an.

Hier die aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl »

Bei der SPD versteht man die Aufregung nicht

Klartext komme manchmal ohne Worte aus, ließ Steinbrück unmittelbar nach der Veröffentlichung des Fotos wissen. Später lieferte er nach, dass die Gestik ironisch gemeint gewesen sei. Im Willy-Brandt-Haus kann man die Aufregung um die Veröffentlichung nicht recht verstehen. Es gebe nur etwa 100 Mails dazu – positive und negative hielten sich die Waage. Dennoch ist die SPD ausgeschwirrt, um Steinbrück Flankenschutz zu geben. Den Anfang machte der SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Steinbrück bescheinigte, in einem ironischen Interview auf ironische Art Emotionen gezeigt zu haben. „Ich finde, die Ironie in dem Bild ist klar erkennbar“, sekundiert Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der „Rheinischen Post“. „Ich finde ihn an dieser Stelle und auf diese Frage ziemlich witzig“, meint die Vizechefin der Südwest-SPD, Leni Breymaier. Der bayerische Spitzenkandidat Christian Ude sprach von einer „risikofreudigen Geste“.

Den Grünen fällt die Akzeptanz von Steinbrücks Pose schwerer. „Meine Form wäre das nicht“, erklärte die Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Schwarz-Gelb schießt sich auf den Merkel-Herausforderer ein. Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring wertete Steinbrücks Geste gegenüber dem „Handelsblatt“ nicht nur als „derbe Beleidigung, sondern auch als Abschied von Rot-Grün“.

CDU vergleicht Steinbrück mit Bushido

„Ein deutscher Bundeskanzler ist nicht Bushido“, kritisierte der Vize-Chef der CDU, Armin Laschet. „Ich habe dazu keine Worte“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die Bürger können sich nun erneut ein Bild vom Kandidaten machen“, meinte Unionsfraktionschef Volker Kauder der „Welt“.

Damit hat Kauder nicht ganz unrecht. Die Fotos im SZ-Magazin zeigen eine Facette von Steinbrücks politischem Temperament: Die Lust anzuecken ist bei ihm bisweilen größer als die Bereitschaft, das Risiko eines Missverständnisses oder einer Missinterpretation zu vermeiden.